1. Überblick
Auch in diesem Jahr war das Praxisforum mit einer breit aufgestellten Gruppe von Referenten besetzt, die Vertreter der Ersteller, Prüfer und Regulierer gleichermaßen umfasste:
- Prof. Dr. Andreas Barckow, Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.
- Thomas Blöink, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
- Dr. Robert Braun, Deutsche Prüfungsstelle für Rechnungslegung e.V.
- Andrea Bruckner, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
- Bastian Buck, GRI Global Reporting Initiative
- Christoph Dolderer, EnBW Energie Baden-Württemberg AG
- Dirk Driesch, Roever Broenner Susat Mazars GmbH & Co. KG WPG StBG
- Heiko Ehrcke, Deutsche Telekom AG
- Dr. Jens Freiberg, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
- Klaus Kunzelmann, Deutsche Prüfungsstelle für Rechnungslegung e.V.
- Dr. Arno Probst, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
- Miklos Szabo, SAP SE
- Dr. Martin Schloemer, Bayer AG
- Dr. Thomas Senger, Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
- Prof. Dr. Bernd Stibi, IDW e.V.
- Dr. Monica Streck, Flughafen München GmbH
- Harald Stuhlmann, Continental AG
- Prof. Dr. Bettina Thormann, Deutsche Prüfungsstelle für Rechnungslegung e.V.
- Prof. Dr. Patrick Velte, Leuphana Universität Lüneburg
2. Einführung: Ein Überblick über das aktuelle Arbeitsprogramm des IASB
Einen ersten Eindruck über die Aktualität und Bandbreite der Themen erhielten die Teilnehmer durch die Keynote von Prof. Dr. Andreas Barckow über die aktuellen Tätigkeiten des IASB. An Vielfalt mangelt es hier nicht – das aktuelle Arbeitsprogramm des IASB umfasst neben acht major projects 13 Implementierungsprojekte und 15 Projekte in der Forschungsphase.
Hitzige Diskussionen werden hierbei nicht nur im Hinblick auf die „Schlagzeilenprojekte“ – leasing, revenue recognition und disclosure initiative – geführt, die im restlichen Verlauf der Tagung weiter erörtert werden sollten. Auch die narrow scope amendments warfen knifflige Fragen auf. Besonders hervorgehoben wurde hier beispielsweise der Umgang mit den bilanziellen Auswirkungen der Eliminierungen von Downstream-Ergebnissen aus Transaktionen mit assoziierten Unternehmen: Wie ist mit den sich hieraus ergebenden Minderungen des Eigenkapitalbuchwerts umzugehen? Was ist zu tun, sollte dieser – infolge der Eliminierung des Zwischenergebnisses – sogar unter Null sinken?
Vor dem Hintergrund aktueller (und nunmehr andauernder) makroökonomischer Entwicklungen verwies die Keynote auf verschiedene Projekte rund um das Thema Abzinsung: Diese reichen von fundamentalen Fragen – Warum und mit welchen Raten wird abgezinst? Sind unterschiedliche Abzinsungsraten für unterschiedliche Bilanzpositionen gerechtfertigt? – hin zu konkreten Umsetzungsproblemen.
Der abschließende Überblick über den aktuellen Stand der IASB-Projekte zu Leasing, Umsatzerlösen, Unternehmenszusammenschlüssen und der Angabeninitative stimmte die Teilnehmer auf die weiteren Themen der diesjährigen Tagung ein.
3. Auswirkungen des aktuellen Zinsniveaus auf Bilanzierungsfragen
Den Auswirkungen der aktuellen makroökonomischen Lage auf die Rechnungslegung und den damit verbundenen Problemstellungen trug die Tagung mit einem eigenen Themenblock Rechnung.
Zunächst ging Herr Dr. Martin Schloemer mit seinem Vortrag „Marodes Bauwerk Pensionsbilanzierung?“ auf aktuelle Entwicklungen rund um IAS 19 ein. Im Zentrum stand hierbei zum einen die Anpassung der Rechnungslegung an veränderte Plandesigns, d.h. konkret: Wie ist eine higher-of Option nach IAS 19 abzubilden? Hier garantiert das Unternehmen dem Arbeitnehmer i.d.R. die höhere von zwei (oder mehre) Ausprägung: Über eine sichere Mindestverzinsung hinaus enthält die Option eine variable Komponente, durch die der Arbeitnehmer an der aktuellen Rendite auf die getätigten Einzahlungen partizipiert. Während solche Mischformen in Zeiten niedriger Zinsen an ökonomischer Bedeutung gewinnen, bestehen bislang keine einheitlichen Vorgaben für ihre Bilanzierung nach IFRS. Insbesondere ist unklar, inwiefern bei der Ermittlung des gegenwärtigen Werts der Verpflichtung auf zukünftig erwartete Renditen oder auf das higher of zum Stichtag zzgl. Nominalversprechen abzustellen ist.
Zum anderen stellte Herr Dr. Schloemer die erheblichen Ermessenspielräume bei der Ableitung des Diskontierungszinssatzes nach IAS 19 dar. Deren Ausübung kann erhebliche, folgenschwere Auswirkungen haben, denn schon kleine Änderungen des Diskontierungszinssatzes können beträchtliche Änderungen des Eigenkapitals mit sich bringen. Unterschiede bei den getroffenen Annahmen hinsichtlich der Extrapolation der Zinsstrukturkurve oder der gewählten Regressionsmethode führen so zu einer heterogenen Bilanzierungspraxis, wodurch sich die Vergleichbarkeit der Abschlüsse verringert. Eine Lösung durch Schaffung eines level playing fields beim Diskontierungssatz scheint hier zumindest mittelfristig nicht in Sicht.
Die bilanziellen Pensionsverpflichtungen sind jedoch nicht das einzige bilanzielle „Sorgenkind“, das durch das aktuelle gesamtwirtschaftliche Umfeld hervorgebracht wurde. Daher stellte Herr Dr. Robert Braun die Implikationen der aktuellen währungs- und geldpolitischen Verwerfung für die Bilanzierungspraxis in seinem gleichnamigen Vortrag dar. So verwies der Vortrag auf die bewertungstechnischen Implikationen nicht nur bei der Abzinsung langfristiger Schulden, sondern auch auf der Aktivseite der Bilanz, insbesondere beim Werthaltigkeitstest. Das niedrige Zinsniveau wirft hier Fragen vor allem hinsichtlich der zu verwendenden Marktrisikoprämie und der Plausibilität von Wachstumsannahmen in der ewigen Rente auf.
Neben Bilanzierungsfragen spiegelt sich die aktuelle währungs- und geldpolitische Situation auch in der Berichterstattung wieder. Dies steht zum einen im direkten Zusammenhang mit konkreten Bilanzposten – beispielsweise können Währungsannahmen (neben Zins- und Wachstumsannahmen) regelmäßig zu den wesentlichen Annahmen im Rahmen des oben bereits erwähnten Werthaltigkeitstest zählen. Zum anderen sind währungs- und geldpolitische Rahmenbedingungen im Lagebericht, d.h. im Rahmen des Wirtschafts-, Prognose-, und/oder Risikoberichts, darzustellen. Beispielsweise die unerwartete Änderung der Geldpolitik durch die Schweizer Notenbank im Januar 2015 wirkte sich fern auf den Nachtragsbericht aus, wie Herr Dr. Braun an Beispielen aus der deutschen Bilanzierungspraxis illustrierte.
Eine abschließende, von Herrn Dr. Arno Probst moderierte Podiumsdiskussion, an der neben den beiden Referenten Dr. Schloemer und Dr. Braun auch Frau Prof. Dr. Bettina Thormann und Herr Prof. Dr. Barckow teilnahmen, rundete den Themenkomplex ab. Im Mittelpunkt standen insbesondere die Auswirkungen des aktuell niedrigen Zinsniveaus auf die Aktivseite, v.a. im Rahmen des Werthaltigkeitstest für den derivativen Goodwill. Zum einen ging es hier um die Offenlegung wesentlicher Annahmen. Prof. Dr. Thormann betonte, dass diese über die Wachstumsrate in der ewigen Rente und Diskontierungssatz hinausgingen; abzustellen sei auf das Gesamtbild der Cash Flows, für dessen Beurteilung auch weitere Parameter relevant seien. Hierzu zählten neben der häufig vernachlässigten Wachstumsrate im Detailplanungszeitraum auch unternehmensindividuelle Indikatoren wie Rohstoffpreise oder Margen. Der Informationsbedarf der Abschlussadressaten unterscheide sich gleichwohl im Einzelfall, z.B. abhängig davon, wie konservativ die Annahmen getroffen werden.
Zum anderen diskutierten die Teilnehmer Vor- und Nachteile einer planmäßigen Abschreibung des erworbenen Goodwill gegenüber des derzeit in IAS 36 verankerten Impairment only-Ansatzes. Die regelmäßig geringe Relevanz des Impairment only-Ansatzes für interne Steuerungszwecke wie auch die durch verschiedene Marktteilnehmer – insbesondere Analysten – ohnehin schon vorgenommenen Adjustierungen ließen die Rückkehr zur planmäßigen Abschreibung vertretbar erscheinen. Eine solche wirke weiterhin dem „Damoklesschwert“ unvorhersehbarer, außerplanmäßiger Abschreibungen entgegen. Dies gelte vor allem, wenn die Nutzungsdauer entsprechend kurz gewählt werde.
Gleichzeitig kam in der Diskussion mit dem Plenum die Frage auf, ob eine Rückkehr zur planmäßigen Abschreibung nicht die Rechenschaftsfunktion der Rechnungslegung vermindere: Wenn ohnehin (über einen überschaubaren Zeitraum) alles abgeschrieben wird, wie hoch ist dann noch der Druck, gezahlte Kaufpreise im Rahmen von Unternehmenstransaktionen zu rechtfertigen?
4. Leasing und Konsolidierung
“To lease or not to lease” – diese Frage stellte sich Herr Harald Stuhlmann in seinem Vortrag zum aktuellen Stand der Leasingbilanzierung. Getreu dem von Hans Hogervoorst geprägten und von Herrn Stuhlmann zitierten Motto „If it looks like a duck, swims like a duck, quacks like a duck, then it probably is a duck“ hat die Reform der Leasingbilanzierung zu einer erheblichen Zunahme von als lease zu bilanzierenden Verträgen geführt. Eindringlich verwies Herr Stuhlmann auf die hiermit im Zusammenhang stehenden Auswirkungen auf Schlüsselkennzahlen, die auch auf Kreditverträge mit Banken und Entlohnungsverträge mit erfolgsbasierten Komponenten ausstrahlen werden. Auch bewährte „sale and leaseback“-Konstruktionen behalten zwar ihre ökonomischen Vorteile (erhöhte Liquidität, reduziertes Wiederkaufsrisiko) bei, werden zukünftig nicht mehr (komplett) off-balance abgebildet. Ferner ging Herr Stuhlmann in seinem Vortrag auf Einzelfragen der Anwendung ein, bei denen der „Teufel im Detail“ steckt.
Anschließend gab Herr Dr. Thomas Senger in seinem gleichnamigen Vortrag einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der Konzernrechnungslegung, v.a. rund um die aktuelle Diskussion zu E-DRS 30. Der breit aufgestellte Themenkomplex umfasste neben Anwendungsfragen bei der Aufteilung von Unterschiedsbeträgen die Bilanzierung von Anteilsveränderungen an Tochterunternehmen, (durch die der Beherrschungsstatus nicht beeinflusst wird), Diskussionen zur außerplanmäßigen Goodwillabschreibung, die Neubewertung verbleibender Anteile beim Übergang eines Tochterunternehmens in eine joint operation und behandelte schließlich Interdependenzen von IAS 39 und IFRS 10.
5. Fokus Revenue Recognition
Als Ergebnis eines der großen Konvergenzprojekte veröffentlichten IASB und FASB im Mai 2014 IFRS 15 bzw. ASU 2014-09. Insbesondere die sich hieraus ergebenden Auslegungs- und Umsetzungsfragen standen im Mittelpunkt des Themenblocks zur revenue recognition. Hierzu gab zunächst Herr Dr. Dirk Driesch einen Überblick über die Anforderungen des neuen Standards, besondere Problemfelder und Anwendungsfragen. Der Vortrag machte die Spannweite der mit IFRS 15 in Verbindung stehenden Bilanzierungsfragen deutlich: Diese reicht von Fragen hinsichtlich der Abbildung von Kosten der Vertragserlangung bis zur Abgrenzung von zeitraumbezogenen und zeitpunktbezogenen Umsatzrealisierungen.
Im Anschluss gab Herr Mikos Szabo Einblicke in die Tätigkeit der Transition Resource Group (TRG). Das gemeinsam durch IASB und FASB eingerichtete Beratungsgremium dient der Analyse von und Diskussion über Implementierungsfragen bei IFRS 15; auch die Boards sollen hierdurch rasch über etwaigen Klärungsbedarf informiert werden. Geklärte Sachverhalte und Bilanzierungsfragen werden als educational material veröffentlicht. Von insgesamt 50 eingereichten Fragestellungen (per März 2015) konnten in den 4 Sitzungen der TRG bislang 40 Themen geklärt werden. Einige Themenkomplexe (wie z.B. Anwendungsfragen bei der Identifizierung von Leistungsverpflichtungen) wurden an die Boards zurückgegeben, die mit dem entsprechenden Klärungsbedarf unterschiedlich umgehen.
Eine Podiumsdiskussion, an der neben den beiden Referenten auch Herr Klaus Kunzelmann, Herr Heiko Ehrke, Herr Dr. Jens Freiberg sowie Herr Harald Stuhlmann teilnahmen, rundete den Themenblock ab. Hierbei bestätigte Herr Ehrke, dass die Umsetzung der neuen Regeln mit erheblichem Umsetzungsaufwand, beispielsweise bei der Umstellung der IT-Infrastruktur, verbunden ist. Vor besondere Herausforderungen wird die Bilanzierungspraxis durch das Spannungsfeld zwischen offenen (und damit zukünftig zu klärenden Punkten) und laufender Implementierung gestellt: Während die Prozesse im Rechnungswesen bereits jetzt umgestellt werden müssen, sind „Nachjustierungen“ durch die Standardsetter nicht auszuschließen, die abermalige Änderungen bei den Erstellern nach sich ziehen könnten. Darüber hinaus werden Auslegungsunsicherheiten vor allem dann problematisch, wenn es zu divergierenden Auslegung durch die beiden Boards kommt.
Vor diesem Hintergrund diskutierte die Runde ferner, ob die Verbindung bestehender Auslegungsunsicherheiten auf der einen Seite und tendenziell größerer Regelungstiefe durch den amerikanischen Standardsetter auf der anderen Seite dazu führen könnte, dass die US GAAP als „trojanisches Pferd“ ihren Weg in die IFRS-Bilanzierungspraxis finden. Dies wäre vor allem mit der Prinzipienorientierung der Rechnungslegung nach IFRS schwer zu vereinbaren. Gleichzeitig sehen sich solche Unternehmen, deren Wettbewerber sich hauptsächlich aus US-GAAP-Bilanzierern zusammensetzen, dem Druck des Marktes ausgesetzt, auch IFRS 15 aus Vergleichbarkeitsgründen US-GAAP-nah auszulegen, wie Herr Szabo am Beispiel der Softwarebranche berichtete. Ebenso bestätigte Herr Kunzelmann, dass die Auslegung bestehender Regelungen aus abgeschlossenen Konvergenzprojekten durch das FASB auch für deutsche Bilanzierer in gehobenen Börsensegmenten informativ sein kann.
6. Aktuelle Reformen auf nationaler und EU-Ebene
Neben den oben angesprochenen Neuanforderungen und Problemstellungen im Bereich der IFRS waren auch andere Reformen im Bereich der Rechnungslegung Thema des diesjährigen Praxisforums. Herr Thomas Blöink berichtete in diesem Zusammenhang über die Reform des deutschen Handelsbilanzrechts in Form des BilRUG, die Umsetzung der aktuellen EU-Reform zur Abschlussprüfung sowie die nächsten Schritte der nichtfinanziellen Berichterstattung.
Im Anschluss referierte Herr Dr. Jens Freiberg unter dem Vortragstitel „Alles Umsatzerlöse, … oder was?“ zur Neudefinition der Umsatzerlöse nach dem BilRUG. Zunächst ging Herr Dr. Freiberg auf Abgrenzungsfragen de lege ferenda ein. Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, ob sich durch die Pflicht zum Abzug sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern eine zukünftige Minderung der Umsatzerlöse ergeben wird. Sollten diese Steuern auch Verbrauchssteuern wie die Tabak-, Bier- oder Stromsteuer umfassen, würde das zumindest in einigen Branchen zu erheblichen Umstellungen führen.
Vor weitere Herausforderungen wird die Bilanzierungspraxis zukünftig bei der Abgrenzung zwischen Umsatzerlösen, sonstigen betrieblichen Erträgen und außerordentlichem Ertrag gestellt. So erläuterte Herr Dr. Freiberg, dass zukünftig wohl Erlöse aus dem Betreiben einer Betriebskantine, aber auch aus der Übernahme der Haftung für eine GmbH & Co. KG durch eine Komplementär-GmbH zu den Umsatzerlösen zu zählen seien. Kritisch hinterfragte Herr Dr. Freiberg hierbei, ob eine Erfassung von Erlösen aus dem Verkauf von Produkten oder Erbringungen von Dienstleistungen außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in den Umsatzerlösen der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entgegensteht.
Der Grad der Zielerreichung durch das BilRuG war Gegenstand der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen Thomas Blöink, Dr. Freiberg und Prof. Dr. Bernd Stibi. Die Teilnehmer verwiesen darauf, dass das BilRuG – anders als das BilMoG – nicht auf die „revolutionäre“ Adressierung von Grundsatzfragen ausgelegt war. Vielmehr seien die punktuell vorgenommenen Änderungen Teil einer evolutionären Weiterentwicklung der Rechnungslegung in Deutschland. Ob die Neuerungen zum Bürokratieabbau in der Rechnungslegung beigetragen haben, sei noch unklar. Die Kommission setze, so Herr Blöink, einen solchen Abbau weitgehend mit einer Reduktion der Informationspflichten gleich – dies führt aber bei gleichbleibender ökonomischer Komplexität nicht notwendigerweise zu einer benötigten Steigerung der Effizienz in der Bürokratie, wie Herr Dr. Freiberg anmerkte.
7. Wandel der Berichterstattung
Der Vortrag von Herrn Bastian Buck zum Thema „Berichterstattung – Mehr Transparenz = Mehr Wert?“ leitete den Themenkomplex ein. Eingangs stellte Herr Buck heraus, dass die nicht-finanzielle Berichterstattung, auch und insbesondere nach den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) unumgänglich geworden sei; schon lange gehöre sie zur gängigen Praxis großer Unternehmen. Die zunehmende ökonomische Bedeutung ginge mit der Weiterentwicklung der gängigen Berichtsformate einher. Der Trend ginge hierbei zur bewussten Fokussierung bestimmter Adressaten, die durch die Berichterstattung informiert werden sollen. Unterstützt werde die wachsende Verbreitung nicht-finanzieller Berichtsformate auch durch institutionelle Investoren, zum Beispiel durch die Berücksichtigung nicht-finanzieller Leistungsindikatoren (wie das Ranking im Dow Jones Sustainability Index) in der Vorstandsvergütung.
Die Frage, ob der wachsende Umfang der Berichterstattung auch mit mehr Wert verknüpft ist, stand ferner im Mittelpunkt der letzten Podiumsdiskussion zwischen Herrn Buck, Frau Andrea Bruckner, Frau Dr. Monika Streck und Herrn Christoph Dolderer mit dem Titel „Heterogenität der Unternehmenspublizität – Gefahr der Informationsüberflutung“, die von Prof. Dr. Patrick Velte moderiert wurde. Direkt aus der Unternehmenspraxis berichteten hierbei Herr Dolderer und Frau Dr. Streck von den Herausforderungen und Chancen der integrierten Berichterstattung. Die Teilnehmer verwiesen in diesem Zusammenhang auf die enge Verknüpfung der Berichterstattung mit strategischen Aspekten der Unternehmensführung. Daher sei die integrierte Berichterstattung auch langfristig für die interne Steuerung von Nutzen. Unter anderem stelle aber auch die zunehmende Fokussierung des Adressatenkreises der integrierten Berichterstattung die Prüfung vor neue Herausforderungen, wie Frau Bruckner anmerkte. Eine saubere Abgrenzung des integrierten Berichts beispielsweise vom Lagebericht sei notwendig, um die Erwartungslücke hinsichtlich der Abschlussprüfung nicht noch weiter auseinanderklaffen zu lassen. Zwar sei eine Überlappung einzelner Berichtsbestandteile der beiden Formate durchaus möglich, gleichzeitig seien sie aber unterschiedlichen Berichts- und Prüfungslogiken unterworfen.
8. Fazit
Rechnungslegung ist eine Konvention ihrer constituency. Die richtige Rechnungslegung ist und bleibt daher ein „moving target“ – Bilanzierung und Offenlegung müssen sich ständig ändernden ökonomischen Gegebenheiten anpassen, und dabei gleichzeitig für Ersteller, Prüfer und Nutzer praktikabel bleiben. Um hier sinnvolle Lösungen zu finden, bedarf es aktiver Diskussionen zwischen Bilanzierern, Prüfern, Regulierern und Aufsehern. Das Praxisforum hat hier einen wichtigen Beitrag zum Austausch geleistet.
Autor: Prof. Dr. Thorsten Sellhorn, Fakultät für Betriebswirtschaft, LMU München