Herr Wildenstein, Sie sind für den IT-Service Desk der MLP Finanzdienstleistungen AG verantwortlich. Für welche und wie viele Personen sind Sie die Kontaktstelle für Fragen und Störungen?
Gemäß unserer IT-Strategie setzen wir auf Standardisierung und Outsourcing. Daher ist auch unser IT-Service Desk an einen Dienstleister ausgelagert. Ich verantworte die taktischen und strategischen Fragestellungen und die Qualitätssicherung des operativen Betriebs, der Dienstleister übernimmt die operative Ausführung. Der IT-Service Desk betreut 3.500 Berater und Mitarbeiter deutschlandweit und unterstützt bei allen IT-Fragen und IT-Störungen.
Service Desk darf sich nicht blind auf vereinbarte Prozesse verlassen
Sie beschreiben, wie der Service Desk „zum Aushängeschild der IT“ werden kann. Welche Maßnahmen können Service Desk-Verantwortliche aus Ihrer Sicht ergreifen, um einen Schritt in diese Richtung zu gehen?
Ich sehe hier zwei Erfolgskriterien: Der gesunde Menschenverstand und Process Mining. Es reicht nicht aus, sich blind auf die vereinbarten Prozesse zu verlassen, man muss sich in den Anwender hineinversetzen und zeitnah eine Lösung oder einen Workaround zur Verfügung stellen, auch wenn es prozesstechnisch nicht vorgesehen ist. Daher sind Gespräche mit den Anwendern das A&O, um an die Knackpunkte in der Supportkette zu kommen. Process Mining ermöglicht aus den digitalen Spuren, die eine Anfrage im ITSM-Tool hinterlässt, Auswertungen durchzuführen, die sehr schnell mögliche Probleme aufdecken und Ansatzpunkte für eine Verbesserung ans Tageslicht bringen. Wir sind auf dem Weg, dass der IT-Service Desk zum Aushängeschild der IT wird, das wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Service Desk Prozessablauf: Problemmeldung - Messung - Ursachenforschung - Lösung - Messung
Weiterhin orientieren Sie sich am Six Sigma-System, was viele sicher zunächst mit der Fertigungsindustrie assoziieren würden. Wie setzen Sie es im Service Desk ein?
Ganz konkret wenden wir Six Sigma und Lean an, um auch alle Aktivitäten zu eliminieren, die keinen direkten Wertbeitrag und Nutzen für den Anwender bringen. Six Sigma ist ja bekannt maximal 3,4 Fehler pro 1 Million Teile zuzulassen. Bosch geht sogar noch weiter und lässt maximal 2 Defekte pro 1 Million Einspritzpumpen zu. Das ist für uns kein Thema, diesem Anspruch gerecht zu werden. Wir nutzen die Werkzeugbox von Six Sigma ausgehend von den Stimmen der Kunden und dem Management, was ist das Problem, dann die Messung mit der Fragestellung Wie groß ist das Problem, dann über die Analyse, was sind die Ursachen des Problem und dann konkret und nachvollziehbar eine Lösung umzusetzen, die dann wieder durch eine Messung verifiziert wird. Haben wir die richtigen Massnahmen ergriffen, können wir das auch messen. Process Mining unterstützt die Methode sehr gut, da dadurch aufwändige Messmethoden stark vereinfacht werden.
Kurze Abschlussfrage: Welche 2 Themen beschäftigen Ihren Service Desk zur Zeit am meisten?
Der Übergang von Projekten in den Betrieb muss noch intensiver durch den Helpdesk begleitet werden, um die Anwender auch bei neuen Applikationen optimal unterstützen zu können. Zum anderen überarbeiten wir gerade die Zufriedenheitsumfrage, um aus den Antworten der Antworten noch zielgerichteter die Qualität im Helpdesk zu verbessern.
Interviewpartner: Oliver Wildenstein, IT-Prozessmanager MLP Finanzdienstleistungen AG | Weitere Vorträge von Herrn Wildenstein zum Prozessmanagment
Das Interview führte: Frederic Bleck, Senior Konferenz Manager EUROFORUM | XING
Herausforderungen im Service Desk - Umfrage
Welche Themen stellen in Ihrem Service Desk gerade die größten Baustellen dar? Zu welchen Themen interessieren Sie die Herausforderungen anderer Service Desks? Nennen Sie uns via Email Ihr Top-Thema und diskutieren Sie mit. Zu den am häufigsten genannten Themen wird es auf der Service Desk World eigene Diskussionsrunden geben. Die Ergebnisse werden anschließend veröffentlicht.