2. Alarmierende Financial Gaps bei vielen Euro-Staaten
Die Situation in den übrigen Euro-Ländern ist hingegen deutlich kritischer zu bewerten. Sie verdanken Ihren aktuellen Status Quo im wesentlichen den Rettungsmaßnahmen der letzten Jahre. Diese führten aber zu einer äußerst problematischen Verschuldungslast, die an einer eigenständigen und nachhaltigen Kapitaldienst- und Verschuldungsfähigkeit dieser Länder erheblich zweifeln lassen.
3. Liquidität im Überfluss – ein hausgemachtes Systemrisiko droht
Einer der „Preise“ für diese durch die Notenbanken und ihren „Liquiditätsbazookas“ geschaffenen Kunstwelt ist ein extrem niedriges Zinsniveau und eine weit über das Produktionspotenzial der Euro-Staaten hinausgehende Liquidität in den Kredit- und Kapitalmärkten.
Da die „Problemländer“ ihre Herausforderungen zu höheren Zinsen kaum refinanzieren könnten, ist zu erwarten, dass dieses, die Genesung der Großschuldnerstaaten subventionierende, Niedrigzinsniveau auch noch in den kommenden 5 bis 10 Jahren durch „politisch gedrängte“ Notenbanken aufrechterhalten wird. Eine Simulation bzw. zeitliche Verschiebung der japanischen Zinstherapie in die amerikanischen Leitzinsen weist diesen Entwicklungspfad nachdrücklich.
4. Die Sparer bezahlen schon heute die Verschuldung der Staaten
Übersteigt die heimische Inflationsrate diese niedrigen Zinsen, so kommt es zu einer sog. „Realzinsfalle“, in der die angesparten Vermögen der Sparer sukzessive aufgezehrt werden.
5. „Verdampfte“ Rentenwerte für die Babyboomer-Jahrgänge
Dieser Effekt trifft die Deutschen überproportional, da der Preisanstieg hier im Vergleich mit den übrigen Euro-Ländern deutlich stärker ausgeprägt ist, und die deutschen Sparer ihr Vermögen stärker in sog. Nominalwerten – sprich kurz bis mittelfristig angelegten Spar- und Termineinlagen – angelegt haben. Auch ihre Vorsorgeleistungen werden von diesem Kaufkraftverlust überproportional betroffen, so dass sich gerade der Zukunftsvermögenswert der heute fünfzigjährige „Babyboomer-Generation“ in den kommenden zwanzig Jahren allein dadurch halbieren kann. Halbiert Pensionskaufkraft, statt zwei Pflegeplätzen für ein Paar nur einen, statt zwei neuen Hüftgelenken nur eines – keine rosigen Perspektiven.
6. Trügerische Sicherheit mit der Flucht in Realwerte
Die übermäßige Liquidität in den Kredit- und Kapitalmärkten und die Angst vieler Bürger vor diesem „hinterhältigen“ Phänomen haben zu einer „Flucht in Realwerte“ und zu einem enormen Preisanstieg in manchen Vermögenskategorien geführt – dies zeigen auch die enormen Preis“blasen“ auf dem heimischen Immobilienmarkt eindrücklich. Diese Hochpreise von heute werden in zehn und mehr Jahren kaum gewinnbringend erzielbar sein – eine trügerische Sicherheit in unsicheren Zeiten.
Sollte eine neuerliche Kapitalmarkt- und Bankenkrise die kreditgebenden Banken dann zu einer (dann deutlich niedrigeren) Neubewertung dieser „Sicherheitten“ zwingen, sind daraus negative Dominoeffekte für die Häuslebauer und Schuldner (in Form einer nötig werdenden Nachbesicherung und Kreditzinsverteuerung) und die sie finanzierenden Gläubigerbanken (insbesondere durch Kreditausfälle und geringe Erlöse bzw. Wertverluste aus dem Verkauf der „Sicherheiten“) zu erwarten.
7. Das deutsche Erfolgsmodell „Regionalbanken“ im Fokus
Die oben skizzierten problematischen Entwicklungstendenzen werden auch die deutschen Regionalbanken – sprich Sparkassen und Genossenschaftsbanken – treffen: Zunehmender Preis- und Margendruck durch vordringende Auslandsbanken und Internetformate, steigende Fixkosten durch eine überbordende europäisch getriebene Regulierung, eine anhaltende Niedrigzinsphase sowie eine beharrlich kurzfristige Refinanzierung des überwiegend langfristig ausgerichteten Kreditgeschäfts werden die Wettbewerbsfähigkeit dieser regional extrem bedeutsamen Institute, die sich gerade in den zurückliegenden Wirtschafts- und Finanzkrisen als enormer Stabilitätsfaktor bewährt haben, in den kommenden Jahren stark unter Druck setzen. Ihr Geschäftsmodell und ihre Stabilität als verlässlicher Kreditpartner mit entsprechender Ertragskraft und Eigenkapitalstärke sind gerade für den deutschen Mittelstand unerlässlich. Die über Jahre funktionierende Kreditpartnerschaft ist quasi die „Blutversorgung“ im deutschen Wirtschaftskreislauf.
Sollte sich die Schere zwischen den sinkenden Zinserträgen und den fixen Kostenblöcken jedoch weiter schließen, wird das auch Konsequenzen für das Geschäftsmodell „Regionalbank“ haben. Wir haben in einer Regionalbankenstudie diese alarmierenden Entwicklungstendenzen klar aufgezeigt, und eine aus unserer Sicht dringende Diskussion hierzu angestoßen. In dieser Studie untersuchen wir die Auswirkungen der beschriebenen Entwicklungen auf die Finanz- und Ertragssituation der Regionalbanken für die kommenden Jahre. Die dabei erkennbaren Herausforderungen entsprechen auch den Fragestellungen, die von deutschen und europäischen Aufsichtseinrichtungen bereits diskutiert, und durchaus besorgt verfolgt werden.
8. Internationale Kapitalmärkte und Kreditersatzgeschäft wirken durchaus regional
Sollten die deutschen Regionalbanken der erschwerten Großwetterlage niedriger Zinsen und erheblicher Regulierungskosten nicht entschieden entgegenwirken, verschlechtert sich ihre Kosten-Einnahmen-Situation, die so genannte Cost-Income-Ratio CIR, und damit die Fähigkeit zur Kreditvergabe und zur Unterstützung der wirtschaftliche Entwicklung und Versorgung ihrer Wirtschaftsräume, ganz maßgeblich. Zwei von drei Instituten befände sich dann in einem wettbewerbsgefährdeten Bereich mit einer CIR über 75.
9. Konsequente Veränderungen im Spannungsfeld von Kosten und Nutzen
Ein konsequentes Entgegensteuern durch das Bank- und Sparkassenmanagement und ihre Verbünde muss deshalb mit einem „Wertorientierten Regio-Banking“ schlüssige Antworten liefern. Der aufkommende Kosten-Ertrags-Druck wird auch einige der „liebgewonnenen“ Leistungen für die Verbraucher erreichen – die Filiale „um die Ecke“, ein Kernelement der „DNA“ einer Regionalbank, und damit die Möglichkeit für alleKunden unkompliziert in allen Fragen rund um’s Geld einen qualifizierten Rat und eine moderne und verlässliche Geldversorgung bis in die entlegensten Winkel des ländlichen Raums zu bekommen, aber auch die vielen Unterstützungen für lokale kulturelle oder breitensportliche Aktivitäten kommen zunehmend auf einen betriebswirtschaftlichen Prüfstand.
In puncto Filialversorgung werden andere, alternative Lösungen eine wirtschaftliche Präsenz beim Kunden sicherstellen (wie Agenturmodelle mit Bargeldauszahlungen bei lokalen Händlern, mobile Bargeldversorgung oder Beratung auf Terminvereinbarung), da die Kunden schon heute immer seltener in Geldfragen auf eine Filiale und ihre Öffnungszeiten zurückgreifen. Hier wird die Vernetzung von Mensch und mobiler Technik neue Lösungen liefern, wird das Kunde- Bankgespräch via Tablet an den „Wunschort“ in die „Wunschzeit“ verlagert. Schon heute kommen 6 von 10 Kunden übers Internet geleitet und vorbereitet in ein Beratungsgespräch – wenn sie überhaupt kommen (im Schnitt nur noch ein Kunde von zwanzig!).
Darüber hinaus sind auch die Verbünde, die die dezentral agierenden Regionalbanken mit diversen Dienstleistungen versorgen (wie Rechenzentren, eine
Vielzahl von Tochterunternehmen und Verbände) gefordert – nicht allein bei der Entwicklung eines zukunftsfähigen „Überbaus“ für Ihre Banken und Sparkassen, sondern auch durch die effizienzorientierte Überarbeitung ihrer etablierten Strukturen und Vorgehensmodelle. Kosten- und personalintensive Doppelarbeiten oder Konkurrenzverhalten innerhalb dieser „Umsysteme“ werden bei einer Restrukturierung nicht außen vor bleiben.
10. Warum die Politik zügig handeln muss
Der Druck der veränderten ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Entwicklungen zeigt auch den erheblichen politischen Handlungsbedarf. Wenn die politischgewollte „künstliche Ernährung“ von Problemstaaten und -banken mit Zinsen nahe Null und eine an multinationalen Interessen orientierte, überbordende Bankenregulatorik die Stabilität und die Zukunftsfähigkeit der überwiegend mittelständisch strukturierten, und seit Jahrzehnten erfolgreichen, Regionalbanken weiter belastet, wird sich ein „starkes Stück Deutschland“ verändern müssen.
Und das wird nicht ohne Folgen für Kommunen, den gewerblichen Mittelstand nd die Versorgung mit Bankdienstleistungen für weite Teile der Bevölkerung – insbesondere in ländlichen Regionen – bleiben. Es gilt die Zeit zu nutzen, und sich entschlossen auf ein enorm verändertes Umfeld vorzubereiten. Um zu stärken, was einerseits vielen Stärke und Rückhalt liefert, diese andererseits aber auch selber braucht – mehr denn je.
Autor: Prof. Dr. Bernd Nolte, Mitbegründer und Sprecher der Geschäftsführung der internationalen Unternehmensberatung 4P Consulting, Lehrbeauftragter für Strategisches Management, Economics & Business Ethics an der Steinbeis University Berlin.
Kontakt: Kathrin Dietrich-Pfaffenbach, Conference Director EUROFORUM | XING