Smarte Gebäude sind die Kraftwerke der Zukunft

11.07.2018ImmobilienWohnen, Immobilien, Smart

von Robert Grüneis

Für unsere Enkelkinder wird es selbstverständlich sein, dass Gebäude die benötigte Energie für Heizung und Kühlung selbst produzieren und speichern, dass Stromnetze intelligent miteinander kommunizieren und wir unseren Energieverbrauch mit dem Handy steuern.


An dieser Vision der Energiezukunft forscht die Forschungsgesellschaft Aspern Smart City Research (ASCR) in der Wiener Seestadt. Das Ziel lautet: Mehr Energieeffizienz bei weniger CO2-Ausstoß. Unsere drei Forschungsobjekte, eine Wohnhausanlage, ein Studierendenheim und der Schulcampus, wurden mit unterschiedlichen Technologie-Komponenten ausgestattet. Zum Beispiel Photovoltaik- und Solarthermieanlagen, Wärmepumpen und verschiedene Speicherlösungen. Hinzu kommt jede Menge Infrastruktur für Informations- und Kommunikationstechnologie. Ein Großteil des Energiebedarfs wird also direkt vor Ort erzeugt. Unser Ziel ist es, möglichst viel über die unterschiedlichen technischen Kombinationen zu lernen. So finden wir heraus, wie die Erzeugung und der Verbrauch im Gesamtgebäude optimiert werden können. Das Stichwort dazu ist „vorausschauende Gebäudeautomatisierung“.

Gebäude als Player am Strommarkt

Darüber hinaus erforschen wir das Potenzial der Gebäude, flexibel Energie zu produzieren und diese auch ins Netz einzuspeisen. Gebäude werden so zu Kraftwerken, die zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Wir setzen dazu ein Building Energy Management System (BEMS) ein, das in regelmäßigen Intervallen Prognosen des Stromverbrauchs des Gebäudes und mögliche Flexibilitäten errechnet. So lässt sich prognostizieren, wann und wie viel Überschuss produziert und ins Netz eingespeist werden könnte. Damit Gebäude in Zukunft aktive Player am Strommarkt sein können, braucht es intelligente Stromnetze, welche über den Netzzustand nicht nur jederzeit Bescheid wissen, sondern auch Prognosen
erstellen können. In ganz Europa muss die Strominfrastruktur an die Anforderungen der dezentralen Erzeugung angepasst werden. Ein intelligentes Niederspannungsnetz – ein sogenanntes „smart Grid“ – und neue Speichermethoden spielen deshalb eine immer größere Rolle. Die ASCR erforscht dieses neuartige Stromnetz, das mit den Komponenten Erzeugung, Verbrauch und Speicher interagiert. Wir wollen das Niederspannungsnetz von einem statischen zu einem dynamischen, kostengünstigen Netz entwickelt.

Wir arbeiten in der Seestadt an einer smarten urbanen Energie versorgung auf Basis dezentraler Erzeugung.

Award für Forschungsarbeit der ASCR

Bei der Smart Energy Systems Week Austria (SESWA) – einem jährlichen Treffen von Energieexperten in Wien – wurden wir erst kürzlich für unsere Forschungsarbeit ausgezeichnet. Die ASCR erhielt den „Smart Energy Systems Award“ in der Kategorie „Tech Solution“ für ihre Leistungen im Bereich angewandte Forschung und Entwicklung. Bei der Messe präsentierte die ASCR das Building Energy Management System (BEMS) und erntete viel Beachtung für ihre Forschung im Bereich Smart Building und Smart Grid.

Energie-User im Fokus

Auch die Zusammenarbeit mit den Bewohnern ist eine wichtige Komponente der Forschungsarbeit. Denn schlussendlich hängt es von den Nutzungsgewohnheiten der Menschen ab, wie viel Energie ein Gebäude benötigt. Am Forschungsprogramm nehmen 111 Haushalte teil, die sich ausdrücklich damit einverstanden erklären, dass ihre Energieverbrauchs- und Raumregelungsdaten – das betrifft zum Beispiel Strom, Warm- und Kaltwasser, Zimmertemperatur, Raumluftqualität – für Forschungszwecke verwendet werden. Datenschutz ist dafür natürlich eine der Grundvoraussetzungen. Wir stellen den Bewohnern eine, von der ASCR entwickelte, Smart Home Control App zur Verfügung. So ist es möglich, den Energieverbrauch auch am Smartphone oder Tablet zu kontrollieren und zu steuern – egal ob man gerade zu Hause ist, oder unterwegs.

Die mobile Anwendung bringt nicht nur einen Komfortgewinn für die User, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die Energieforschung. Wir wollen schließlich wissen, ob die entwickelten Technologien alltagstauglich sind. Seit 2017 gibt es für die teilnehmenden Haushalte zusätzlich die Möglichkeit, neue Strom-Tarife auszuprobieren, die auf Basis der Forschung entwickelt wurden. Unser Ziel ist es, die Menschen mit Bewusstseinsbildung und Anreizsystemen zu einem nachhaltigen, kosten- und energieeffizienten Nutzungsverhalten zu motivieren.
 

Robert GrüneisRobert Grüneis
Geschäftsführer
Aspern Smart City Research Gmbh & Co KG (ASCR).

 

 

 

Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Immobilienwirtschaft“, das Sie hier erhalten können