Welchen Beitrag kann die Lebensversicherung leisten, um Altersarmut zu vermeiden?

28.10.2016FinanceVersicherung, Lebensversicherung, Altersvorsorge

von Norbert Heinen

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und der demographischen Entwicklung steigt der Bedarf für Altersvorsorgeprodukte als Ergänzung der gesetzlichen Rente. Auf die Frage, ob die Lebensversicherung auch einen Beitrag leisten kann, um Altersarmut zu vermeiden, gibt es eine eindeutige Antwort: Ja.


Die Lebensversicherung wird auch in Zukunft ein wichtiger Stützpfeiler der persönlichen und betrieblichen Altersvorsorge sein. Wegen der demographischen Entwicklung und absehbarer Lücken in der Altersvorsorge breiter Bevölkerungskreise ist sie ein Zukunftsmodell.

Sicher: Die niedrigen Kapitalmarktzinsen stellen Lebens- und Rentenversicherungen derzeit auf den Prüfstand. Doch bei der Vorsorge für das Alter gibt es wenige Alternativen. Das Unverwechselbare einer Lebensversicherung im Vergleich zum Beispiel zu Bankprodukten ist die Absicherung biometrischer Risiken und die Glättung der Kapitalerträge im Zeitverlauf. Beides ist in Zeiten volatiler Kapitalmärkte und niedriger Zinsen von unschätzbarem Wert.

Gleichwohl besteht Handlungsbedarf, damit die private Versicherungswirtschaft auch in Zukunft ihre Funktion erfüllen kann. Er betrifft die Produktportfolien sowie Vertriebsformen und Vertragsabwicklung.

Insbesondere im Bereich der Lebens- und Rentenversicherungen ist bereits eine große Innovationswelle im Gange, die sich zugunsten der Kunden auswirkt. Zeitgemäßere und individuellere Lösungen werden das Ergebnis sein und die klassischen Lebensversicherungen sinnvoll ergänzen.

Wichtige Bausteine der privaten Vorsorge

Je geringer der Zins ist, desto wertvoller wird die Garantie der lebenslangen Rentenabsicherung. Die Garantie ist mit Abstand das wichtigste Merkmal für den Kunden bei Altersvorsorgeprodukten. Die Nachfrage nach Produkten ohne oder mit reduzierten Garantien ist im Markt noch gering. Auch bei fondsgebundenen Produkten werden Garantien nachgefragt. Und es ist anzumerken, dass Garantieniveaus unter hundert Prozent der Beitragssumme zwar auch werthaltig sind, es aber fraglich ist, ob sie auch auf eine ausreichende Nachfrage treffen.

Für die individuelle Vorsorge der Menschen bleibt es dabei, dass Lebens- und Rentenversicherungen langfristig als Bausteine der privaten Vorsorge unverzichtbar sind. Vielleicht nicht durchweg in der heutigen Form „ewiger“ Garantien, aber als Finanzprodukt in seiner Grundkonstruktion allemal.

Das zweite Handlungsfeld zur Zukunftssicherung der Lebensversicherung betrifft Vertriebsformen und die Vertragsabwicklung. Durch das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) reduzieren sich die Kosteneinnahmen spürbar und werden durch die Verteilung über die Laufzeit zunehmend unsicherer, um den Beitragserhalt weiterhin sicherstellen zu können. Abschluss- und Verwaltungskosten liegen aktuell noch unter dem Rechnungszins von 1,25 Prozent. Damit das auch in Zukunft so bleibt, muss mit der Rechnungszinssenkung zum 1. Januar 2017 eine weitere Kostenreduktion einhergehen. Der Großteil der Kosten entfällt auf Provisionen und Vertriebskosten mit einem Anteil von 0,86 Prozent der Kapitalanlage.

Doch das Einsparpotenzial im Betrieb ist begrenzt und nicht ausreichend, um den Beitragserhalt sicherzustellen. Daher müssen Provisionen und Vertriebskosten gesenkt werden, um Beitragsgarantien zu ermöglichen.

Das aber bedeutet, dass die Zukunft der Altersvorsorgeprodukte der Lebensversicherung an der „Neuerfindung“ ihrer Vertriebsmodelle hängt. Im Zeitalter der Digitalisierung muss die Assekuranz digitale Wege eröffnen, um zukünftig einen vertragsgültigen Abschluss zu ermöglichen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Online-Identifizierung des Antragstellers.

In Bezug auf Vertrieb und Provisionen muss die Außendienstorganisation in die Lage versetzt werden, perspektivisch mit deutlich geringeren Provisionseinnahmen der Altersvorsorgeprodukte auszukommen.

Ein kurzes Fazit: Nullzins, Überalterung und Migration, Zweifel an der Rentenpolitik der letzten beiden Jahrzehnte, unsere digitale Umwelt – aus vielen Gründen müssen Positionen überprüft und möglicherweise neu formuliert werden. Aber: Zur Vermeidung von Altersarmut sind private Vorsorge und gesellschaftspolitischer Auftrag der Branche mehr denn je erforderlich.

Norbert Heinen Norbert Heinen
Vorsitzender des Vorstands, Württembergische Krankenversicherung AG, Württembergische Lebensversicherung AG, Württembergische Versicherung AG