Herr Professor Bott, Sie sind Professor für Finanzdienstleistungen an der Fachhochschule Kaiserslautern. Können Sie in einem Satz erklären, was digitale Währungen sind?
Nur ein Satz? Das ist eine Herausforderung! Mittels kryptografischer Verfahren werden Rechen-, Wertaufbewahrungs- und Wertübertragungseinheiten geschaffen, die in Rechnernetzen ausgetauscht werden können, um damit zu handeln und für Waren und Dienstleistungen zu bezahlen.
Das klingt technisch sehr komplex. Ist das eher etwas für technikaffine Nerds oder auch etwas für „Otto Normalverbraucher“?
„Digitale Währungen“ erfüllen Geldfunktionen und sind somit grundsätzlich interessant für jeden, der nach Alternativen zu dem traditionellen über Notenbanken ausgegebenen Geld sucht. Entscheidend ist die Frage, ob es einen Markt für „digitale Währungen“ gibt. Dies wiederum hängt maßgeblich davon ab, ob ein breites Vertrauen darin besteht, dass die „digitale Währung“ ihre „Geldfunktionalitäten“ (als Recheneinheit-, Wertaufbewahrungs- und Wertübertragungsmittel) behält und dass es den Nutzern Vorteile gegenüber den anderen Geldformen bietet.
Zur Zeit schießen verschiedene Digitalwährungen wie Pilze aus dem Boden. Glauben Sie, dass sich eine davon durchsetzen wird?
Entscheidend sind Vertrauen und Nutzen. Hier stellen sich folgende Fragen.
- Vertrauen: Wem vertrauen private Personen und Unternehmen zukünftig mehr?
- Rechneralgorithmen (der Funktionalität sie nicht verstehen) oder Zentralbanken (deren Geldpolitik sie nicht verstehen).
- „Selbstregulierenden, dezentral ausgerichteten Computernetzwerken“ oder Netzwerken aus Geschäftsbanken und Notenbanken, die rechtlich unabhängig bzw. politisch gesteuert und kontrolliert werden.
- Nutzen der Verwendung:
- Wie sicher, wie bequem und wie teuer ist das Bezahlen mit der jeweiligen Währung?
- Wie hoch ist die Gefahr, Wertverluste beim Halter von Währungen zu erleiden?
- Wie groß ist im jeweiligen Umfeld die Bereitschaft die Währung zu akzeptieren?
Währungen, deren Betreiber gute Antworten auf diese Fragen liefern können, haben Chancen sich durchzusetzen. Die Gefahr des Untergangs ist keineswegs auf digitale Währungen beschränkt. Auch die von Notenbanken und Regierungen ausgegebenen Währungen verschwinden fast alle im Zeitablauf und hinterlassen u. U. Schäden in unterschiedlichem Umfang.
„Digitale Währungen“ - wie z. B. Bitcoin“ – fordern Staaten und Banken heraus. Ab einer gewissen Größenordnung – Verbreitung – können sie als Bedrohung wahrgenommen werden. Notenbanken müssen prüfen, ob „digitale Währungen“ ihre Steuerungsmechanismen stören bzw. wie sie regulierend auf die „digitalen Währungen“ eingreifen können. Steuerbehörden werden analysieren, ob mittels „digitaler Währungen“ Leistungen erbracht werden, die ihre Einnahmen beeinflussen. Geschäftsbanken werden überlegen, welche ihrer etablierten Geschäftsmodelle durch „digitale Währungen“ negativ beeinflusst werden und wo „digitale Währungen“ ggf. neue Geschäftsfelder für sie eröffnen.
„Digitale Währungen“ werden überleben, wenn es ihnen gelingt, ergänzend zur weiten Akzeptanz bei Konsumenten und Unternehmen, starke Verbündete bei Staaten und innerhalb der Finanzindustrie (Geschäfts- und Notenbanken) zu finden.
Angenommen, ich betriebe als Händler ein stationäres Geschäft inklusive Online-Shop. Würden Sie mir raten, Bitcoins zu akzeptieren?
Das hängt von ihrer Kundenstruktur ab. Bezahlverfahren sind ein Marketinginstrument. Der richtige Mix der akzeptierten Bezahlverfahren hat Einfluss auf den Umsatz des Händlers. Einige Händler haben erkannt, dass die bei Akzeptanz weiterer Bezahlverfahren erzielten Umsatzsteigerungen bei weitem die zusätzlichen Kosten überstiegen haben.
Das ist allerdings nicht immer so. Gerade bei der Akzeptanz von „digitalen Währungen“ sind die zusätzlichen Kosten gründlich zu analysieren. Neben den reinen Transaktionskosten entstehen weitere Kosten z.B. zur Absicherung gegen Wechselkursrisiken.
Transaktionen mit Digitalwährungen sind anonymer als SEPA-Überweisungen in Euro. Birgt das Gefahren in sich oder eher Chancen?
Die Anonymität bringt sowohl für die Nutzer von „digitalen Währungen“ als auch für die Betreiber von Plattformen desHandels und der Abwicklung von „digitalen Währungstransaktionen“ Chancen als auch Risiken.
Viele personen schätzen beim beim Bezahlen und beim Verwahren von Geld die Anonymität. Nicht nur für Mitglieder der Schattenwirtschaft hat Anonymität einen Wert. Aktuell erfährt die Bedeutung der Anonymität in unserer Gesellschaft wieder eine Aufwertung.
Die Anonymität weckt gleichzeitig aber auch Begehrlichkeiten, diebelasteten auf die für die Verbreitung der „digitalen Währungen“ notwendige Vertrauensbildung wirken kann. Hohe Attraktivität in der Schattenwirtschaft wird zu Reputationsschaden führen. Begehrliche Finanzbeamte werden dafür sorgen, dassDruck auf die Betreiber von „digitalen Währungsplattformen“ ausgeübt wird, weil sie Steuerausfälle oder Quellen für weitere Steuereinnahmen vermuten. Aufsichtsbehörden werden insbesondere in der „Intransparenz“ Gefahren erkennen, die zusätzliche regulatorische Anforderungen bei der Nutzung „digitaler Währungen“ nach sich ziehen werden.
Wie sollten Banken mit dem Thema umgehen?
Die Antworten auf die Fragen, wie Banken mit diesem Thema umgehen werden, sind von zentraler Bedeutung. „Digitale Währungen“ können als Angriff auf die traditionelle – staatliche – Geldwirtschaft als auch auf die etablierten Geschäftsmodelle der Banken verstanden werden.
Es wäre keine gute Empfehlung an eine Bank, sich gegen die staatliche Geldwirtschaft aufzulehnen. Viel zu eng sind die Banken in die dort etablierten Mechanismen der Geldpolitik und der staatlichen Aufsicht eingebunden. Solange die für die Geldpolitik und die Aufsicht zuständigen Institutionen einer Bank keine grundsätzlich positive Einstellung zu einer „digitalen Währung“ gefunden haben, werden sich Banken wohl zurückhalten und allenfalls „unterhalb des Radarschirms“ aktiv werden.
Betrachtet man alleine die Geschäftsmodelle, dann bieten „digitale Währungen“ für Banken ein breites Betätigungsfeld mit zahlreichen Möglichkeiten der Innovation und zusätzlicher Ertragsquellen. Chancen bestehen sowohl im Handel als auch im Transaktionsgeschäft.
Der Markt ist da. Es besteht internationale Nachfrage nach den von digitalen Währungen gebotenen Leistungen und das Akzeptanznetz entwickelt sich dynamisch.
Digitalwährungen und Regulierung – Passen diese Phänomene zusammen? Sollten sie das oder besser nicht?
Wenn “digitale Währungen” eine Zukunft – außerhalb des “Schattendaseins” – haben wollen, dann werden und sollten die Betreiber von Plattformen aktiv auf die Aufsichtsbehörden zugehen. Es finden bereits Gespräche statt. Die hier relevanten Aufsichtsregelungen sind komplex. Aufsichtsbehörden agieren nicht abgestimmt und Staaten haben unterschiedliche Interessen. Man muss über keine prophetischen Fähigkeiten verfügen, um zu erkennen, dass „aufsichtsrechtliche Arbitrage“ auch im Umfeld der „digitalen Währungen“ eine Rolle spielen wird.
Hier wurden Steine ins Wasser geworfen die weite Kreise ziehen. Den Vorhersagen, dass „digitale Währungen“ schnell verschwinden werden, halte ich entgegen, dass die Bedürfnisse, die zur Entstehung und Verbreitung von „digitalen Währungen“ führten, weiter bestehen und nach Lösungen suchen. Insofern sollten sich die Aufsichtsbehörden intensiv mit „digitalen Währungen“ beschäftigen; dabei aber nicht nur nach Möglichkeiten suchen, den Einsatz „digitaler Währungen“ zu begrenzen, sondern sie sollten primär analysieren, welchen Zusatznutzen „digitale Währungen“ liefern, um zu ergründen, warum dieser Nutzen in etablierten Strukturen nicht ausreichend geliefert wurde.
Interviewpartner: Prof. Dr. Jürgen Bott, Professor für Finanzdienstleistungen, Fachhochschule Kaiserslautern,
Das Interview führten:
Frederic Bleck, Senior-Konferenz-Manager, EUROFORUM | XING
Henning Haake, Content Marketing-Manager EUROFORUM | XING