Sie waren einer der Ersten, die den Themenbereich Multimedia juristisch aufgearbeitet haben. Wie kam es dazu?
Mir fiel auf, dass es kaum vernünftige Literatur zum Thema gab. Im übrigen veralteten erste Aufsätze angesichts der Dynamik der Fragestellung so schnell, dass die Verleger nicht mehr hinterher kamen. Auch faszinierte mich die in den USA beginnende Open –access-Bewegung. Wenn ich schon als Professor mit Steuermitteln bezahlt werde, sollte ich – so meine Überzeugung – mein Wissen auch wieder in aufbereiteter Form kostenlos der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Und so machte ich mich an die Arbeit – alleine. Bis heute bearbeite ich den Text alleine. Hilfskräfte helfen mit Literaturrecherchen oder der Aktualisierung der Fußnoten, aber der Text ist meins. Und erfreut sich immer noch wachsender Beliebtheit. Jedes halbe Jahr wird er aktualisiert. Parallel dazu wird das (einmal jährlich aktualisierte) Handbuch IT-Recht kostenlos zum Download bereitgestellt – beides wird jährlich etwa 80000 mal abgerufen. Und hin und wieder gibt’s mal eine Spende – für die Kaffeekasse des ITM.
Wenn Sie auch jetzt noch einmal in die Zukunfts-Glaskugel schauen: Welchen Stellenwert wird Datenschutz in 20, 30, 40 Jahren haben? Wird man irgendwann kapitulieren und es heißt "Post Privacy"?
Ich weiß es nicht – und kann es altersbedingt auch nicht in 40 Jahren wissen. Das Datenschutzrecht scheint mir jetzt am Scheideweg. Entweder EU oder USA, Datenschutz oder post privacy. Vielleicht wird es aber auch gar nicht so dualistisch, sondern synthetisch im Hegelschen Sinne. Das Datenschutzrecht wird dann zurück zu seinen Wurzeln gehen, zu Pionieren wie Wilhelm Steinmüller, die Datenschutz als eine Facette einer größeren Fragestellung begriffen haben, des Informationsrechts, der Suche nach einer gerechten Daten-und Informationsordnung.
Was ist derzeit Ihr wichtigster Tipp, den Sie den deutschen Datenschützern mit auf den Weg geben wollten?
Ausgewogen denken und zwar auch differenzierend zwischen Staat und Privatwirtschaft. Die Diskussionen der letzten Jahre war m.E. zu stark durch einen manchmal miefigen Streit der Datenschutzaufsicht mit der Privatwirtschaft geprägt. Das Thema Intranet-Telefonverzeichnisse steht als Symbol für einen oft sinnlosen Aktionismus der Datenschutzaufsicht gegenüber legitimen privatwirtschaftlichen Interessen. Das hat zum gesamtgesellschaftlichen Verständnis für das Thema Datenschutz und seine Bedeutung nicht beigetragen. Statt das leichte Opfer Wirtschaft durch manche unausgereifte Pressemitteilung anzugreifen, sollte sich die Aufsicht mehr um die harte Nuß Staat kümmern. Erstaunlicherweise waren die Datenschützer hier oft ruhig. NSA, SWIFT, Flugdaten,Vorratsdatenspeicherung – kaum etwas war zu hören zwischen Kiel und Berlin. Das muß ein Ende haben.
Whistleblowing und Datenschutz: Warum sollte man als Datenschutzbeauftragter hierüber bestens Bescheid wissen?
Whistleblowing ist eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahrzehnte. Sei es Snowden oder Assange, das Internet wird immer mehr für das Offenlegen von Interna genutzt. Auch innerbetrieblich sind solche Aktionsformen oft ein Muß, wenn man etwa die gesetzlichen Pflichten von in den USA börsennotierten Unternehmen ansieht. Doch wie geht man datenschutzrechtlich mit solchen Phänomenen um? Hat der Betroffene Auskunftsrechte über den Whistleblower? Ist Wikileaks ein Presseunternehmen – mit den damit verbundenen datenschutzrechtlichen Privilegien und Pflichten?
Auf dem Datenschutzkongress 2014 schalten wir Sie live aus Harvard hinzu: Was ist der Grund für Ihren Aufenthalt an dieser renommierten Universität?
Ich möchte während meines Forschungsfreisemesters mehr verstehen, wie die Amerikaner in Sachen Privacy ticken? Wie nehmen sie Snowden wahr? Gibt es Privacy-Befürworter? Wie sehen sie das europäische Ringen um eine gerechte und ausgewogene Informationsordnung? Ich bin also erst als Gastprofessor am Berkman Center in Harvard, um dann auch noch später die Westcoast-Mentalität kennenzulernen – an der Stanford Law School,in unmittelbarer Nähe zu Apple & Co..
Sie arbeiten nebenberuflich als selbständiger Fotograf. Wie schaffen Sie das neben Ihrer Arbeit? Und was fotografieren Sie?
Fotograf sein, macht einfach Spass. Ich arbeite als Berufsfotograf in Projekten für große Einrichtungen, die Deutsche Bahn, Hafengesellschaften, internationale Museen. Da bin ich kein „Prof“ mehr, sondern einfach jemand, der sieht, sucht, fixiert – die Hände älterer Migranten, alte Bahnhofsplätze und Häfen, friesische Leichenbitter oder isländischen Krimskrams.
Vielen herzlichen Dank für dieses Interview, Herr Professor Hoeren!
Prof. Dr. Thomas Hoeren, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, 48149 Münster
Kontakt: Bettina Karen Cebulla, RA,Conference Director EUROFORUM | XING | LinkedIn