Herr Janszky, wie wird unser Alltag im Jahr 2025 aussehen?
Stellen Sie sich vor, Sie würden morgen aufwachen und jeder Gegenstand hätte eine eigene IP-Adresse: Ihr Badspiegel, Ihre Kinderzimmertapete, Ihr Küchentisch, Ihr ICE-Sitz, Ihr Bürofenster, … Was würden Ihre Kunden von Ihnen verlangen, was würde die Konkurrenz tun und wie würden Sie regieren?
Ich bin immer wieder überrascht, dass viele Zuhörer meiner Zukunftsreden bei dieser Frage zusammenzucken, als hätte ich gerade eine unglaubliche Hiobsbotschaft verkündet. Und doch reden wir nicht über kommende Jahrhunderte, sondern nur das Jahr 2025. Jeder Gegenstand wird zum Internetempfänger.
Die Nachfolger von iPad & Co. sind iMirror, iTable und iWall. Damit wird in den kommenden Jahren die Internetlogik Schritt für Schritt alle Orte und Geräte des Alltagslebens erobern. Und die werden auf diese Weise intelligent: Bildanalyse, Bilderkennung und beobachtende Interfaces sorgen dafür, dass Alltagsgegenstände das Verhalten ihrer Benutzer beobachten, diese Realwelt-Daten mit virtuellen Informationen kombinieren und über 3D-Displays in allen Varianten jeweils situationsgerechte Informationen in unseren Alltag einspielen.
Welche Konsequenzen hat das für unsere Arbeitswelt?
Wir erleben derzeit einen grundlegenden Wertewandel der Kunden. Im Wesentlichen geht es um die Frage: Wem vertrauen die Kunden? Waren es vor einigen Jahren noch Verkäufer und Fachberater, die das größte Kundenvertrauen genossen, so verschiebt sich durch den technologischen Wandel das Kundenvertrauen in großen Segmenten auf digitale Assistenzsysteme. Die Displays von Handys, Datenbrillen und SmartWatches werden in weiten Teilen zum strategisch wichtigsten Ort der Kundenbindung. Die Kunden werden ihren intelligenten Geräten mehr vertrauen als anderen Menschen.
Dies ist nichts Ungewöhnliches, denn Filtersysteme kennen wir in unserem Leben bereits. Auch früher haben wir uns auf Informationsfilter verlassen: auf Lehrer, Redaktionen, Makler, Trainer, Verkäufer, Reiseführer und Berater. Deren Geschäfte basieren auf der asymmetrischen Verteilung von Informationen, das heißt, sie haben Informationen zeitiger oder in besserer Qualität und verdienen ihr Geld damit, dass sie anderen die Informationen neu sortieren und individualisiert zur Verfügung stellen. Doch in den kommenden Jahren werden wir uns daran gewöhnen, dass technologische Filter „klüger“ sind als menschliche Filter. Sie bringen uns bessere Ergebnisse!
Was bedeutet das für Banken? Wird es weiterhin noch Filialen geben?
Filialen verlieren rasant an Bedeutung. Wie in den meisten Branchen beruhen auch die Machtverhältnisse in der Finanzbranche auf dem Besitz von Infrastrukturen: Produktion, Logistik und Shops. Wer gute Produkte hatte, wer eine effiziente Logistikkette besaß und über Filialen in den guten Lagen verfügte, der hatte automatisch die Macht über das Geschäft. Doch je mehr Einfluss die neue kostenlose Infrastruktur des Internet gewinnt; je mehr sie zum Rückgrat der Kommunikations-, Filter- und Entscheidungsprozesse der Gesellschaft wird, desto mehr verlieren die etablierten Infrastruktureigentümer an Bedeutung!
Wir erleben gerade eine Zeit, in der sich die Macht über Geschäftsmodelle vom Infrastrukturbesitzer entkoppelt. Deshalb wird es auch im Jahr 2025 noch nützlich sein, Infrastrukturen zu besitzen. Doch zusätzlich braucht man die Macht über die Daten. Kurz gesagt: Wer die Macht über die Daten hat, wird einige Kundensegmente auch noch in Filialen bedienen können. Wer nicht auf die Analyse von Daten setzt, braucht auch keine Filialen mehr.
Im Moment investieren viele Banken in Mobile Banking. Ist das der richtige Weg?
Ja absolut. Dies ist das Massensegment der Zukunft. Sie sollten dabei aber nicht vergessen, dass es daneben lukrative Nischensegmente gibt, die nach anderer Logik funktionieren. In unseren Strategiestudien zeigen wir, dass es die ehemalige Marktpyramide mit den klar definierten Economy-, Standard- und Premiumsegmenten schon lange nicht mehr gibt. Das Standardsegment verschwindet. Künftig gibt es nur noch zwei ernst zu nehmende Segmente: Den Economy-Bereich und das Premium-Segment. Die wichtigste Zukunftsentwicklung ist, dass Economy- und Premiumsegment nach unterschiedlichen Logiken funktionieren. Während das bisherige Abwägen zwischen Qualität und Preis im Economy-Segment bleibt und innerhalb dieses Segments bis zu höchsten Qualitäten und höchsten Preisen geht, treffen die Kunden im Premium-Segment ihre Kaufentscheidung nicht nach Qualität und Preis, sondern nach deren Eignung als Identitätsmanager.
Interview mit Sven Gabor Janszky, Trendforscher, Direktor des 2b AHEAD ThinkTank
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Kontakt. Carola Bergmann, Director Finance EUROFORUM | XING