Wieso soll der Kunde die Leistung eines Anwalts überhaupt messen wollen?
Ein Kunde, sei es der interne Klient einer Rechtsabteilung oder der Mandant eines externen Anwalts, wird für die erbrachte Rechtsdienstleistung Geld ausgeben müssen. Er möchte deshalb sicherstellen, dass er dafür einen bestimmten Gegenwert erhält. Eigentlich strebt er gar einen Mehrwert an, weil es sonst bei einem reinen Gütertausch bleiben würde. Zentral bleibt deshalb für jeden Rechtsdienstleister, die Bedürfnisse des Kunden zu kennen und zu wissen, wie er diese erfüllen und ihm den grösstmöglichen Nutzen bringen kann.
Informationsgefälle als Ausgangslage und Quelle für Missverständnisse
Erfahrungsgemäss herrscht zwischen Kunde und Anwalt eine doppelte Informationsdiskrepanz. Einerseits besitzt der Kunde die grösste Kenntnis vom Sachverhalt und der Anwalt muss Zugang zu diesen Informationen haben, um seine Rechtsdienstleistung massgeschneidert erbringen zu können.
Anderseits ist der Anwalt der Kenner des Rechts, da der Kunde von Recht – was bei gewissen Sachfragen manchmal selbst für den ausgebildeten Anwalt im Rechtsdienst einer Unternehmung gilt – regelmässig nur wenig Wissen besitzt. Der Unterschied zum Anwalt besteht jedoch oft darin, dass der Kunde das diesbezügliche Informationsgefälle in der Regel nicht ausgleichen will. Er ist nur an der passenden Lösung interessiert.
Wie beurteilt ein Kunde die Qualität eines Anwalts?
Gerade weil der Kunde einen Mangel an Rechtswissen hat und dieses auch nicht ausbauen will, wird es ihm schwer fallen, die materiell-juristischen Kenntnisse eines Anwalts fair zu beurteilen. Deshalb setzt er sie auch einfach voraus. Stattdessen wird der Kunde zur Beurteilung der Dienstleistungsqualität eines Anwalts zum weit überwiegenden Teil dessen beziehungs- und serviceorientierte Verhalten heranziehen. Dazu dienen Kriterien wie z.B. das Erscheinungsbild der Räume, des Auftreten des Anwalts, die Schnelligkeit in der Reaktion, die Zuverlässigkeit v.a. beim Einhalten von vereinbarten Terminen, Höflichkeit, Verständlichkeit in der Kommunikation und nicht zuletzt die gelebte Flexibilität und ein echtes Einfühlungsvermögen, um gezielt auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden eingehen zu können.
Relevanz der Stundensätze und Honorarrechnungen
Eine Kunde ist sich sehr wohl bewusst, dass er Rechtsdienstleistungen nicht kostenlos beziehen kann. Er will jedoch nur marktgerechte Honorare bezahlen, was sich in einem realistischen Preis-Leistungs-Verhältnis niederschlagen muss. Dies und der Umstand, dass beim Kunden der Kostendruck immer mehr zunimmt, zwingen ihn, die Ausgaben beim Leistungsbezug genauer zu prüfen. Und wenn er beim Einkauf von Rechtsdienstleistungen etwas bewanderter ist, wird er statt blosser Stundenhonorare auch alternative Honorierungsmodelle prüfen wollen. Was dabei seitens der Anwälte oft übersehen wird, ist, dass die Quelle der Frustration beim Kunden nicht direkt in – gefühlt – zu hohen Rechnungen liegt, sondern er – aus seiner Sicht – hierfür nicht die erwartete Dienstleistung erhält. Dieses Gefühl kann übrigens am Ende oft auch nicht mehr beseitigt werden, wenn man allenfalls noch einen Abschlag auf die Rechnung gewährt. Denn nur gute Leistung wird wirklich geschätzt und weiter empfohlen werden.
Schlussfolgerung
Rechtsdienstleistern ist empfohlen, sich nicht hinter der Erbringung von blossen Rechtsauskünften zu verstecken. Es sind vermehrt die Bedürfnisse des Kunden herauszufinden, deren Befriedigung im Auge zu behalten und insbesondere ein Schwerpunkt auf die eigenen Servicekomponenten zu legen. Dazu gehört auch, dass bei der Verhandlung des Honorarmodells ein fairer und transparenter Ansatz gewählt wird und vor allem am Ende die Rechnung keine Überraschungen für den Kunden bietet. Das garantiert nicht nur gute Empfehlungen, was bekanntlich zu den besten Strategien für Neuakquisitionen von Mandaten und Mandaten zählt, sondern erhöht auch die Kundenzufriedenheit und vermindert damit auch die Absprungrate der Kunden.
Interviewpartner: Dr. Bruno Mascello, LL.M., EMBA-HSG, Rechtsanwalt, Vizedirektor und Lehrbeauftragter an der Executive School (ES-HSG) der Universität St.Gallen. Weitergehende Literatur: Bruno Mascello, Qualitätsmanagement für Rechtsdienstleister: mit einer Einführung ins operative Management einer Rechtsabteilung, Zürich 2014 (Band 1 der Schriftenreihe Law & Managment, Hrsg.: Executive School der Universität St.Gallen).
Lesen Sie auch den Artikel Imagepflege für Rechtsabteilungen von Bruno Mascello
Kontakt: Leonie Harmal, Conference Director EUROFORUM | XING LinkedIn
Zur Website Unternehmensjuristentage - Konferenz für die Rechtsabteilung