Schwierigkeiten der deutschen Politik mit der Energiewende
Im Kern folgen die Schwierigkeiten der deutschen Politik bei der Umsetzung der „Energiewende“ aus zwei fundamentalen Defiziten des deutschen Energiekonzepts der Jahre 2010 bzw. 2011. Zum einen beschreibt dieses Konzept ein unvollständiges und unausgewogenes Zielsystem, welches quantitative Ziele nur für die ökologische Dimension des klassischen energiepolitischen Trilemmas formuliert, und die beiden anderen Dimensionen, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit, nur als lose, qualitative Rand bedingungen in den Blick nimmt.
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...und die Stromwende?
Der zweite grundlegende Mangel des deutschen „Stromwende“-Ansatzes ist die Tatsache, dass das ehrgeizige Zielsystem nicht mit einem schlüssigen Umsetzungskonzept hinterlegt wurde. Denn staatliche Zielvorgaben können nur wirksam werden durch Investitions-, Betriebs- und Innovationsentscheidungen von Unternehmen und Bürgern – und dafür benötigen sie geeignete rechtliche Rahmenbedingungen. Die Unzulänglichkeiten des Rechtsrahmens resultieren dabei vor allem aus der Struktur des Herzstücks der deutschen Energiewendepolitik, nämlich dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG).
- Das EEG stellt eine technologiespezifi sche Quasi-Subventionierung der Erneuerbaren gegenüber anderen CO2-Vermeidungsoptionen dar. Daraus resultiert innerhalb des EU-Binnenmarktes ein ineffizienter Minderungspfad für Treibhausgase.
- Weil das EEG den Betreibern feste Vergütungssätze garantiert,spielt der aktuelle Strompreis bei Investitions- wie auch Betriebsentscheidungen keine Rolle.
- Das EEG wirkt kostentreibend, weil die Auswahl der Standorte und Technologien sich nicht an den Differenzkosten orientiert.
- Das EEG ist trotz der Wechselwirkungen im europäischen Binnenmarkt auf Deutschland beschränkt und nutzt nicht die Vorteile ausländischer Standorte.
- Das EEG ist daher, in sehr fundamentaler Art, ein Fremdkörper in der wettbewerblich ausgerichteten Ordnung des EU-Binnenmarkts.
Verteilungseffekte durch das EEG
Zu der aus den genannten Eigenschaften des EEG resultierenden Ineffizienz kommen dann noch die von diesem Gesetz ausgelösten Verteilungseffekte hinzu, die – über Deutschland hinaus – rechtlich wie gesellschaftlich zunehmend problematisch werden. Eine Reform des EEG ist deshalb die vordringliche Aufgabe für die kommende Legislaturperiode des Deutschen Bundestags. Berücksichtigt man die politischen Spielräume für die Weiterentwicklung der Gesetzgebung im Stromsektor, so kann man im besten Fall auf eine zweigleisige Strategie der neuen Bundesregierung für die Reform der Erneuerbaren-Förderung hoffen:
- Erstens eine aktive Rolle in Brüssel bei der Gestaltung des übergreifenden europäischen Rahmens für die Periode 2020 – 2030. Insbesondere geht es dabei um die Ausgestaltung des europäischen Emissionshandelssystems und die Einführung eines leistungsfähigen (zumindest kontinental-) europäischen Fördersystems für Erneuerbare Energien.
- Zweitens eine rasche, nach den einzelnen EE-Technologien differenzierte Reform des EEG. Ziel der Reform muss es sein, die Kosten des weiteren EE-Ausbaus, beispielsweise mit einem Fördermodell der Struktur „Strompreis + X“, zu bremsen. Hierbei sollte eine Verschiebung des Portfolios hin zur vergleichsweise günstigen Wind-Onshore-Technologie und die Einführung von wirksamen Mengensteuerungselementen berücksichtigt werden. Ziel muss es sein, den deutschen EE-Sektor schrittweise auf den Übergang in ein europäisches Regime ab dem Jahre 2020 vorzubereiten.
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Weitere Aspekte der EEG-Reform
Die Neuausrichtung der deutschen Erneuerbaren-Politik und die daraus abzuleitende EEG-Reform ist beileibe nicht die einzige strompolitische Aufgabe für die neue Bundesregierung. Weitere wichtige Aspekte umfassen:
- die Klärung der Debatte um die Einführung bundesweiter Kapazitätsmechanismen,
- die davon separat zu behandelnde Frage nach einer systematischen Lösung für die durch innerdeutsche Engpässe in der einheitlichen Preiszone ausgelöste Gefahr einer Erzeugungsunterdeckung in Süddeutschland sowie insbesondere auch die Aufhebung der Privilegierung von eigenerzeugtem und -verbrauchtem Strom gegenüber fremdbezogenen Strom,
- den gerechten Lastenausgleich für die Begleichung der bisher durch das EEG entstandenen wirtschaftlichen Verpfl ichtungen der Gesellschaft gegenüber den Eigentümern der EE-Bestandsanlagen.
Doch unter allen diesen Aufgaben ist die Reform des EEG die dringlichste und die zentrale Aufgabe für eine Energiepolitik, die die erfolgreiche Umsetzung der deutschen „Stromwende“ langfristig absichern will.
Autor: Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung, Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln
Kontakt: Daniel Scholten, Marketing-Manager EUROFORUM