Lage, Lage, Lage – Bezüglich der Kriterien für Kapitalanlageimmobilien hat sich wenig geändert. Wie bewerten Sie die Merkmale „Lage“ und „Regionalität“ für die Zukunft?
Lage ist nach wie vor wichtig, aber nicht allein entscheidend. Lagequalitäten können sich verschieben: so ist z.B. in Hamburg zu beobachten, dass in den letzten Jahren ehemals einfache zu mittleren, mittlere zu guten oder gute zu sehr guten Lagen aufgewertet wurden. Beispiele für Lageverschiebungen anhand der Preisentwicklung für Eigentumswohnungen 2010-2014: St. Pauli +73% (2.800 > 4.800 €/m²), Barmbek-Süd +64% (1.900 > 3.100 €/m²), Rothenburgsort +140% (1.200 > 2.900 €/m²). Wichtig ist daher, das Entwicklungspotential eines Standortes (Quartier, Stadtteil) frühzeitig zu erkennen, also bevor die Lage aufgewertet wird und die Preise steigen.
Für Regionalität gilt das in der Regel nicht, im Gegenteil: hier geht die Schere zwischen wachsenden/prosperierenden und schrumpfenden/strukturschwachen Regionen weiter auseinander, d.h. starke Regionen werden stärker, schwache werden schwächer. Für die Kapitalanlage gilt daher: Regionalität hat Vorrang vor Lage, d.h. besser in eine einfache Lage oder kleinere Stadt in einer starken Region investieren als in eine gute Lage in einer schwachen Region. Zusätzlich gilt: es kommt immer auch auf den richtigen Zeitpunkt an …
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Nettorendite, Bruttorendite - Woran soll sich der Immobilienkäufer noch orientieren?
Entscheidend ist die Nettorendite. Im Gegensatz zur Bruttorendite werden bei der Nettorendite auch die Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notarkosten, etc.) sowie die Bewirtschaftungskosten (nicht umlegbare Betriebskosten, Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, evtl. auch Renovierungsrücklagen und Mietausfallwagnis) berücksichtigt. Nur die Nettorendite ermöglicht realistische Einschätzung, ob sich ein Immobilien-investment rechnet, dabei spielt vor allem die Objektqualität (Gebäudesubstanz, Instandhaltungsstau, Energiebilanz, Modernisierungserfordernisse nach ENEV) eine entscheidende Rolle, die bei Bruttobetrachtung unkalkulierbares Risiko darstellt.
Schnell sein ist Trumpf. Verraten Sie uns, wie man zu den besten Angeboten nicht zu spät kommt?
- Man muss vorher genau wissen, was man will
- Man muss sofort handlungsfähig sein, d.h. bereits im Vorwege die Finanzierung unterschriftsreif klären (Verfügbarkeit, Konditionen Eigen-/Fremdkapital) und ein fertiges Konzept samt Kalkulation (ggf. in Varianten/Alternativen) im Kopf haben
- Man muss dicht am Marktgeschehen sein, d.h. den intensiven Austausch mit Marktteilnehmern, Maklern, Objektanbietern aktiv suchen
Think Big – Was genau heißt das für jemanden, der in den Markt einsteigen möchte?
Das kommt darauf an, wer dieser Jemand ist: als ausländischer Investor würde ich derzeit versuchen, in eine deutsche Firma mit Immobilienbesitz einzusteigen bzw. eine ganze Immobiliengesellschaft zu übernehmen. Grundsätzlich gilt, dass eine Beteiligung an REITs oder Immobiliengesellschaften lukrativer bzw. effizienter sein kann als zeitraubende Immobilien(einzel-)käufe. Auch Paketankäufe als Markteinstieg grundsätzlich besser als Einzelkäufe, allerdings sind immer weniger Portfolien auf dem Markt.
Im Kleinen betrachtet kann Think Big aber auch bedeuten, dass Privatanleger gerade bei dem historisch niedrigen Zinsniveau ernsthaft darüber nachdenken sollten, in ein größeres Wohn- und Geschäftshaus oder einen ganzen Wohnkomplex zu investieren.
Wie bewerten Sie die aktuellen rechtlichen Entwicklungen (Bestellerprinzip)?
Derzeit ist davon nur der Vermietungsmarkt, nicht der Immobilienverkauf betroffen. Grundsätzlich meine ich, dass der Markt sich selbst regulieren kann und sollte. Regional stellt sich der Vermietungsmarkt sehr unterschiedlich dar, je nachdem, wie groß der Nachfragedruck und die Vermarktungszeiträume sind; entsprechend unterschiedlich werden auch die Auswirkungen auf die lokalen Maklerfirmen ausfallen.
Positiv bewerte ich, dass reine Nachweismakelei ohne profunde Marktkenntnisse im Dienste des Auftraggebers zukünftig nicht mehr möglich sein wird und sich auch kleine Makler weiter professionalisieren müssen, um bestehen zu können.
Welche Perspektiven sehen Sie für den Hamburger Gewerbe-Immobilienmarkt?
Insgesamt sehe ich gute Aussichten für den Hamburger Markt, mindestens nächste 2-3 Jahre. Er ist durch eine sehr solide Basis, stabile Wirtschaft, rege Nachfrage und wenig spekulativen Neubau gekennzeichnet. Mieten und Kaufpreise sehe ich ebenfalls auf solidem Niveau, so dass keine Preisblase zu befürchten ist.
Wie sollte sich das Umland von Hamburg positionieren, um vom Preisanstieg zu profitieren?
Das Umland sollte sich auf die Marktsegmente konzentrieren, die in Hamburg besonders knapp sind und auch in Zukunft knapp bleiben werden. Das bedeutet vor allem, familiengerechtes Wohnen in Ein- und Zweifamilienhäusern für junge Familien (und Paare, die es werden wollen) anbieten; die meisten Singles, Studenten und junge Berufstätige werden hingegen weiterhin eher in HH bleiben.
Umlandgemeinden sollten außerdem in eine gute Infrastruktur vor Ort und vor allem auch in eine leistungsfähige (ÖPNV-)Verkehrsanbindung nach HH investieren - Die höchsten Preisanstiege im Umland waren in der Vergangenheit entlang der Verkehrsachsen und insbesondere in Orten mit (S-)Bahnanschluss zu verzeichnen, diese werden auch zukünftig am stärksten profitieren!
Interviewpartner:
Alexander Lampert, Geschäftsführer Engel und Völkers Commercial Hamburg
Sabine Flechner, Online Redaktion / Online Marketing Manager, EUROFORUM | XING
Kontakt: Janina Schabelon, Senior Konferenz Manager, EUROFORUM | XING