Die Automobilbranche tut sich allerdings noch schwer, das Konzept für sich zu nutzen. Bis heute herrscht eine wahrnehmbare Trennung zwischen den Handelsniederlassungen und der Erlebniswelt der Hersteller im Internet. Dort halten sich die Kaufi nteressierten jedenfalls gerne und lange auf und nutzen die von Jahr zu Jahr besseren Produktpräsentationen per Virtual Reality.
Für ein konsistentes Einkaufserlebnis sorgen Konzepte, die auch in der Niederlassung gezielt auf die Kundenbedürfnisse eingehen. Wie die Verbindung von Online-Inspirieren und Offl ine-Finalisieren aussehen kann, zeigt BMW. Nach der Information im Netz kann der potenzielle Käufer sich im Showroom des Händlers von einem Product Genius noch einmal ausführlich individuell beraten lassen.
Wie man sehr spitze Zielgruppen planvoll bedient, demonstriert auch das Unternehmen Autobahn Motors in Singapur. Millionäre erhalten dort ihre Luxusautos zum Mitnehmen aus dem Automaten: Es reicht, das Traumgefährt auszuwählen und die Kreditkarte durchzuziehen. Ein Aufzug bringt dann das gewählte Modell. Da der Schlüssel bereits steckt, kann die Rundfahrt durch den Stadtstaat sofort starten. Diese Marketing-Aktion zeigt plakativ, in welche Richtung die Reise geht: Der Autohandel muss den Kunden dort abholen, wo er gerade ist – sei es beim Frühstück am Smartphone, im Auto per Service-Empfehlung auf dem Touch-Screen oder beim Shoppen in der Innenstadt.
Damit das gelingt, müssen allerdings die Daten aus den Online- und Offl ine-Welten auf einer durchgängigen Plattform integriert werden. Die Kunden haben damit kein Problem: Neun von zehn sind bereit, Daten preiszugeben, wenn sie im Gegenzug einen Mehrwert erhalten. Das geht aus der Cars Online Studie 2017 von Capgemini Consulting hervor.
Letztlich wird Mobilität mehr und mehr zum Service, der auf allen Kanälen ein konsistentes Erlebnis bieten muss. Der stationäre Handel wird dabei nicht verschwinden, denn das Kaufen an sich ist in diesem Bereich weiterhin hochemotional und gehört daher in ein attraktives Umfeld zum Anfassen und Erleben. Kombinierte Modelle aus Offline- und Online-Erfahrung werden sich deshalb auch in dieser Branche auf Dauer durchsetzen. Dafür braucht es allerdings eine zielgruppenorientierte Business-Vision, Technologiekompetenz zur Umsetzung der integrierten Plattform und das entsprechende Change Management.
Dr. Rainer Mehl
Executive Vice President – Head of Automotive Digital,
Capgemini Consulting
www.capgemini.com/consulting-de
Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Die Zukunft der Automobilindustrie“, das Sie hier erhalten können.