Leider zeigt die Forschung allzu oft, dass plausible Hypothesen selbst dann falsch sein können, wenn sie von vielen Menschen geteilt und seit Jahrzehnten tradiert werden. Dies trifft auch in diesem Falle zu: Empirische Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen bestimmten Freizeitaktivitäten und einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigen, kommen zu insgesamt sehr ernüchternden Befunden. Entweder finden sich überhaupt keine signifikanten Zusammenhänge oder aber die Unterschiede sind so gering, dass sie für die Personalauswahl ohne Bedeutung sind. So zeigt sich beispielsweise, dass Jäger signifikant höhere Werte in der Extraversion aufweisen. Allerdings beträgt der Zusammenhang gerade einmal ein Prozent. Wäre es nun sinnvoll im Vertrieb vornehmlich Jäger einzustellen? Nein natürlich nicht. Die extrem geringe Höhe des Effektes deutet darauf hin, dass sich unter den Jägern sehr viele Menschen befinden, die keine erhöhten Extraversionswerte haben und auch solche mit einer eher geringe Extraversion. Im Einzelfall kann man leider nicht wissen, zu welcher Gruppe ein bestimmter Bewerber gehört. Die Wahrscheinlichkeit hier eine Fehlentscheidung zu treffen ist daher sehr groß. Bei anderen Freizeitaktivitäten verhält es sich ganz ähnlich.
In Freizeitaktivitäten spiegelt sich entweder überhaupt nicht oder nur sehr geringfügig die Persönlichkeit eines Menschen. Offenbar gibt es sehr viele Gründe, warum völlig unterschiedliche Menschen einer bestimmten Freizeitaktivität nachgehen: Weil die Eltern oder Freunde dies auch machen, weil man sich dafür besonders interessiert, weil man anderen imponieren will, weil es nicht kostspielig ist etc. Wenn hunderttausende von Menschen einer bestimmten Freizeitaktivität nachgehen, finden sich in einer solch großen Gruppe alle Spielarten der menschlichen Persönlichkeit und deshalb ist auch gar nicht zu erwarten, dass Freizeitaktivitäten in nennenswertem Maße mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängen.
Der Einsatz von Freizeitaktivitäten als Kriterium der Personalauswahl ist ebenso schädlich wie jedes andere Vorurteil: Er verstellt den Blick auf die tatsächlichen Eigenschaften des einzelnen Menschen. An diesem Beispiel wird verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich in der Personalauswahl nicht an plausiblen und tradierten Hypothesen sondern an Forschungsergebnissen zu orientieren.
Der Autor
Prof. Dr. Uwe Peter Kanning; Jg. 1966, Studium der Psychologie in Münster und Canterbury. Seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Autor und Herausgeber von 30 Fachbüchern und Testverfahren. Träger zahlreicher Auszeichnungen, zu-letzt 2016 „Professor des Jahres“ (Unicum Beruf), 2017 „vierzig führende HR Köpfe“ (Perso-nalmagazin). Seit 20 Jahren Beratung von Behörden und Unternehmen bei personalpsycholo-gischen Fragestellungen. Arbeitsschwerpunkte: Personaldiagnostik und fragwürdige Metho-den der Personalarbeit. Im Januar ist er Sprecher bei der Euroforum Haftpflicht-Konferenz.