Die Mietpreise für Wohnimmobilien steigen in bestimmten Vierteln in Hamburg rasant. Erhalten Sie hierzu auch Reaktionen in Ihrer Gemeinde?
Ja, ich werde oft angesprochen von Menschen, die auf Wohnungssuche sind, weil sie sich verändern wollen oder müssen. Noch vor 10 Jahren gab es rund um St. Katharinen wenig Wohnraum, dafür aber aus dem Segment geförderten Wohnungsbaus. Heute ist der Zuwachs an Wohnungen in Altstadt und HafenCity massiv. Das ist wunderbar und belebt Stadt und Gemeinde. Die Mietpreise haben es an vielen Stellen allerdings in sich. In den neuen Projekten im Katharinenviertel beispielsweise müssen Mieter voraussichtlich mit Kaltmieten von € 15 und mehr rechnen. Gerne würde ich Menschen verschiedener Milieus und gerade auch Familien unterstützen, sich zum Wohnen rund um St. Katharinen zu entscheiden. Dieses Preisniveau macht das aber eher schwer. Insofern setzen wir stark auf den Baakenhafen, die Hafencity gehört zu unserem Gemeindegebiet.
In Hamburg wird die Mietpreisbremse eingeführt. Aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Maßnahme?
Die Frage ist für mich: wie erhalten und fördern wir Vielfalt in den Stadtquartiere? Inklusion ist nicht nur eine Aufgabe für Schulen, sondern für die ganze Stadt. Mietpreisbremse deute ich als einen Versuch der Politik, in diese Richtung zu arbeiten. Ich fürchte allerdings, dass sich eine gute Lösung für die Frage, wie wir bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten in ganz Hamburg erhalten oder schaffen, nicht ohne Weiteres per Gesetz anordnen lässt. Vielleicht ist die Mietpreisbremse ein Stachel im Fleisch, der die Verantwortlichen, die Wohnungswirtschaft und die Politik dazu antreibt, nach wirksamen Lösungen zu suchen.
Soziale Verantwortung im Wohnungsbau kann nicht allein eine Frage der Moral sein, sondern muss sich in gewisser Form auch rechnen lassen. Ziel muss deshalb sein, dass der Bau von bezahlbarem Wohnraum ein angemessen attraktives Geschäft bleibt. Das kann nur gelingen, wenn wir bei der Miethöhe nicht nur auf den Endmietpreis schauen, sondern auch auf die unterschiedlichen Parameter, die ihn beeinflussen. Dazu gehört neben dem Bestreben der Vermieter, gewinnbringend zu arbeiten, beispielsweise auch die Frage, wie wir unseren Klimaschutz organisieren. Derzeit schnellen Baukosten nicht zuletzt aufgrund immenser Kosten für Isolierung und Dämmung der Häuser in die Höhe.
Kurz: eine Mietpreisbremse ist wohlmöglich für die sozialpolitische Debatte gerade interessant, ist letztlich aber wahrscheinlich nur ein zu überdenkender eher undifferenzierter erster Schritt auf dem Weg zu Lösungen, nicht die Lösung selbst. Meine Erfahrung zeigt, dass im Dialog mit der Immobilienwirtschaft – auch im kritischen – einiges gemeinsam zu erreichen ist und wo dies nicht geht, müssen beide Seiten bereit sein, Konflikte demokratisch-fair auszutragen.
Investments in Immobilien sind extrem beliebt. Verzeichnen Sie bereits eine größere Nachfrage nach den Immobilienbeständen Ihrer Gemeinde?
Durch die HafenCity, die den größten Teil des Gemeindegebiets in St. Katharinen ausmacht, sind wir mit Blick auf Immobilien in einer absoluten Sondersituation in Hamburg. Besonders spannend ist, dass hier die soziale Dimension von Immobilien besonders deutlich hervortritt. Die Immobilien stehen hier für eine Infrastruktur, die Menschen zurück ins Zentrum Hamburgs bringt, die die Stadt mit ihrem Leben und Arbeiten beleben.
Nachfrage und Angebot haben hier dementsprechend nicht nur eine ökonomische, sondern vor allem auch eine soziale, kulturelle und als Pastor würde ich ergänzen sogar geistliche Dimension. Will sagen: wer sich hier bewegt und engagiert, trägt nicht nur Verantwortung für das Geld, sondern auch für die Seele der Stadt. Die Seele aber lässt sich nicht kaufen, mehr noch: unsere Seele und die Seele der Stadt darf nicht zum Verkauf stehen. In dem Sinne finde ich auch spannend, Quartiersentwicklung weiter zu denken.
Sehen Sie die Kirche im Zwiespalt zwischen attraktiven Kaufangeboten und sozialer Verantwortung?
Der Haushalt der Katharinengemeinde lebt zu einem großen Teil davon, dass wir ein Mietshaus in Hamburg Winterhude geerbt haben. Da stehen wir als sozialer Träger in genau diesem Zwiespalt, dass wir faire Mieten nehmen wollen und zugleich die Mieteinnahmen dringend brauchen, um das Objekt selbst in Stand zu halten und unsere Arbeit in der Gemeinde zu finanzieren. Das ist eine spannende interne Diskussion. Außerdem überlegen wir in St. Katharinen, uns zusammen mit anderen Partnern im Baakenhafen in der HafenCity zu engagieren.
Auch da führen wir Diskussionen darüber, wie soziale und kirchliche Projekte sich im Schichtsystem durch stärker ökonomisch orientierte Projektteile gegenfinanzieren lassen. Als Kirche können wir uns aus der Welt der Ökonomie nicht einfach abmelden. Daher werden auch Kirchen sich für den einen oder anderen Verkauf von Kirchengrundstücken zu guten Preisen oder manch weniger niedrigere Miete entscheiden. Darüber wollen wir zum Beispiel als Katharinen zusammen mit unseren Partnern aus dem Quartier, den Verantwortlichen der HafenCity und der Stadt ins Gespräch einsteigen, wie es uns gelingen kann, den monolithischen Primat des Geldes aufzuweichen und andere Faktoren aus den Bereichen Soziales, Kultur, Ökologie und mehr die Bedeutung einzuräumen, die ihnen zusteht. Wenn wir das nicht hinbekommen, müssen wir mit Verwerfungen rechnen, deren sozialen und ökologischen Kosten am Ende niemand mehr bezahlen kann. Knappheitssituationen können durchaus Kreativität anregen - Weniger kann mehr sein, wie wir aus der Fastenzeit wissen. Dem sollten wir uns stellen.
In Hamburg wird viel gebaut. Fehlen aus Ihrer Sicht Immobilien für spezielle Zielgruppen oder Interessen?
Ich finde, dass wir unsere Stadt gerade auch im innerstädtischen Bereich viel konsequenter tauglich machen müssen für Familien und den Dialog der Generationen. Eine familiengerechte Stadt hat das Potential, eine sehr innovative Stadt zu sein. Die Frage, was für Familien und den generationsübergreifendes Dialog wichtig ist, führt dazu, dass wir unsere Verkehrssysteme überdenken, noch mehr Aufmerksamkeit auf die Gestaltung öffentlicher Räume lenken und die Stadt mit ihren Immobilien nicht als starres System betrachten, sondern als lebendigen Organismus mit Herz Seele und Geist. Und wir sollten Heranwachsenden das Feld bereiten, sich mit ihrer Stadt so zu identifizieren, dass sie auf die sozialen Spaltungen in der Gesellschaft nicht mit Gleichgültigkeit reagieren, sondern mit Engagement für ihre Stadt.
Autor: Pastor Frank Engelbrecht, Hauptkirche St. Katharinen | Frank Engelbrecht bei XING
Das Interview führte: Janina Schabelon, Senior-Konferenz-Managerin | Janina Schabelon bei XING