Erdgas und die Bedeutung für die Energiewende

13.05.2014EnergieStadtwerke, Energiewende, Gasmarkt

Versorgungssicherheit mit Erdgas

Wenn von der Energiewende die Rede ist, dreht sich die Debatte fast ausschließlich um den Stromsektor. Der Gas- und Wärmemarkt dagegen spielt eine untergeordnete Rolle. In der aktuellen Auseinandersetzung zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union geraten Fragen nach Importabhängigkeit, Erschließung und Nutzung heimischer Erdgasvorkommen sowie Versorgungssicherheit nun stärker in den Fokus. Helmut Kusterer, Head of Business Development bei der GasVersorgung Süddeutschland GmbH, ist einer der Referenten zum Thema Erdgas auf der diesjährigen EUROFORUM-Jahrestagung Stadtwerke 2014. Im Vorabinterview beantwortet er uns einige zentralen Fragen.

Versorgungssicherheit mit Erdgas | Experteninterview

Welche Rolle spielt Erdgas für die Energiewende in Deutschland?

Wirtschaftlich eine große, aber in der Wahrnehmung eine deutlich zu geringe. Die ganze Diskussion ist in der Tat sehr „stromlastig“. Der Wärmemarkt mit seiner hohen Relevanz für das Gelingen der Energiewende wird vielfach unterschätzt. Insbesondere dort bietet Erdgas jedoch Lösungen, die umsetzbar sind und sofort zur CO2-Minderung beitragen. Die notwendige Infrastruktur ist schon vorhanden und die Techniken sind ausgereift. Außerdem sind diese Lösungen für Kommunen, Industriebetriebe und private Hauseigentümer auch bezahlbar, und wir müssen nicht über Sozialtarife oder Industrieabwanderung diskutieren. Nehmen wir als Beispiel den Austausch alter Kesselanlagen und den Ersatz durch moderne Gasbrenner: Große Wirkung, schnell umgesetzt, absolut bezahlbar. In naher Zukunft werden  innovative Techniken wie Brennstoffzellen den Energiemarkt verändern.

Ist die Energiewende ohne Erdgas als „Brückentechnologie“ überhaupt zu bewerkstelligen?

Der Begriff „Brückentechnologie“ beschreibt die Bedeutung von Gas nur unzureichend. Ohne Decarbonisierungen im Wärmemarkt werden wir die sehr anspruchsvollen Ziele der Energiewende nicht erreichen.  Wir haben aber eine fast nicht zu überbrückende Differenz zwischen politischer Zielsetzung und der Lebenswirklichkeit von Objekteigentümern, also denen, die investieren und die Verantwortung für den Mitteleinsatz tragen müssen. An dieser Stelle darf ich auf die hervorragende Publikation „Sanierungsfahrpläne für den Wärmemarkt“  der Zukunft Erdgas e.V. verweisen.

Viele Stadtwerke haben in Gaskraftwerke investiert; sie laufen jedoch immer weniger und die Betreiber geraten zunehmend in die roten Zahlen.

Die EEG Umlage beläuft sich jährlich auf ca. 25 Mrd. €. Der Wert des  per anno  nach Deutschland importierten Gases liegt in der Größenordnung von 28 Mrd. €. Wir könnten damit das gesamte  „Kraftwerksgas“ auf „null“ subventionieren, verstromen und hätten dann nur noch ca. die Hälfte der CO2-Emissionen wie bei der Kohleverstromung - und noch Mittel übrig. Derzeit haben wir die EEG-Umlagekosten und einen höheren CO2-Ausstoß. Klar ist: die Bereithaltung der konventionellen Kraftwerke und deren erhöhter Verschleiß durch die neue fluktuierende Fahrweise  müssen  vergütet werden. Hier ist die Politik gefragt.

Wie wirken sich Preissteigerungen und  „unfreiwilligen Subventionen“ bei den Kunden aus?

Strom wird teurer. Zuerst wurden die im Wettbewerb generierten Preisvorteile durch Steuern abgeschöpft. Heute haben wir bereits mehr als 50 % Anteil an Steuern und Abgaben am Endkundenpreis. Der weitere Netz- und Speicherausbau ist in diesen Preisen noch nicht enthalten. Lassen Sie es mich einmal so sagen wie es auf der letztjährigen Euroforum-Gaskonferenz von einem Kollegen gehört habe: „Er fragt sich, wie lange sich der deutsche Endkunde dies noch bieten lässt“. Auch unfreiwillige Subventionen sind Subventionen, und die sind zu prüfen. Erdgas ist verfügbar, subventionsfrei und umweltschonend.

Zu guter Letzt – ein Zukunftsszenario: Was würde passieren, wenn Russland Deutschland den Gashahn zudreht?

Ein häufig bemühtes Szenario –aber zu einseitig gedacht. Wir haben eine mindestens so große Abhängigkeit von Rohöllieferungen aus Russland und der Ölmarkt ist viel sensibler. Nicht nach Europa geliefertes Öl können Sie in andere Märkte verkaufen, Gas nicht. Die Gas-Lösung wird sicher nicht aus den USA kommen. Erstens sprechen die Kosten gegen LNG-Lieferungen aus den USA und zweitens ist der Export nach Europa politisch hochumstritten. Das Gas soll nach Meinung vieler in den USA verwendet und nicht exportiert werden. Wir müssen uns also selbst um Antworten bemühen. Die Abhängigkeit von Lieferungen aus Norwegen und Russland ist gegenseitig. Gas aus Westsibirien kann nur nach Europa exportiert werden. Der russische Staatshaushalt hängt zu annähernd 50% von den Öl- und Gaseinnahmen ab. Ein Lieferstopp wäre quasi  ein Pyrrhussieg – und dieser ist seit 2300 Jahren kein Erfolgsmodell.

Interviewpartner: Helmut Kusterer, Head of Business Development bei der GasVersorgung Süddeutschland GmbH

Kontakt: Daniel Scholten, Marketing Manager EUROFORUM | XING