Welche Arbeitsplätze brauchen postindustrielle Städte?

07.10.2015ImmobilienImmobiienstandort, Stadtplanung

„Neue“ Büro- und Produktionsgebäude zwischen Kontor und Co-Working

  • Keine deutsche Stadt sieht Bürobauboom – trotz steil ansteigender Beschäftigung
  • 20 % der Berliner Büroflächen werden von Start-ups gemietet

Lesen Sie einen Fachartikel von Andreas Schulten, bulwiengesa AG über Forderungen aus dem Herbstgutachten der Immobilienweisen.

Welche Arbeitsplätze brauchen postindustrielle Städte?

Wenn von Büroimmobilienmarkt gesprochen wird, haben Stadtentwickler und Bürger schnell ein Bild von Stahl- und Glasgebäuden aus den 90er-Jahren vor Augen, an denen ein Werbebanner mit der Aufschrift „zu vermieten“ hängt. Da schwingt Häme oder zumindest eine persönliche Distanz mit. Die klare Positionierung zugunsten von Wohnen und vor allem Wohnen in Quartieren ist eindeutig mehr pc – also politically correct.

Welche Immobilien brauchen die Städte?

Auf lokaler Ebene hat im Flächenengpass und -konflikt daher der Arbeitsplatz in der aktuell angespannten Stadtplanung, und zwar sowohl bei den blue collars (Blaumann/ Produktion) als auch den white collars (Businesshemd/ Dienstleistung) das Nachsehen gegenüber dem Gebot, neue Wohnquartiere für neue Einwohner bereit zu stellen. Die Projektentwicklerstudie 2015 von bulwiengesa weist in den sieben großen deutschen A-Städten 16 Mill. qm Wohnfläche und nur 5,5 Mill. qm Bürofläche aus, die in einem 7-Jahres-Zeitraum in Entwicklung sind. Mit abnehmender Tendenz für Büro und Gewerbe. Und das ungeachtet der Notwendigkeit, 370.000 neuen Bürobeschäftigten (per Saldo zwischen 2004 und 2014 in sieben A-Städten) Raum und Existenzsicherung zu geben.

Und gleichzeitig wächst in dem noch kleinen Milieu der neuen Bürgerlichkeit mit ihren kreativen Jobs, ihrer internationalen Konnektivität sowie alternativen Lebens- und Mobilitätsentwürfen (Fahrrad und Car Sharing) der Ruf nach gemischten Quartieren. Also Repliken der deutschen – historisch bedingt – innenstadtnahen Gründerzeitquartiere, in denen eine Mischung aus Gastronomie, Einzelhandel, Arbeiten und Wohnen das jeweilige Lebensgefühl inszeniert. Es wachsen neben den weiterhin existierenden konventionellen Strukturen neue Arbeitsplatzformen auf der Nahtstelle zwischen Konzeption, Kommunikation, Verwaltung und Manufaktur (Produktion von Kleinserien). Die statistisch sichtbaren 370.000 neuen Bürobeschäftigten suchen in nicht geringem Umfang Fabriketagen, Hinterhof-Remisen, Ladengeschäfte und Ateliers. Und zwar meist nicht nach DGNB, Lead oder BREAM zertifiziert und schon gar nicht mit Hohlraumboden oder Kabelkanälen ausgestattet. Die deutsche Start-up-Hauptstadt Berlin wird in 2015 bereits knapp 20 %, also 120.000 qm von geschätzten 600.000 qm Bürofläche insgesamt an Start-ups und Digital Businesses vermieten. Viele davon jenseits des klassischen Büroflächenangebotes. Der Markt ist hier noch intransparent, weil die neuen Nutzerbedürfnisse zwischen Co-Working, Labs und Smart Production zunächst erst katalogisiert und verortet und danach ihre nachhaltige Präsenz und stadtwirtschaftliche Relevanz unter Beweis gestellt werden müssen.

Das Herbstpapier der Immobilienweisen fordert in Hinblick auf die Arbeitsplätze in unseren postindustriellen Städten daher:

  1. Förderung von neuartigen Arbeitsplätzen in einer reformierten BauNVO
  2. Flächenkonzepte zur Sicherung und Etablierung von Büro- und Unternehmensimmobilien (Transformation, Lager, Produktion, Gewerbepark) in den Städten


Autor: Andreas Schulten, Vorstand, bulwiengesa AG    

Andreas Schulten spricht beim 1. Immobilien-Herbstdiskurs am 17. November in Berlin zum Thema Büro-Immobilien. Erfahren Sie mehr zur exklusiven Vorstellung des neuen ZIA-Herbstdiskurses unter www.euroforum.de/herbstdiskurs

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