Deutschland gilt als sicherer Hafen für Immobilieninvestments. Können Sie dies aus grunderwerbsteuerlicher Sicht bestätigen?
Ja. Gesetzesänderungen mit Rückwirkung kommen im Grunderwerbsteuerrecht nicht vor. Auch die Finanzverwaltung bemüht sich um Verlässlichkeit. In Bezug auf die Auslegung des an den Anteilseignerwechsel bei grundbesitzenden Personengesellschaften anknüpfenden Grunderwerbsteuer-Tatbestands hat die Finanzverwaltung im Jahr 2010 allerdings ihre Rechtsauffassung für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle, d.h. mit Rückwirkung, verschärft. Es ist zu hoffen, dass dies eine Ausnahme bleiben wird.
In Zusammenhang mit den RETT-Blocker-Strukturen wurde mit §1Abs. 3a GrEStG ein neuer Steuertatbestand eingeführt. Wie schätzen Sie den Erlass-Entwurf hierzu ein?
Die Finanzverwaltung war leider nicht bereit, den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG in Übereinstimmung mit dem Zweck dieser Vorschrift einzuschränken. Der Erlass vom 9. Oktober könnte eine Vielzahl von Rechtsbehelfsverfahren zur Folge haben.
Wo stecken weitere neue Gefahren der Grunderwerbsteuer?
Neue Gefahren bestehen in Bezug auf die Auslegung des in § 1 Abs. 3a GrEStG enthaltenen Begriffs der wirtschaftlichen Beteiligung von durchgerechnet 95% an grundbesitzenden Gesellschaften. Auch wenn die wirtschaftliche Beteiligung in den Erlassen mit der Beteiligung am Kapital oder Vermögen der Gesellschaft gleichgestellt wird, ist nicht auszuschließen, dass einzelne Finanzämter eigene Interpretationen anwenden könnten, die im Gesetzeswortlaut keine Grundlage haben und deshalb von den Steuerpflichtigen nicht vorhergesehen werden können.
Auf welche Neuregelungen muss sich die Praxis im Jahr 2014 einstellen?
In 2014 könnte es zu Neuregelungen in Bezug auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage kommen. Insbesondere die Maßgeblichkeit von Kaufpreisen weit unter Verkehrswert, die im Konzernverbund Grundstücksübertragungen mit nur geringer Steuerbelastung ermöglicht, ist der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge.
Rechnen Sie in der nahen Zukunft mit einer weiteren Steigerung des Grunderwerbsteuersatzes?
Die Länder Berlin und Schleswig-Holstein haben bereits eine Erhöhung des Steuersatzes auf 6,0% bzw. 6,5% beschlossen, und zwar zum 1. Januar 2014. Zum selben Zeitpunkt soll auch in Bremen der Grunderwerbsteuersatz erhöht werden. Diskussionen gibt es dazu auch in Niedersachsen.
Autor: Dr. Stefan Behrens, Partner bei Clifford Chance
Das Interview führte: Janina Schabelon, Senior-Konferenz-Managerin | Janina Schabelon bei XING