von Matthias Müller
Die emotionale Debatte um Fahrverbote in Städten, um die Zukunft des Diesels und um die Elektromobilität zeigt: Die Zeiten, in denen sich unsere Branche selbst gefeiert, sich im eigenen Glanz gesonnt hat, sind vorbei. „Business as usual“ reicht nicht mehr. Es geht darum, wie wir diesen großen technologischen Umbruch gestalten. Es geht um ein neues Verständnis von Mobilität – weit über das Auto hinaus. Es geht aber auch um unser Selbstverständnis als Industrie. Um Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, das wird nur gelingen, wenn wir berechtigte Kritik annehmen. Wenn wir – ganz konkret – bei Emissionen und Verbrauchswerten mehr Transparenz und Ehrlichkeit praktizieren. Und: Wenn wir die Zukunft noch mutiger anpacken als bisher. Für Volkswagen kann ich sagen: Wir haben verstanden! Und wir werden liefern. Die vergangenen Wochen zeigen aber auch: Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen. Beim technologischen Wandel unserer Industrie geht es um viel mehr als den Umstieg von Technologie A auf Technologie B. Es geht um die Transformation einer über Jahrzehnte gewachsenen Wirtschaftsstruktur, die Fortschritt und Wachstum für Viele gebracht hat – und die es wert ist, fortzubestehen.
Das ist kein Appell für ein „Weiter so!“ Wer sich in historischen Umbruchphasen an den Status Quo klammert, befördert sich selbst ins Abseits. Mir geht es vielmehr um einen geordneten, wohl überlegten Systemwechsel vom Verbrennungsmotor ins Elektrozeitalter – der mutig, konsequent und verantwortungsvoll gestaltet wird.
Wie genau die Mobilität in 15 oder 20 Jahren aussehen wird, das kann heute niemand mit Gewissheit sagen. Mit „Together – Strategie 2025“ haben wir unseren Weg in diese neue Welt aber klar beschrieben. Bis 2025 wollen wir Volkswagen zur weltweiten Nummer Eins in der Elektromobilität machen. Wir gehen davon aus, dass dann bereits jedes vierte neue Fahrzeug aus dem Volkswagen Konzern rein elektrisch angetrieben sein könnte. Je nach Marktentwicklung reden wir hier von bis zu drei Millionen E-Autos pro Jahr.
Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen. Beim technologischen Wandel unserer Industrie geht es um viel mehr als den Umstieg von Technologie A auf Technologie B.
Mit der „Roadmap E“ – als Kernelement unserer Strategie – bringen wir dazu jetzt die größte Elektrifizierungsoffensive in der Automobilindustrie auf den Weg. Erstens: Wir schärfen unsere Produktplanung und legen deutlich nach. Bis 2025 werden wir weltweit mehr als 80 neue elektrifizierte Modelle zu unseren Kunden bringen: darunter fast 50 reine E-Fahrzeuge und 30 Plug-In-Hybride.
Den Audi e-tron, den Mission E von Porsche und die I.D. Familie von VW haben wir bereits vorgestellt. In Zukunft werden wir nahezu alle Segmente abdecken – von Volumen bis Premium. Mir ist wichtig: Diese Fahrzeuge werden die Menschen nicht nur überzeugen, sie werden sie begeistern:
- Mit Reichweiten von bis zu 600 km.
- Mit Ladezeiten, die nicht länger dauern als eine Kaffeepause.
- Mit dem Design, der Qualität und der Sicherheit, die Sie von unseren Marken kennen und erwarten.
- Und das zu Preisen, die das E-Auto nicht länger zu einem Spielzeug für einige Wenige machen.
Zweitens: Wir haben uns als erster großer Mobilitätskonzern weltweit dazu entschieden, unsere „Roadmap E“ mit einem konkreten Datum zu verknüpfen.
Bis 2030 wird der Volkswagen Konzern sein gesamtes Modellportfolio durchgängig elektrifizieren. Das heißt: Spätestens dann wird es von jedem unserer rund 300 Konzernmodelle mindestens eine elektrifizierte Variante geben. Bei allen Marken, in allen Märkten. Das ist keine unverbindliche Absichtserklärung. Das ist eine Selbstverpflichtung, an der wir uns von nun an messen lassen. Mit der „Roadmap E“ schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte dieses Konzerns auf. Und wir schaffen die Voraussetzungen für den endgültigen Durchbruch der Elektromobilität. Denn der Durchbruch kommt nicht mit den selbsternannten Pionieren. Er kommt mit denen, die eine neue Technologie in wirklich relevanten Stückzahlen auf die Straße bringen können. Wir reden hier nicht über ein Unternehmen, das 200.000 oder 300.000 Autos pro Jahr verkauft. Sondern über einen Konzern, der Jahr für Jahr mehr als 10 Mio. Fahrzeuge auf die Straßen bringt. In allen Segmenten – von preiswert bis Luxus. Für den Personenverkehr genauso wie für den Gütertransport. In praktisch allen Weltregionen.
Unsere Selbstverpflichtung einzulösen, wird nicht nur viel Kraft, sondern auch viel Geld kosten. Mit der „Roadmap E“ werden wir daher – drittens – die Prioritäten neu setzen: Bis zum Jahr 2030 stellen wir mehr als 20 Mrd. Euro für direkte Investitionen in die Industrialisierung der Elektromobilität bereit: In Fahrzeuge, die auf zwei völlig neu entwickelten Elektroplattformen basieren. In unsere Werke und die Qualifi zierung der Belegschaften. In die Lade-Infrastruktur. In Handel und Vertrieb.
Auch das Thema „Batterie“ lassen wir uns nicht aus der Hand nehmen. Allein für die Ausstattung unserer eigenen E-Flotte mit Lithium-Ionen-Batterien benötigen wir bis 2025 eine Batteriekapazität in einer Größenordnung von mehr als 150 GWh pro Jahr. Zur Einordnung: Das entspricht der Jahreskapazität von mindestens vier „Gigafactories“. Um diesen enormen Bedarf zu decken, haben wir eine Ausschreibung für langfristige strategische Partnerschaften für China, Europa und die USA auf den Weg gebracht. Wir reden hier über eines der größten Beschaff ungsvorhaben in der Geschichte unserer Industrie: mit einem globalen Auftragsvolumen in Höhe von mehr als 50 Mrd. Euro über Laufzeit.
Noch steht die Elektromobilität am Beginn. Noch gibt es viele Fragen: von den Rohstoff en über die Energieerzeugung bis zur Infrastruktur – und nicht zuletzt auch zur Wiederverwertung von Altbatterien. Bei all diesen Fragen werden wir unsere Expertise einbringen und Verantwortung übernehmen.
Für uns gehören die Verkehrswende und die Energiewende untrennbar zusammen. Und es wird entscheidend sein, jetzt schnell eine fl ächendeckende Ladeinfrastruktur zu schaff en: in den Städten und entlang der Autobahnen. Nur dann wird das Vertrauen der Kunden wachsen. Und nur dann wird das Elektroauto aus der Nische fahren.
Als Brücke in das emissionsfreie Zeitalter werden wir den modernen Verbrennungsmotor unverändert brauchen. Konventionelle und alternative Antriebe sind keine Gegner: Mit den Fahrzeugen von heute verdienen wir das Geld für Milliardeninvestitionen in die Zukunft. Und ohne effiziente und saubere Diesel der neuesten Generation werden wir die Klimaziele nicht erreichen:
- Deshalb hat jeder neue Diesel-Motor aus unserem Haus serienmäßig einen SCRKatalysator an Bord.
- Deshalb statten wir unsere neuen Benziner flächendeckend mit Ruß-Partikelfiltern aus.
- Deshalb arbeiten unsere Motorenentwickler an der nächsten Generation für die Zeit ab 2019, die nochmals deutlich effizienter und emissionsärmer wird.
- Deshalb beschäftigen wir uns auch mit Kraftstoff en aus regenerativen Energien, die Verbrennungsmotoren CO2-neutral antreiben können.
- Deshalb bauen wir unser Angebot an Erdgasfahrzeugen deutlich aus.
- Und deshalb arbeiten wir unter Führung von Audi daran, auch die Brennstoff zellentechnologie in Richtung Marktreife zu entwickeln.
Wir wollen nachhaltige und bezahlbare Mobilität für Viele erreichbar machen. Dazu werden wir – bis auf weiteres – das gesamte Antriebsspektrum bespielen: von konventionell bis 100 Prozent elektrisch. Das ist kein Zeichen von Beliebigkeit. Sondern ein Gebot der Vernunft.
Unser Ziel ist es, Mobilität neu zu definieren. Sie für unsere Kunden weltweit nachhaltig, sauber, besser zu machen. Das treibt uns an. Das treibt mich persönlich an. Daran arbeiten 600.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Volkswagen Konzern und in unseren Marken.
Roadmap E ist die größte Elektrifizierungsoffensive in der Automobilindustrie. Bis 2025 wird der Volkswagen Konzern weltweit mehr als 80 neue elektrifizierte Modelle auf den Markt bringen. Bis 2030 wird das gesamtes Modellportfolio durchgängig elektrifiziert.
Matthias Müller
Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns
Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Transformation Now!“, das Sie hier erhalten können.