Den richtigen Einstieg finden
Mit immer mehr Selbstbewusstsein werden attraktive Vergütung und Sozialleistungen verhandelt. In den nächsten Jahren werden bei hochqualifizierten Fach- und Führungskräften kaum noch Gehaltsdifferenzen auszumachen sein. Für langjährige Arbeitsverhältnisse ist eine Neuverhandlung jedoch schwieriger durch zu setzen, als für Neueinsteiger. Sie haben auf dem Bewerbermarkt einen leichteren Zugang zu sensiblen Themen. Wie kommen verdiente Mitarbeiter zum Ziel? Wie bringt man das Thema zu Sprache? Welchen Argumenten kann sich der Vorgesetzte kaum entziehen? Wir haben Verhandlungsexperten hierzu befragt. Hier ist ihre Strategie:
Wann und wie spreche ich meinen Vorgesetzten auf Missstände an?
Gabriele Kaspar: Ich halte es für außerordentlich wichtig, sich bewusst zu werden, wann ich diese Frage stelle. Sie dürfen ruhig auch einmal mit einer Portion Provokation agieren, vor allem dann, wenn Sie auf Leitbilder hinweisen können, in denen heute häufig auf Gleichberechtigung und Förderchancen Wert gelegt werden. Dies hilft „objektive Kriterien“ als gute Argumente zu nutzen. Außerdem Vorsicht! Frauen lächeln viel häufigerer als Männer bei schwierigen Gesprächen und wundern sich dann, wenn ihre Anliegen nicht ernst genommen werden.
Jörg Rosenberger: Ich empfehle in solchen Situationen, eher eine in die Zukunft gerichtete Argumentation vorzubereiten. Die Mitarbeiterin sollte beschreiben, inwieweit ihre Arbeitsleistung bereits jetzt und auch zukünftig einem anderen Gehaltsniveau entspricht. Wie so oft gilt auch hier die alte Regel, „wer fragt, führt“, also beispielsweise die Frage an den Vorgesetzten, wie er kurz- und mittelfristig unterschiedliche Gehaltsniveaus anpassen möchte. Wie in fast allen Verhandlungen muss man nach der gestellten Frage den anderen schnell zum Zug kommen lassen. Weniger ist hier mehr! Der Mitarbeiter sollte sich vor zu viel Rechtfertigung für seine Position hüten. Lieber mögliche Argumente auf Nachfrage des Vorgesetzten nennen.
Habe ich viel erreicht, wenn ein Drittel, die Hälfte oder alle Vorstellungen erfüllt werden?
Gabriele Kaspar: Eine Zahl zu nennen ist unrealistisch. Wichtig ist, die einzelnen Zielelemente zu gewichten. Es gilt hervorragend vorbereitet in die Verhandlung zu gehen. Klare Zielvorstellung und eine Prioritätenliste, sowie möglichst viele Alternativen und Optionen sind für das bestmögliche Resultat unabdingbar. Sich an der 100% Marke auszurichten verleitet zu Sturheit und damit zu Widerständen des Verhandlungspartners.
Jörg Rosenberger: Viel erreicht hat der, der seine realistische Forderung zu 100% durchsetzt. Hier gilt es, diese realistischen Ansprüche zu definieren. In die Verhandlung sollten Sie jedoch mit einem „best case“-Szenario gehen – womit wäre ich wirklich zufrieden. Das muss nicht in jedem Fall die hundertprozentige Erfüllung meiner Vorstellungen sein. Das Ergebnis sollte jedoch mehr als ein „Heftpflaster“ sein und sie zufrieden stellen.
Auf welche Fragen sollten Sie sich im Vorfeld eines Gesprächs vorbereiten?
Gabriele Kaspar: Fragen wie: Weshalb jetzt? Wie rechtfertigen Sie einen höheren Lohn? Sie sollten einen realistischen Stufenplan vorlegen und auf gute zurückliegende Resultate verweisen können.
Jörg Rosenberger: Ich würde meinen Mitarbeiter fragen: Wieso kommen Sie genau jetzt mit Ihrer Forderung? Wonach bemessen Sie ihre Zufriedenheit mit ihrer Vergütung? Was kann Sie zufriedenstellen jenseits einer monetären Vergütung?
Was können Sie tun, wenn das Ergebnis eines Gesprächs für Sie nicht befriedigend ausfällt?
Gabriele Kaspar: Im besten Fall haben Sie bereits eine Alternative, falls das Ergebnis für Sie enttäuschend ausfällt. Wichtig ist es, Ihre Mindestforderung nicht zu kommunizieren sondern erst das Angebot abzuwarten. Außerdem sollten Sie Ihren „walk away“ Punkt vorbereiten. Häufig werden Alternativen, welche nicht monetär ausgereizt werden können, verpasst zu verhandeln. Dazu zählen zum Beispiel mehr Ferientage, Reduktion der Arbeitszeit, Homeoffice, etc.
Jörg Rosenberger: Definieren Sie ein „worst case“-Szenario. Wenn dieses unterschritten wird, dann sollten sie handeln und ggf. einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen. Deswegen ist es immer wichtig, einen Plan B in der Hinterhand zu haben. Wenn Sie wirklich verhandeln möchten, dann können Sie Ihr Interesse nur nachhaltig vertreten, wenn Sie zur Not auch eine Alternative zum angestrebten Verhandlungsergebnis haben.
Autoren:
Gabriele Kaspar, Coach, Trainerin, Veränderungs- und Entwicklungsberaterin, GK Consulting
Jörg Rosenberger, Verhandlungs-Experte und Kommunikationstrainer, Reden ist Silber GmbH
Kontakt: Judith Rodig, Senior-Konferenz-Managerin, EUROFORUM Deutschland SE | XING
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