Viele Vertriebswege – ein Ziel
Das Beispiel der Car Konfiguratoren im Automobilbereich zeigt, wie einerseits die Selbstberatung ermöglicht wird und gleichzeitig durch die Weiterleitung des konfigurierten Wunschautos an den nächsten Händler vor Ort ein nahtloser Beratungs- und Verkaufsprozess über verschiedene Vertriebswege ermöglicht wird. Aber wie sieht die Realität des Kundenerlebnis im filialorientierten Privatkundengeschäft aus?
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Dieses Kundenerlebnis im Automobilbereich gibt es heute im Privatkundengeschäft von Banken nicht oder kaum. Kunden suchen auf verschiedenen Wegen ihren Zugang zur Bank. Die Kunden agieren heute schon „multikanal“ finden aber kein adäquates vernetztes Kunden erlebnis wie in der Automobilbranche. Dabei haben sich neben der Filiale längst Online, Telefon sowie mobile Endgeräte etabliert, es fehlt aber meist eine intelligente Verzahnung, ein integriertes Kunden erlebnis sowie die gemeinsame Abbildung und kundenzentrierte Steuerung aller Vertriebswege.
Durch eine vernetzte Multikanalstrategie ergeben sich für die Banken jedoch große Chancen: So werden mit einem nahtlosen Übergang zwischen den einzelnen Vertriebswegen die veränderten Kundenerwartungen erfüllt, die Kundenzufriedenheit erhöht und damit die Bindung an die Bank gestärkt. Nicht zuletzt eröffnen attraktiv gestaltete Vertriebswege und die daraus resultierenden Weiterempfehlungen die Chance zur Gewinnung von Neukunden. Die filialorientierten Privatkundenbanken müssen für jeden Vertriebsweg einen eindeutigen USP definieren und dies umzusetzen. Die konsequente und umfassende Vernetzung der Vertriebswege ist schließlich bedeutend für ein einheitliches Kundenerlebnis und ein modernes und umfassendes Multi Channel Management.
So können die führenden filialorientierten Institute im Privatkundengeschäft den weiteren Vormarsch der Direktbanken sowie der Spezialinstitute aufhalten. Die Direktbanken und Spezialinstitute konnten in den letzten Jahren weiter national Marktanteile gewinnen und erwirtschaften jedes Jahr einen Vorsteuergewinn von mehreren hundert Millionen Euro im Jahr.
Wir sind doch schon „multikanal“ – oder etwa nicht?
Aufgrund der technologischen Entwicklungen und der Ausgestaltung von Mobile Banking sowie Wallet Lösungen kommt der Multikanalstrategie eine immer gewichtigere Rolle zur dauerhaften Erfolgssicherung von Banken zu. Zielgerichtetes Multi Channel Management wird daher zum Topthema der nächsten Jahre werden. So wurde in der Consileon Privatkundenstudie 2020 „Die Zukunft verstehen oder scheitern“ das Multi Channel Management als einer der fünf zentralen Trends im Privatkundengeschäft von Banken identifiziert und analysiert.
Sowohl das Internet wie auch mobile Endgeräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie werden ebenso wie die sozialen Netzwerkeund das Web 2.0 als Kommunikations- und Vertriebskanäle immer bedeutender. Der Anteil der Nutzer von Online-Banking in Deutschland hat sich mehr als verdoppelt in den letzten zehn Jahren von 20 % auf ca. 45 %. Ein weiterer an Bedeutung gewinnender Kundenkontaktpunkt sind die mobilen Endgeräte. Im Vergleich zum Vorjahr wurde im Dezember 2012 in Deutschland eine Zuwachsrate von 84 % bei Mobile Banking über Smartphones verzeichnet.
Die beschriebenen Trends verändern nicht nur das Verhalten der Kunden, sondern prägen auch deren Erwartungen an Banken und Finanzdienstleister wie in anderen Branchen. Das klassische Bild des Kunden, der sämtliche Schritte einer Kaufentscheidung von Information bis Abschluss über die Filiale abwickelt, verliert vor diesem Hintergrund mehr und mehr an Bedeutung und wird von zahlreichen anderen Kundentypen überlagert. Sogenannte hybride Kunden nutzen je nach anstehender Kaufentscheidung den für sie optimalen und situativ passenden Vertriebsweg und haben dabei keine starren Vertriebswegepräferenzen. Analysen zeigen, dass zukünftig 70 – 85 Prozent der Kunden mehrere Vertriebswege parallel nutzen werden.
Andere Branchen sind den Banken bei der Gestaltung von kundenzentrierten Prozessen im Multikanal bereits voraus. Die Erfahrung mit diesen branchenübergreifenden Beispielen prägt auch die Erwartung von Kunden an Ihre Bank.
Bei vielen Banken hat eine Implementierung aller Vertriebswege nebeneinander stattgefunden, jedoch: Multi Channel Management ist weitaus mehr als nur die Bereitstellung verschiedener Zugangs- und Vertriebswege. Blickt man tiefer in die Organisation von Banken, erkennt man schnell die typischen Stolpersteine auf dem Weg zu einem echten Multi Channel Management. Hier nur ein Auszug:
- Die Ausgestaltung der Kanäle entspricht angeblich den Wünschen und Erwartungen der Kunden; bei genauer Nachfrage sind die Kundenerwartungen aber gar nicht bekannt
- Die Transparenz über das Kundenverhalten im Multikanal ist nicht vorhanden – Erfolge sind den Kanälen nicht klar zurechenbar
- Ein „Silo“-Denken in den Vertriebswegen verhindert die vertriebswegeübergreifende Optimierung – die Angst vor einer gegenseitigen Kannibalisierung prägt das Bild
- Die Angst vor Margenverlust aufgrund der befürchteten Preistransparenz verhindert den Ausbau des Online-Vertriebs – die Filiale dominiert die anderen Vertriebswege
Handlungsfelder zur Erreichung eines echten Multi Channel Managements
Der Schlüssel zur Umsetzung eines Multi Channel Management liegt in der Erarbeitung und konsequenten Umsetzung von Initiativen in drei aufeinander aufbauenden Handlungsfeldern:
I. Schaffung dauerhafter Transparenz im Multikanal
II. Realisierung einer Kanal-Exzellenz mit klarem USP
III. Erreichen von Multikanal-Exzellenz durch Vernetzung
Zunächst ist es wichtig, dauerhafte Transparenz über das Kundenverhalten, die „Wanderung“ zwischen Vertriebswegen und die Kundenerwartungen zu schaffen. Als zielgerichtete Initiative hat sich dabei die Entwicklung und Implementierung eines ganzheitlichen Multi Channel Management Information Systems (MIS) bewährt. Damit wird das hybride Kundenverhalten über die verschiedenen Vertriebswege und Phasen des Kaufprozesses systematisiert erfasst und ausgewertet. Grundlage für ein Multi Channel MIS ist die Definition zentraler Steuerungsgrößen (KPIs) für das jeweilige Haus sowie die Erhebung und Verknüpfung der Kennzahlen unter Ausnutzung datenschutzrechtlicher Spielräume.
Aufbauend auf einer alle Kanäle umfassenden Transparenz steht die Erzielung einer Kanal-Exzellenz: Jeder Vertriebsweg ist mit einem klaren USP aus Kundensicht umgesetzt und erlebbar. Die spezifischen Stärken der verschiedenen Vertriebswege werden dabei identifiziert und ausgebaut. Als Beispiele können dabei innovative Non-Banks im Bereich der Wertpapierberatung dienen. Anbieter wie Nutmeg, Yavalu, justETF oder Mint ermöglichen Anlegern eine strukturierte Selbstberatung im Online bzw. Mobile-Vertriebsweg.
Ein entscheidendes Handlungsfeld bei der Etablierung eines modernen Multi Channel Managements ist schließlich die Erreichung von Multikanal-Exzellenz durch Vernetzung - die finale Optimierung des Zusammenspiels der einzelnen Vertriebswege für ein einheitliches Kundenerlebnis. Hierzu zählen insbesodnere ein zielgerichtetes Lead Management zur effizienten Überleitung von Interessenten zwischen den verschiedenen Vertriebswegen, sowie die Schaffung einer kanalübergreifenden Vertriebsverantwortung mit einem passgenauen Ziel- und Anreizsystem.
Die verschiedenen Vertriebswege müssen aus Kundensicht „verschmelzen“ – der Kunde kann jederzeit frei wählen, wie, wo und wann er welchen Vertriebsweg nutzt und erfährt dabei keine Unterschiede in der Qualität von Ansprache und Bearbeitung. Auch die CRM-Systeme müssen an die Anforderungen der Multikanal-Welt angepasst werden: Von den spezifischen Signalen des einzelnen Kunden ausgehend, wird dieser nun beispielsweise über den von ihm bevorzugten Kanal angesprochen.
Fazit
Das Privatkundengeschäft ist attraktiv und hart umkämpft. In den nächsten Jahren werden die Champions im Privatkundengeschäft auf Basis eines Multi Channel Management ein neues Kundenerlebnis, neue Kundenzentrierung umgesetzt haben. Dies dient als ein zentraler Schlüssel zu Kunden- und Ertragswachstum und hilft den Erfolgszug der Direktbanken und Spezialinstitute aufzuhalten.
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Autor. Ralph Hientzsch, Geschäftsführender Gesellschafter, Consileon Frankfurt