Planen & Bauen 4.0

15.12.2016ImmobilienFuture Building, Bauwesen, DigitalisierungDas Handelsblatt Journal im Gespräch mit Dr. Jan Tulke

Im Februar 2015 wurde die „planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH“ gegründet. Sie versteht sich als Wegbereiterin bei der Einführung von Building Information Modeling (BIM), d.h. von digitalen Geschäftsprozessen in der Bauwirtschaft in Deutschland. Was hat die Initiative in den knapp zwei Jahren bisher erreicht – gemessen an ihren Zielen?


Dr. Tulke: Das größte Ziel, das wir erreicht haben ist, dass das Thema Digitalisierung nun auch im Bauwesen auf breiter Basis sowohl bei der öffentlichen Hand als auch in den Unternehmen und bei den Ausbildungsträgern im Bewusstsein ist. Vor zwei Jahren war der Begriff Building Information Modeling (BIM) als Synonym für eine digitalisierte Arbeitsweise im Bauwesen, obwohl international schon vielfach angewendet, in Deutschland nur wenigen Leuten ein Begriff. Zudem haben wir mit dem Stufenplan Digitales Planen und Bauen, den wir für das Ministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur von Minister Dobrindt entwickeln durften, bereits einen konkreten Fahrplan zur Einführung bis 2020 erstellt. Nun sind wir zusammen mit unseren Partnern mit dessen konkreter Umsetzung im Straßen- und Wasserstraßenbau anhand von weiteren Pilotprojekten beauftragt. Auch im Bereich der Bahn und des Hochbaus sind mittlerweile zahlreiche Pilotprojekte beschlossen. Darüber hinaus sind wir bereits stark in die Entwicklung von BIM Normen und Richtlinien involviert und vertreten die Deutschen Interessen auf internationaler Ebene.

Durch die Initiative werden die Bereiche Planen, Bauen und Betreiben mehr in Wertschöpfungsketten denken müssen, um die Prozesse entlang dieser Ketten zu optimieren. Wie würde das bereichsübergreifend konkret aussehen? Gibt es bereits Beispiele?

Dr. Tulke: Ziel ist es, das Wissen aller Projektbeteiligten in Form von Daten in einem Gesamtmodell zusammenzuführen und so möglichst frühzeitig ein tiefgreifendes Verständnis des geplanten Bauwerks sowie seiner Erstellungs- und Betriebsprozesse zu bekommen. Das Prinzip „zunächst digital und dann real bauen“ ermöglicht es Fachleuten aus allen Phasen der Wertschöpfungskette, von Anfang an Bauwerk und Prozesse zu optimieren und ihre eigenen Aspekte anderen Projektbeteiligten leicht verständlich zu machen. So können Fehler rechtzeitig vermieden bzw. aufgedeckt werden. Mittlerweile gibt es in vielen Projekten auch in Deutschland erste Erfahrungen, die auf einer zunehmenden Anzahl von Konferenzen und Fachtagungen zum Thema BIM vorgestellt und diskutiert werden.

Wie können Sie bei der Digitalisierung der Bauwirtschaft auch kleinere Unternehmen und Architekturbüros mitnehmen?

Dr. Tulke: Durch Informationen, eine klare Zielformulierung sowie die Vorgabe eines ausreichenden Zeitraums zu deren Erreichung werden gerade die kleinen Unternehmen dabei unterstützt, mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Hierzu gehört auch die Bereitstellung von Hilfsmitteln, Weiterbildungsangeboten und offenen Standards, die eine flexible Zusammenarbeit mit variierenden Projektpartnern ermöglichen.

Wie werden sich aus Ihrer Sicht die klassischen Rollen, Geschäftsmodelle und Aufgabenprofile verändern?

Dr. Tulke: Eine wichtige Rolle wird zukünftig die Gestaltung digitaler Geschäftsprozesse spielen. Das heißt, die Planung und kontinuierliche Optimierung reibungsfreier Informationsflüsse unter Ausschöpfung von Automatisierungspotentialen und der Einbettung von Qualitätsmanagementprozessen werden Kernkompetenzen von Unternehmen sein müssen. Hierzu gehört es auch, die projektbezogene Integration von internen und externen IT Systemen sicherzustellen. Die klassischen Fachdisziplinen werden dabei erhalten bleiben. Sie werden sich jedoch verstärkt digitaler Methoden bedienen und als Grundprinzip die Weiterverwendung der Modelldaten verfolgen, wodurch sich das alltägliche Arbeitsbild im Einzelnen durchaus erheblich verändern kann. Die bisherige Trennung von ingenieurtechnischen Arbeitsweisen (entwerfen, planen, simulieren, bemessen) und der Erstellung von Ausführungsunterlagen (Pläne, Tabellen, Dokumente) wird durch die verstärkte Nutzung des Modells eher in den Hintergrund treten.

Auch das Bauen überschreitet ja längst die nationalen Grenzen. Inwieweit wirkt denn Ihre Initiative über Deutschland hinaus?

Dr. Tulke: Wir sind mit entsprechenden Initiativen anderer Länder insbesondere im europäischen Raum direkt in Kontakt. In der Standardisierung, die seit einigen Jahren bereits vornehmlich auf internationaler Ebene stattfindet, arbeiten wir zudem eng mit weltweiten Fachleuten zusammen. Darüber hinaus beraten wir die EU BIM Task Group, einen Zusammenschluss der öffentlichen Bauherren aller europäischen Mitgliedsstaaten, mit dem Ziel, eine weitestgehend einheitliche Einführung im Europäischen Markt zu erreichen.

Was ist Ihre Vision für 2020?

Dr. Tulke: Dass sich unsere Branche geschlossen auf den Weg begeben hat, die Digitalisierung anzunehmen und daraus sowohl individuell als auch gemeinschaftlich Nutzen zieht. Wir werden 2020 noch nicht alles erreicht oder die Veränderungen abgeschlossen haben. Aber wir werden uns wahrscheinlich fragen, wie wir überhaupt jemals anders arbeiten konnten.
 

Dr. Jan Tulke

 

Dr. Jan Tulke
Geschäftsführer, planen-bauen 4.0 Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens
Bauens und Betreibens mbH
 


Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Immobilienwirtschaft“, das Sie hier erhalten können: http://veranstaltungen.handelsblatt.com/journal