Die Experten sind sich einig. Die digitale Transformation ist für Unternehmen überlebenswichtig. Die Entwicklung digitaler Strategien wird in Unternehmen gleich welcher Größe Chefsache. Möglichkeiten der digitalen Optimierung und technisch-organisatorische Innovationen rund um das Internet of Thingsnd Industrie 4.0 stehen auf der Agenda. Unternehmensstrategien werden digitalisiert und neue Geschäftsmodelle oder -felder entwickelt.
Ob sich Unternehmen im nationalen oder internationalen Umfeld bewegen – sie treffen auf einen bestehenden Rechtsrahmen. Dabei sind Rechtsgebiete und -fragen vielfältig, die bei der Digitalisierung relevant werden. Rechtsfragen zu Big Data und Datenschutz, IT-Sicherheit, Cybercrime und Cloud Services stehen ebenso im Fokus wie Know-How-Schutz, Vertrags- und Haftungsrecht sowie das Arbeitsrecht des digitalen Unternehmens. Die Rechtsfragen sind traditionell komplex, nicht zuletzt wegen der internationalen DNA der digitalen Transformation.
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Dabei treffen Unternehmen auf einen Rechtsrahmen,der der digitalen Welt offen begegnet. Das gilt für jahrzehntealte gesetzliche Rahmenbedingungen des Zivil- und Handelsrechts ebenso wie für jüngere Regelungen, die in der ersten Welle der Digitalisierung zu Beginn des Jahrtausends meist über Europäische Rechtsetzungsakte eingeführt wurden. Dieser Rechtsrahmen wird nicht für sich in Anspruch nehmen können, für alle denkbaren Konstellationen der digitalen Transformation lückenlos sachgerechte Lösungen bereitzustellen. Die Unternehmen sind gefordert, tragbare Lösungen zu erarbeiten. Schnelle Hilfe von Seiten des Gesetzgebers oder der Gerichte ist kurz- und mittelfristig kaum zu erwarten – wie in jedem innovativen Umfeld.
Thema Big Data
Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters. Der bestehende europäische Rechtsrahmen zum Datenschutz soll durch die Datenschutzgrundverordnung zeitnah voll harmonisiert werden. Hierdurch werden die durch das Safe Harbor Urteil des EuGH manifestierten Probleme des internationalen Datentransfers jenseits der Grenzen Europas nicht gelöst. Es bedarf weiterer Aktivitäten der Europäischen Kommission. Ob eine Lösung kurzfristig gelingt, ist offen. Rechtsfragen rund um Big Data sind zudem mannigfaltig, sie betreffen u.a. auch Haftungsfragen. Die für das Gold des digitalen Zeitalters zentrale Frage, ob es „Eigentum an Daten“ gibt und wem dies in der digitalen Wertschöpfungskette zusteht, ist eine unter Rechtsexperten intensiv diskutierte Frage. Hier bedarf es im Interesse der Fortentwicklung der digitalen Gesellschaft alsbald der Rechtssicherheit.
Thema IT-Sicherheit
Massive Attacken auf IT Systeme führen dazu, dass IT-Sicherheit endlich flächendeckend zur Chefsache wird. Aus rechtlicher Sicht müsste sie dies schon lange sein. Zur Sicherstellung von IT-Sicherheit gehört u.a. eine angemessene vertragsrechtliche Grundlage für den Betrieb von IT-Systemen –eine Anforderung, die nach wie vor häufig ignoriert wird. Die Probleme der IT-Sicherheit werden sicher nicht rechtlich in den Griff zu bekommen sein. Ein IT-Sicherheitsgesetz oder der Entwurf der sogenannten NIS-Richtlinie auf EU-Ebene sind sicher nicht mehr als ein Teil im Puzzle der IT-Sicherheit.
Thema Cloud Services
Hier hat ein konstruktiver Dialog zwischen Datenschützern und Industrie dazu geführt, dass datenschutzrechtliche Probleme als beherrschbar angesehen werden können. Dennoch bleiben auch hier in der Vertragspraxis zu lösende Fragen rund um Qualitätsstandards, Exit-Regelungen und Rechtsdurchsetzung im internationalen Umfeld.
Thema Internationales
Ein einheitlicher internationaler Rechtsrahmen der digitalen Transformation fehlt. Einige Wirtschaftsräume der Welt haben Rechtsstandards zu Bereichen wie Verbraucher- und Datenschutz harmonisiert, nicht aber zu digitalen Themen. Es bestehen teils erhebliche, auch rechtskulturelle Unterscheide in den jeweiligen Ländern. Auch die Rechtsdurchsetzung ist häufig problematisch. Die Nutzung von Schiedsgerichten ist eine Option, die Steigerung der Erfolgsaussichten der Rechtsdurchsetzung bleibt jedoch überschaubar.
Unternehmen sind gut beraten, im Rahmen ihrer digitalen Transformationen rechtliche Themen von vorneherein zu berücksichtigen und deren Komplexität anzunehmen. Für eine erfolgreiche digitaleTransformation bedarf es neben speziellem Know-How einer wirklichen Problemlösungsmentalität. Auf Gesetzgeber oder Gerichte zu setzen und zu warten, ist wegen des Tempos der Digitalisierung der Geschäftswelt kaum der richtige Ansatz.
Autor: Jan Pohle, Rechtsanwalt, Partner, DLA Piper UK LLP