Vorsicht bei der Abfassung von Gerichtsstandsklauseln in Geschäftsbeziehungen mit Frankreich
Gemeint ist hier die Gerichtsstandsklausel. Die Praxis zeigt, dass diese Klausel im internationalen Rechtsverkehr eine maßgebende Rolle spielt. Sie ermöglicht es nämlich einer Partei, dass ein mit einem ausländischen Geschäftspartner, sei es ein Endkunde, ein Vertriebshändler oder ein Zulieferer, zu befürchtender Rechtsstreit vor dem durch diese Partei im Vorfeld genannten und ausgewählten deutschen Gericht geführt wird oder werden soll. Die zweite Variante ("werden soll") trifft in der Regel dann zu, wenn der ausländische Geschäftspartner als erster vor seinem eigenen Gericht - also nicht vor dem in den AGB vorgesehenen - geklagt hat, in einem fremden Land mit einem fremdem Gerichts- und Rechtssystem.
Folgende Fallkonstellation hat sich in den letzten Jahren bei Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und französischen Unternehmen häufig gezeigt: Ein deutsches Unternehmen (Hersteller, Prinzipal, Kunde) entscheidet sich nach langjähriger Zusammenarbeit mit seinem französischen Geschäfts- und Vertragspartner für das für diesen Unvorstellbare, es kündigt die laufende Geschäftsbeziehung, meistens unter Einhaltung einer ihm angemessen erschienenen oder vertraglich vereinbarten Frist. Der Geschäftspartner reagiert empört, da die Kündigungsfrist, egal wie lang sie sein mag, für ihn immer zu kurz ist, und klagt meistens überraschend schnell im Eilverfahren – ungeachtet der vereinbarten Gerichtsstandsklausel - vor seinem eigenen Gericht, meistens ein Handelsgericht das nur mit Kaufleuten als Laienrichtern besetzt ist. Seine Klage beruht auf eine Bestimmung des franz. Handelsgesetzbuchs (Code de commerce), welche die sogenannte "abrupte" Beendigung laufender Geschäftsbeziehungen als einen Haftungsfall deliktischer Natur vorsieht, der einen Ersatzanspruch auslöst (Art. 442-6 Abs. 1 Nr. 5 Code de commerce). Wenn die Beendigung als abrupt oder brutal vom Richter anerkannt wird, führt dies zur Anordnung der Weiterführung der Geschäftsbeziehung für mehrere Monate oder sogar Jahre, meistens unter Anordnung eines abschreckenden Zwangsgelds.
Klage nach dem französischen Handelsgesetzbuch
Diese Klage landet kurzfristig auf dem Tisch oder in der Mailbox des deutschen Inhouse Counsel mit der Bitte um sofortiger Bearbeitung. Dieser wird ganz natürlich nach Einholung der ersten externen Beratung und Wahrnehmung des existierenden Bedrohungspotentials für seinen Mandant mit Verweis auf die vereinbarte Gerichtsstandsklausel in limine litis eine Gerichtsstandsrüge zugunsten eines deutschen Gerichts erheben lassen. An dieser Stelle darf sich der deutsche Anwalt freuen: Die zuletzt ergangene Rechtsprechung des französischen Kassationshofs (Cour de cassation, die höchste französische Zivilinstanz, entspricht den BGH) hat nämlich klar entschieden, dass eine Gerichtsstandsklausel welche ausdrücklich Rechtsstreite umfasst, die sich aus dem Vertragsverhältnis ergeben, Wirksamkeit entfaltet – dies auch mit Hinblick auf die Haftung aus der oben erwähnten abrupten Beendigung von Vertragsverhältnissen, ungeachtet der Einordnung des Anspruchs als rein deliktischer Anspruch (Cour de cassation Chambre commerciale, Urteil vom 20.03.2012). Es sei hier anzumerken, dass der Senat für Handelssachen (Chambre commerciale), der dieses Urteil erlassen hat, sich hiermit der Auffassung des ersten Zivilsenats angeschlossen hat, der diese Auslegung bereits seit mehreren Jahren vertreten hat.
Umfassend formulierte Gerichtsstandklausel empfohlen
Ganz konkret bedeutet dies, dass man mit der Wahl der Formulierung einer Gerichtsstandsklausel sehr vorsichtig vorgehen sollte, damit diese unter die genannte Rechtsprechung fällt. Eine kurze Analyse der ergangenen Entscheidungen zeigt, dass diese Klausel so umfassend wie möglich verfasst werden sollte : Sie soll für alle Rechtsstreitigkeiten gelten, die sich aus den Vertrags- und Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien gleich aus welchem Grund ergeben. Dasselbe gilt für eine Klausel welche für "alle aus dem Vertrag resultierenden Rechtsstreitigkeiten" anwendbar ist. Selbstverständlich sollte die Klausel zusätzlich einerseits die förmlichen Anforderungen des Artikels 23 Brüssel I-VO Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen einhalten, und andererseits vom französischen Geschäftspartner möglichst in einer ausdrücklichen Form anerkannt worden sein, um gültig und gegenüber diesem wirksam zu sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Gefahr eines unangenehmen Prozesses vor einem fremden Gericht abgewendet werden, und die Nützlichkeit der kleingedruckten AGB-Klauseln dürfte auch von den Nichtjuristen im Unternehmen anerkannt werden.
Autor: Bruno Weil, LL.M., Weil & Associés - Paris
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