Stammdaten-Management zwischen traditionellen Anforderungen und neuen Herausforderungen

Wie überzeuge ich den Vorstand? Wie bekomme ich das Budget? Wie baue ich das Stammdaten-Management-Programm auf? Wenn man wie Dr. Wolfgang Martin eine Veranstaltung wie die Konferenz Stammdaten-Management seit so vielen Jahren moderiert, hat man viel zu erzählen. Zum Beispiel darüber, was sich verändert und auch, welche Themen immer wiederkehren. Danke für das interessante Interview!

Stammdaten-Management zwischen traditionellen Anforderungen und neuen Herausforderungen

Was ist im Laufe der Zeit bezüglich der Themen gleich geblieben?

Vielen Dank, ja, ich war vor rund 9 Jahren der Initiator dieses Forums, und ich habe bisher auch alle Stammdaten-Management Foren moderiert. Dabei habe ich natürlich auch die Möglichkeit gehabt, die Entwicklung von Stammdaten-Management über diesen Zeitraum zu verfolgen.

Ein Fragenkomplex, der immer wiederkehrt und auch immer wieder aktuell ist, betrifft die Frage des Business Case für Stammdaten-Management. Wie überzeuge ich den Vorstand? Wie bekomme ich das Budget? Wie baue ich das Stammdaten-Management-Programm auf? Wie organisiert man den laufenden Betrieb? Das sind Basisfragen, die bisher in jeder der Veranstaltungen gestellt und diskutiert wurden. In diesen Zusammenhang kommt auch eine andere Frage, die immer wieder gestellt wurde: Wie kann man Datenqualität messen und wie bewerten?  

Betrachtet man die Themen über alle 9 Jahre, dann stehen organisatorische Themen ganz klar vorne. Fragen nach Technologien, Architekturen, Werkzeugen und der Auswahl von Werkzeugen kommen zwar auch immer wieder, aber wichtiger sind den Teilnehmern Themen wie Datenqualität und Governance sowie die Zentralisierung, Globalisierung und Standardisierung von Stammdaten.

Nicht zu vergessen sind die Diskussionen, die wir vor allem in den Anfangsjahren geführt haben: Ist Stammdaten-Management eine IT-Aufgabe oder eine Aufgabe der Fachabteilungen? Diese Frage ist wohl inzwischen in allen Unternehmen geklärt: Es ist eine gemeinsame Aufgabe, die am besten im Sine eines Primus inter Pares von den Fachabteilungen angeführt wird.

Das Motto des kommenden Forums ist „Stammdaten-Management zwischen traditionellen Anforderungen und neuen Herausforderungen.“ Worin liegen diese neuen Herausforderungen?

Zwei neue Herausforderungen haben schon die Diskussion in den letzten beiden Jahren bestimmt: Die Frage der Zusammenarbeit („Kollaboration“) in den fach- und IT-übergreifenden Teams mittels Technologien und Methoden aus den Social Media und die Frage, ob man Stammdaten-Management als Cloud-Lösung betreiben kann oder sollte. Hier sieht man inzwischen die ersten Unternehmen, die in diese Richtung gehen. 2013 stellte Unilever sein Produktstammdaten-Management aus der Cloud vor, und bereits 2012 Hilti die Möglichkeiten von „Social MDM“.

In diesem Jahr kommen zwei neue Trends in das Stammdaten-Management hinein. Zum einen ein technologisches Thema: NoSQL-Datenbanken im Stammdaten-Management. Hier wird BMW von seinen Erfahrungen im Produktstammdaten-Management im Fahrzeugbau berichten. Ich sehe ganz deutlich, dass solche NoSQL-Datenbanken einen technologischen Schub ins Stammdaten-Management bringen können, da sie nicht nur die Stammdaten an sich managen können, sondern auch die Beziehungen von Stammdaten untereinander. Das ist beispielsweise ideal für Stücklisten-Verarbeitung.

Das zweite Thema ist wieder eher organisatorisch: Es betrifft die Frage von Data Shareconomy: Chancen und Risiken gemeinsamer Stammdatenpflege. Hier lässt sich auch ein Bezug zu Big Data herstellen, denn Big Data-Analysen brauchen bestens gepflegte Stammdaten. Oder wie wollten Sie sonst einen Besucher, der auf ihren Webseiten surft, als einen ihrer Kunden identifizieren?

Trotz der stärkeren Fokussierung der Teilnehmer auf organisatorische Fragen diskutieren die Teilnehmer doch immer, was die optimale Software für das MDM ausmacht. Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute MDM-Plattform aus?

Ich möchte mich bei der Antwort auf die Technologien einer MDM-Plattform beschränken und keine Checkliste für die Funktionalität im Einzelnen geben.
Eine „gute“ MDM-Plattform sollte ein zentrales Stammdaten-Management ermöglichen, denn Stammdaten sind über alle Prozesse und alle Applikationen verteilt. Daher braucht man eine zentrale Architektur fürs Stammdaten-Management. Die beste Architektur ist hier eine service-orientierte Architektur. Hier geht übrigens der Trend zu Plattformen mit Datenvirtualisierung. Das sind Plattformen, die mit Hilfe von In-Memory-Technologien nur noch logische Stammdaten managen und logische Daten-Services anbieten. Man verzichtet so auf die redundante Datenhaltung von zentralen Stammdaten und die entsprechende Replikations-Problematik.

Zu einer „guten“ MDM-Plattform gehören natürlich Services für das Datenqualitäts-Management (Profiling, Cleansing, Identity Resolution) und für kollaborative Services (auch im Sinne von Social Media inspirierten Services) sowie eine „gute“ Suchfunktion. Services für Data Governance gehören ebenfalls unbedingt dazu. Weitere Bestandteile sind eine voneinander getrennte Regel- und Workflow-Maschine (oder APIs zu entsprechenden Dritt-Produkten). Nicht zuletzt ist Administration und Security wesentlich. Die muss dann nicht nur die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, sondern auch an die Unternehmensstandards anpassbar sein.

Die Datenerfassung sollte als Einzelerfassung und als Massenerfassung möglich sein. Eine Schnittstelle für Datenimport und –Export ist wichtig ebenso wie ein API zu Produkt Information Management zwecks Publikation von Katalogen (Print, Web etc.). Heutzutage sollte eine MDM-Plattform auch Dateneingabe, Datenanzeige, Reporting und Monitoring für mobile Geräte ermöglichen und auch als Cloud-Lösung angeboten werden.

Und welche Ansprüche können eventuell nie erfüllt werden?

Technologisch ist alles möglich, es ist nur eine Frage des Preises!

Vielen Dank für das Interview!

 

Autor: Dr. Wolfgang Martin, http://www.wolfgang-martin-team.net

Kontakt: Tobias Knoben, Konferenz Manager EUROFORUM