Übergang in den Ruhestand 2030

12.09.2013FinanceVersicherung, Rente

Überlegungen und Fragen zu den Ergebnissen des Rentendialogs

Wie sollen künftig der Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand und die Ruhestandsfinanzierung aussehen? Wie sind dabei die demografischen Veränderungen zu berücksichtigen? Der Rentendialog der Bundesregierung hat hierzu einige neue Aspekte aufgezeigt, jedoch nicht für alle Fragen Lösungen erarbeitet.

Die demografische Entwicklung führt dazu, dass die Bevölkerung und damit auch die Belegschaften in den Unternehmen durchschnittlich immer älter werden. Zugleich wurde die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 auf 67 angehoben. Übergangsregelungen für Jahrgänge vor 1964 sollen sicherstellen, dass der Arbeitsmarkt sich auf diese Änderungen einstellen kann. Dies stellt Unternehmen in Deutschland vor neue Herausforderungen. Es gilt, ein ausreichendes Arbeitskräftepotential sicherzustellen sowie kontrollierte Nachfolgeprozesse für altersbedingt ausscheidende Mitarbeiter einzuführen.

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Unsicherheiten prägen dabei die Perspektiven von Unternehmen und Mitarbeitern. Unternehmen fragen sich, wie Mitarbeiterpotentiale erschlossen werden können. Mitarbeiter fragen sich, bis wann sie arbeiten müssen, können und wollen. Beide stehen vor der Frage, wie die Versorgungslücke zwischen dem Erwerbseinkommen und dem i. d. R. niedrigeren Ruhestandseinkommen überbrückt werden kann. Der Rentendialog sollte hierzu Lösungen erarbeiten. Ist das gelungen?

Die Position der Bundesregierungen und der Parteien

Die Position der Bundesregierungen ist seit 2005, dass die Frühverrentung erschwert bzw. abgeschafft werden soll. Der Koalitionsvertrag schrieb 2009 fest, dass die Förderung der Altersteilzeit zum 31.12.2009 eingestellt werden soll. Eingestellt wurde jedoch nur die Förderung über die Bundesanstalt für Arbeit. Die steuerfreie Aufstockung und damit Altersteilzeit ist jedoch weiterhin möglich.

Im Rahmen des Rentendialogs hat die Bundesregierung vor allem zwei Maßnahmen zum gleitenden Übergang in den Ruhestand vorgestellt: die Kombirente, d. h. die Erleichterung des Hinzuverdienstes bei Inanspruchnahme von gesetzlichen Teilrenten, sowie die Möglichkeit freiwilliger Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung, um die „erste“ Säule zu stärken.

Die politischen Parteien fordern vor allem, dass der frühere Rentenzugang ab 60 möglich sein soll. Nuancierungen zeigen sich in der Frage, ob und wie dies gefördert werden soll. Gefordert wird auch eine verbesserte Grundabsicherung für geringe gesetzliche Renten. Der Rentendialog hat insoweit die Zuschussrente vorgesehen. All dies reicht aber nicht, um die wachsende Versorgungslücke zu schließen.

Vielmehr würde die Einführung einer gesetzlichen Grundabsicherung durch Aufstockung geringer gesetzlicher Renten massive Zuschüsse, sei es durch Beiträge oder Steuermittel, erforderlich machen. Bereits heute verfügen Neuzugänge in die gesetzliche Altersrente nur über ein Sicherungsniveau von durchschnittlich 50 Prozent. Neurentner ab 2030 werden wohl nur 43 Prozent – und damit einen durchschnittlichen Rentenzahlbetrag von ca. 560 Euro – erreichen.

Das „Vorsorgekonto“ – mehr Fragen als Antworten

Die Deutsche Rentenversicherung schlug vor, das System der gesetzlichen Rentenversicherung um eine Sparkomponente zu erweitern. Damit soll die Palette der Riesterprodukte um eine „einfache“ Komponente ergänzt werden, um die stagnierende Verbreitung dieser Zusatzvorsorge zu erhöhen. Dieses „Vorsorgekonto“ wirft jedoch einige Fragen auf:

Bereits bisher besteht die Möglichkeit, gesetzliche Rentenabschläge durch Einmalzahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung auszugleichen. Diese – bislang praktisch ungenutzte Möglichkeit – soll nun um eine Sparkomponente ergänzt werden, für die das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung gelten, eine Riesterförderung möglich und das Guthaben vererblich sein sollen. Damit wird der „Rubikon“ zwischen Altersversorgung und Sparplan, wie er noch der Rüruprente zugrunde lag, überschritten und eine systematische Grundsatzfrage steuerlicher Förderungsprinzipien aufgeworfen. Die Kapitalanlage soll den Regeln für gesetzliche Sozialversicherungsträger folgen. Sie ist damit zwar „sicher“, erwirtschaftet aber mit Sicherheit auch nur vergleichsweise niedrige Erträge und ist daher besonders durch Inflationsauszehrung bedroht. So rentierte z. B. die gesetzliche Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung seit etwa 2009 zwischen etwa 0,4 und 1,4 Prozent, während sich die durchschnittlichen Inflationsraten gleichzeitig zwischen ca. 0,9 und 2,1 Prozent bewegten.

Letztlich schließt dieser Vorschlag die Versorgungslücke nicht, denn wenn man ein Riesterprodukt durch ein anderes ersetzt, erhöht sich die Versorgung insgesamt nicht. Allenfalls steigt möglicherweise die Verbreitung, jedoch zum Preis einer schwachen und damit besonders inflationsgefährdeten Verzinsung. Und erinnern wir uns – „Riester“ sollte das Rentenniveau nicht anheben, sondern letztlich nur die Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) ausgleichen helfen!

„Mischmodelle“ als Königsweg?

Betrachtet man die aktuelle politische Diskussion und die anstehenden Herausforderungen, so ist evident, dass das Spannungsfeld zwischen Wünschen der Arbeitnehmer und den Anforderungen der Unternehmen nur durch die intelligente Nutzung aller zur Verfügung stehenden Vorsorgemodelle aufgelöst werden kann. Entscheidend ist die Finanzierung der verschiedenen Lebensphasen. Hier kann der kombinierte Einsatz von gesetzlichen und betrieblichen Teilrenten, Lebensarbeitszeitkonten, Elementen der Altersteilzeit und Teilzeitarbeit angemessene und flexible Übergänge in den Ruhestand ermöglichen.

Flexible zweckgebundene Ausfinanzierung

Die Kernfrage aller Vorsorgemodelle bleibt auch in Zukunft die Finanzierung. Die Mittel hierfür sind – auch einer Eigenbeteiligungen der Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung – begrenzt. Hier ist in Anbetracht der Vielschichtigkeit der Anforderungen sowie der heute nicht im Detail planbaren künftigen personalwirtschaftlichen Situation in den Unternehmen eine flexible Gestaltung angezeigt. Flexibilität in der Finanzierung können kollektive betriebliche Vorsorgefonds bewirken, in denen die betrieblichen Fördermittel für Ruhestand und „Vorruhestand“ zweckgebunden zu Gunsten der Arbeitnehmer gebündelt und erst künftig situationsgebunden verwendet werden, statt sie bereits heute vollständig für konkrete Maßnahmen einzusetzen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass jeder Arbeitnehmer, der heute in Unternehmen beschäftigt ist bzw. neu eintritt, dem Grunde nach einen Bedarf an potentiellen „Vorruhestandskosten“ mitbringt, die in der heutigen betrieblichen Finanzierungspraxis nicht periodengerecht ausfinanziert werden.

Hinweise für die Praxis

In Anbetracht der demografischen Herausforderungen sind Unternehmen gefordert, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) – gerade auch aus Entgeltumwandlung bzw. kofinanziert durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge – zu forcieren und die Vorfinanzierung der demografischen Lasten für Vorruhestandkosten durch kollektive Vorsorgefonds, kombiniert mit Maßnahmen wie Lebensarbeitszeitkonten, betrieblichen Teilrenten etc. zu verbessern. Die aktuelle Rechtslage bietet für Unternehmen bereits heute ein vielfältiges Spektrum, mit dem unternehmensspezifische Lösungen gestaltet und umgesetzt werden können.


Autoren: Dr. Michael Karst, Director Practice Legal und Dr. Reiner Schwinger, Managing Director, Towers Watson

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Kontakt: Utta Kuckertz-Wockel, Senior-Konferenz Managerin EUROFORUM . XING-Profil