Wandel im Service Desk - Aktion statt Reaktion durch IT

12.02.2015IT & TelekommunikationService Desk, IT Trends

Echtzeitinformationen als valide Basis für das Problem Management

Michael Niekut, Bereichsleiter des Service Operation Center bei der HUK-COBURG über aktive Störungsvermeidung und das Ende des Prinzip Hoffnung im Service Desk.

Herr Niekut, Sie sind seit 25 Jahren im Themenfeld IT-Service & Support unterwegs. Was fasziniert Sie am meisten daran?      

An der IT-Branche begeistert mich grundsätzlich die Veränderung selbst, aber auch die Geschwindigkeit in der sie stattfindet. Wenn Sie Sich ansehen, wie sich die IT-Branche in den letzten 25 Jahren verändert hat, ist das schon unglaublich. Nehmen wir nur mal das Internet. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts habe ich noch mit Kollegen darüber philosophiert, wozu man das World Wide Web überhaupt braucht. Das war zu Zeiten, als es noch hieß, kannst du mal aus dem Internet gehen, ich muss telefonieren. Informationen online zu lesen, war ein relativ langsames und teures Unterfangen. So etwas können sich meine Kinder heute gar nicht mehr vorstellen. Zehn Jahre später war ich bei einer Konferenz mit dem Titel „Kann man im Internet Geld verdienen?“ Weitere zehn Jahre später müsste man sich die Frage stellen, kann man ohne Internet noch Geld verdienen? Ich bin gespannt, wie die IT-Branche in weiteren zehn Jahren aussehen wird.

Gibt es grundlegende Veränderungen, die Sie über die Jahre beobachten konnten? Wo steht die Branche gerade?

Eine Veränderung, die uns über all die Jahre hinweg begleitet hat, ist die Tatsache, dass immer weitere Aufgaben - sei es privat oder geschäftlich – durch IT-Funktionen unterstützt werden. Aus dieser Entwicklung resultiert, dass das Aufgabengebiet der Mitarbeiter in der IT und speziell als Generalisten im Support immer umfangreicher und komplexer werden. Auf der anderen Seite steigen die Erwartungen an IT-Provider stetig. Heute erwartet man, dass IT einfach, schnell und fehlerlos ist. Es ist eine spannende Herausforderung diese gegenläufigen Anforderungen „unter einen Hut zur bekommen.“ Viele Jahre haben wir uns darauf konzentriert, Störungen schnell und erfolgreich zu beseitigen, Erstlösungsquoten zu erhöhen, die Erreichbarkeit zu verbessern. All diese Dinge sind richtig und wichtig, aber am Ende des Tages sind sie nicht mehr als ein „patchen“, wie wir ITler zu sagen pflegen. Sprich einen Flicken auf eine Unzulänglichkeit nähen. Auf der andere Seite kann ein Service Desk viel mehr aus den Daten machen, die er erzeugt und zur Verfügung hat. Ich denke einige Service Desk Organisationen im Markt erkennen gerade auf welchem Informationswert man sitzt oder sitzen könnte.  

Bislang haben Service Desks entstört, nachdem die Störung aufgetreten war

Auf der Service Desk World sprechen Sie über strategische Handlungsoptionen für die Zukunft von Service Desks. Welche Optionen können das sein?

In den vergangenen Jahren waren Service Desks reaktiv aufgestellt. Man hat entstört, nachdem die Störung aufgetreten war. Viele Verantwortliche haben versucht, aus der jeweiligen Situation das Beste zu machen, d.h. den Entstörungsprozess zu optimieren und darauf gehofft, dass irgendwann schon mal besser wird. Das berühmte Prinzip Hoffnung.

Wie bereits erwähnt, sitzen aber gerade Service Desk Organisationen auf einem riesigen Datenpool. Wenn ihr Single Point of Contact (SPoC)-Konzept in den vergangen Jahren erfolgreich umgesetzt wurde, kennen sie die Anlässe (Störungshäufungen, Großstörungen, Service Requests, etc.) aus denen ihre Anwender mit der DV-Abteilung Kontakt aufnehmen. Um aus diesen Datenmengen nützliche Informationen zu gewinnen, muss man Arbeit investieren. Als ich dieses Aufgabengebiet übernommen habe, hatten wir zwar sechsstellige Ticketzahlen in einem Ticketsystem (Daten), aber Null Informationen über die größten Aufwandstreiber. Heute können wir diese Informationen in Echtzeit nach allen möglichen Kriterien ermitteln und haben somit eine valide Basis für das Problem Management (Ursachenbeseitigung). Mit diesen Informationen können Sie nun einen aktiven Part an der ursächlichen Störungsvermeidung übernehmen, in dem Sie diesen Prozess treiben. Als Service Desk Organisation sollte dies auch in unserem Interesse sein, schließlich gestalten Sie damit, welche Störungen uns morgen noch begegnen und welche nicht mehr. Dies ist das Ende des Prinzip Hoffnung und eine klare Verantwortungsübernahme. Nachdem der Entstörungsprozess in den vergangenen Jahren bei den Organisation meistens erheblich optimiert wurde, lassen sich hier nur mit erheblichen Aufwänden marginale Verbesserungen erreichen. In der Störungsvermeidung ist das Kosten-/Nutzenverhältnis meist sehr viel besser. Vorsorge ist nun mal deutlich effektiver, als die effizienteste Nachbetreuung. Wer mehr dazu hören will wird sicher noch den einen oder anderen Aspekt bei meiner Keynote auf der nächsten Service Desk World hören.             

Sie leiten das „Service Operations Center“ bei der HUK-Coburg. Wieso haben Sie diesen Namen gewählt?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. In den vergangen Jahren hatte mein Zuständigkeitsbereich diverse Namen. Für die Menschen, die wissen was wir machen, ist unser Name eigentlich unbedeutend. Da gilt Shakespears "A rose by any other name would smell as sweet". Für Menschen, die unser Aufgabengebiet nicht kennen, wecken wir mit dem Namen einerseits Interesse, wie man an Ihrer Frage sieht und andererseits verhindern wir in einer Schublade „Service Desk“ zu landen, der nur den reaktiven Teil unser Aufgaben abdeckt. Wir machen mittlerweile einfach viel mehr. Wir haben mittlerweile die Verantwortung für alle Servicebetriebsprozesse, wie Incident, Problem, Change, Config Management und diverse weitere Prozesse, dass ist einfach viel mehr, als man heute unter Service Desk erwartet.  

Kurze Abschlussfrage: Welche zwei Themen beschäftigen Ihren Service Desk zur Zeit am meisten?

Thema Nummer 1: Wir werden  dieses Jahr ein neues Service Management Tool einführen und befinden uns in der finalen Phase der Abnahmetest und Nachbesserungen. Gerade gestern habe ich mit einem Kollegen aus der Branche gesprochen, der vor ein paar Monaten ein neues IT-Service Management Tool eingeführt hat und dessen IT-Leiter meinte, dass er etwas Vergleichbares vor seiner Rente nicht nochmal machen möchte. Eine Einstellung die ich durchaus teilen kann. Man darf dabei nicht übersehen, dass die Einführung die wesentlichen Betriebsprozesse eines IT-Betriebs abdeckt, also fast die Einführung eines Mini-ERP-Systems im ursprünglichen Sinn eines Produktionsplanungssystems bedeutet. Dennoch denke ich, gibt es hier für die Dienstleister noch ein erhebliches Optimierungspotential diese Einführungen einfach und schneller zu gestalten.

Thema Nummer 2: Wir werden dieses Jahr unseren Kontakt zu unseren DV-Kunden weiter intensivieren, sprich mit den Abteilungen und Gesellschaften, die unsere IT-Dienste beauftragen. Nachdem wir erst den Kontakt mit den Anwendern, anschließend mit den Bereitstellern optimiert haben, wollen wir nun den Kontakt mit den Kunden mit Regelmeetings ausbauen. Trotz aller Informationen aus Systemen, ist der unmittelbare Kundenkontakt nicht zu ersetzen und außerdem ist es auch ganz angenehm von seinen Kunden gelobt zu werden, etwas, das kein Kennzahlensystem ersetzen kann.  

 

Zum Interviewpartner: Michael Niekut, Bereichsleiter des Service Operation Center bei der HUK-COBURG, spricht die Keynote der diesjährigen Service Desk World und zeigt strategische Handlungsoptionen für die Zukunft im Service Desk auf.

Das Interview führte: Frederic Bleck, Senior Konferenz Manager EUROFORUM | XING

 

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