Wie sehen Sie die Bedeutung des Vergaberechts heute?
Die Rolle des öffentlichen Vergaberechts in der Anwendungspraxis wird weiter wachsen. Das liegt daran, dass die Materie weiterhin aus einem komplexen Gemisch von mittlerweile verästelter Kodifizierung und richterlicher Rechtsfortbildung besteht. Den Adressaten wird der Gesamtüberblick zunehmend erschwert. Von einer Entbürokratisierung kann keine Rede sein. Und das jährliche europaweite Umsatzvolumen mit öffentlichen Aufträgen von knapp 500 Mrd. Euro zeigt die wirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors.
Wo stehen die Reformbestrebungen der Kommission?
Das Vergaberecht-Modernisierungspaket der Kommission ist unterwegs. Das Legislativverfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Der ursprüngliche Zeitplan lässt sich wohl nicht mehr einhalten. Es bleibt abzuwarten, wann und mit welchen Inhalten die Reformrichtlinie sowie die geplante neue Richtlinie über Dienstleistungskonzession in Kraft treten. Von da an besteht dann Umsetzungsdruck in Deutschland. Bisher taten sich die Bundesregierungen immer schwer, für eine rechtzeitige Umsetzung zu sorgen. Wichtig ist auch, wie das Regierungsprogramm hinsichtlich des öffentlichen Auftragswesens nach der Bundestagswahl 2013 aussieht und ob dadurch zusätzlich nationale Aspekte in den Umsetzungsplan einfließen. Zu hoffen ist, dass endlich einmal das Ziel der Vereinfachung des Vergaberechts erreicht wird.
Welche besonderen Herausforderungen erwarten die Vergabepraktiker in den nächsten Jahren?
Es ist mit weiterer Komplexität und mangelnder Übersichtlichkeit sowie fehlender Klarheit zu rechnen. Der Gesetzgeber in Deutschland begreift das Vergaberecht inzwischen als interessantes Mittel, um politische Vorstellungen abseits der reinen Wirtschaftlichkeit zu verfolgen und durchzusetzen.
Welche Hilfestellung bietet hier die Tagung Brennpunkt Vergaberecht?
Der Brennpunkt soll durch hochkarätige Referenten und aktuelle Themen seine Stellung als marktführende Premiumveranstaltung weiter behaupten. Besonderer Wert wurde auf die stimmige und aktuelle Zusammensetzung einzelner Themen gelegt. Ausreichend Zeit für Diskussionen und Nachfragen ist vorgesehen, damit die Teilnehmer nach drei kompakten Tagen in Düsseldorf gut informiert und für Alltagsaufgaben in der Praxis des Vergaberechts bestens vorbereitet heimreisen.
Autor: Dr. Jan Byok LL.M., Rechtsanwalt
Das Interview führte Nicole Büren-Lorenz, Rechtsanwältin/ Senior-Konferenz-Manager EUROFORUM | Nicole Büren-Lorenz bei XING
Zur Infoseite Vergaberecht