Wandelanleihen: eine (Solvency-II-) attraktive Asset-Klasse

10.10.2016FinanceSolvency II, Versicherungswirtschaft, AktienFeatured Article

Aktienexposure solvabilitätsschonend aufbauen

Auch für Versicherer dürfte im derzeitigen Negativzinsumfeld kein Weg an Aktienengagements vorbeiführen. Allerdings erschwert das seit Januar 2016 gültige Regelwerk Solvency II ein Investment in dieser Anlageklasse – verlangt die Vorgabe doch, Marktrisiken mit sogenanntem Solvenzkapital zu unterlegen. Allein im Hinblick auf die Aktienkomponente im Marktrisikomodul beläuft sich die Solvenzkapitalanforderung auf Basis der in der Leitlinie  vorgesehenen Standardformel auf 39 bis 49 Prozent – zu- beziehungsweise abzüglich eines symmetrischen Anpassungsfaktors von bis zu zehn  Prozentpunkten zur Vermeidung prozyklischer Effekte. Eine Möglichkeit, dennoch Aktienexposure systematisch aufzubauen und gleichzeitig solvabilitätsschonend zu agieren, ist die Investition in Wandelanleihen (Convertibles).

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Aktiensensitivität, das sogenannte Delta, mit dem die Partizipation der Wandelanleihe an der Kursentwicklung der  zugrunde liegenden Aktie („Underlying“) gemessen wird. Die Aktiensensitivität der Wandelanleihe schwankt mit Kursgewinnen oder -verlusten des  Underlyings: Verzeichnet der Basiswert Zuwächse, steigt aufgrund der eingebetteten Long-Call-Option auch die Partizipationsrate des Convertibles – und  vice versa. Allerdings: Aufgrund des konvexen Risikoprofils reagieren Wandelanleihen unterschiedlich stark auf Veränderungen des Underlyings. Nach starken Kursrückgängen des Basiswerts ist die Aktiensensitivität von Wandelanleihen in der Regel nur noch gering. Diese Konvexität führt in der  Aktienkomponente des Marktrisikomoduls zu einer im Vergleich zu reinen Aktienengagements niedrigeren Solvenzkapitalanforderung.

Von Relevanz ist das Zinssenkungsrisiko
Ein weiterer wichtiger Risikotreiber für Wandelanleihen sind Kreditrisiken. Die Kursreaktion von Convertibles auf Spread-Veränderungen des Emittenten variiert: Je nachdem, ob sich die Call-Option weit aus dem Geld (geringe Aktiensensitivität) oder weit im Geld (hohe Aktiensensitivität) befindet, reagiert die  Wandelanleihe stärker oder schwächer auf Spread-Veränderungen. Für die Hinterlegungsanforderung in der Spreadkomponente des Marktrisikomoduls ergeben sich somit Vorteile für Wandelanleihen, die eine geringe Spread-Sensitivität aufweisen – deren Preis also im Wesentlichen durch die Entwicklung der zugrunde liegenden Aktien bestimmt wird.

Für die Berechnung der Kapitalanforderung für Marktrisiken spielen überdies Fremdwährungsrisiken und die Zinssensitivität eine Rolle. Währungsrisiken globaler Wandelanleihen, die neben Euro in der Regel in US-Dollar oder Japanischem Yen emittiert werden, können durch Devisentermingeschäfte eliminiert werden. Sofern die Sicherungsgeschäfte unter Solvency II als Risikominderungstechnik angesetzt werden, beträgt die Solvenzkapitalanforderung für die Währungsabsicherung nahezu null. Hinsichtlich der Zinssensitivität ist für Lebens- und Krankenversicherer in erster Linie das Zinssenkungsrisiko von Relevanz. Die europäische Versicherungsaufsicht (EIOPA) legt auf monatlicher Basis die risikolose Zinskurve und Kurven für Risikoszenarien fest. Aufgrund des Negativzinsumfelds findet das Zinssenkungsszenario in der Standardformel derzeit fast keine Berücksichtigung, sodass Zinsänderungsrisiken bei der Auswahl geeigneter Kapitalanlagen eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Geringe Entlastung durch negative Renditen
Was bedeutet das für die Solvenzkapitalanforderung von Marktrisiken bei Versicherern? Um die Vorteilhaftigkeit von Wandelanleihen quantifizieren zu können, bietet sich der Vergleich eines globalen Convertibles-Portfolios (Delta beziehungsweise Aktiensensitivität von 45 Prozent) mit einem Portfolio aus  Aktien und Renten (vergleichbarer Aktienanteil von 45 Prozent) an. Auf Basis der Standardformel ergibt sich für Wandelanleihen in der Aktienkomponente des Marktrisikomoduls eine Solvenzkapitalanforderung von 7,5 Prozent, für das gemischte Portfolio dagegen von 16 Prozent. Hinsichtlich der Kreditrisiken liegt das Convertibles-Portfolio in der Spread-Komponente bei einer Kapitalanforderung von moderaten 6,5 Prozent. Das Vergleichsportfolio weist für den Rentenanteil eine Hinterlegungsanforderung von fünf Prozent auf. Währungsrisiken sind annahmegemäß nicht zu berücksichtigen, sodass keine Anrechnung in der Fremdwährungsrisikokomponente erfolgt. Auch der Blick auf die Zinsrisikokomponente ist derzeit zu vernachlässigen: Nur zwei Drittel des allokierten Vermögens beider Portfolios reagieren aufgrund der niedrigen Zinssätze und der kurzen Duration überhaupt auf eine Zinssenkung. Aufgrund der derzeit negativen Renditen wird die Solvenzkapitalanforderung lediglich gering „entlastet“ – und zwar um 0,6 Prozent im Wandelanleihe- und um 0,8 Prozent im gemischten Portfolio. Unter dem Strich liegt die Solvenzkapitalanforderung für das Marktrisiko des Mischportfolios bei 15,5 Prozent, wohingegen für das Wandelanleiheportfolio nur ein Marktrisikokapital von 10,3 Prozent zu hinterlegen ist.

Durch Wandelanleihen können Versicherungsunternehmen ihre Anlagepolitik stärker am Negativzinsumfeld ausrichten, denn im Vergleich zu linearen Aktieninvestments fällt die Hinterlegungsanforderung deutlich günstiger aus. Convertibles ermöglichen einen solvabilitätsschonenden Aufbau von Aktienexposure – und sichern dem Investor damit langfristig ein attraktives Rendite-Risiko-Profil.

Florian-WolfFlorian Wolf
Abteilungsdirektor
Institutionelle Großkunden, Union Investment

Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Versicherung“, das Sie hier erhalten können: http://veranstaltungen.handelsblatt.com/journal/