Eckpfeiler der Investmentfondsbesteuerung werden über Bord geworfen
Mit anderen Worten: über viele Jahrzehnte bestehende Eckpfeiler der Investmentbesteuerung, nämlich dass die Fondsanlage nicht schlechter gestellt wird als die Direktanlage, dass Fonds daher steuerlich transparent sind und die Anlegerbesteuerung im Grundsatz an realisierte Erträge anknüpft, werden über Bord geworfen. Stattdessen unterliegen sie zukünftig einer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht und unter Umständen sogar der Gewerbesteuer. Für Spezial-Investmentfonds und deren institutionelle Anleger wird das bisherige transparente Besteuerungssystem – mit leichten Modifikationen – zwar beibehalten, aber auch für sie gelten die körperschaftsteuerlichen Regelungen, sofern sie nicht von einer eng begrenzten Transparenzoption Gebrauch machen können.
Als Begründung für diesen Paradigmenwechsel werden insbesondere angeführt:
- die Ausräumung von EU-rechtlichen Risiken (befürchtet werden ansonsten Steuererstattungsansprüche ausländischer Fonds in Milliardenhöhe),
- die Verhinderung von aggressiven Steuergestaltungen sowie
- die bessere Administrierbarkeit.
Vereinfachung bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen
Richtig ist natürlich, dass ein intransparentes System mit dem Wegfall von Bekanntmachungspflichten, Berufsträgerbescheinigungen, dem System der ausschüttungsgleichen Erträge auf der einen und der Einführung einer pauschalierten Anlegerbesteuerung auf der anderen Seite eine signifikante Vereinfachung und Entschlackung bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und bei der Administration bedeuten. Gleichzeitig ist aber zu konstatieren, dass das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Systemen für Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds wiederum einen erhöhten administrativen Aufwand darstellt, und zwar sowohl für Verwaltungsgesellschaften und depotführende Stellen als auch für Anleger, denn institutionelle Anleger investieren nicht zwingend und ausschließlich in Spezial-Investmentfonds.
Restrisiko EU-Widrigkeit auch im neuen System
Ob das derzeitige Investmentsteuerregime tatsächlich EU-widrig ist, ist keineswegs sicher und es gibt gute Argumente, dass es sogar EU-konform ist. Mit dem neuen System dürften zudem gleichartige Risiken geschaffen werden, denn die Privilegien des erweiterten steuerrechtlichen Spezialfondsregimes könnten z.B. als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit angesehen werden.
Gestaltungsanfälligkeit im bestehenden System weitgehend eliminiert
Auch die Gestaltungsanfälligkeit des derzeitigen Regimes dürfte weitgehend durch diverse Korrekturen von Gesetzgeber und Finanzverwaltung aus dem Weg geräumt sein, während das vorgeschlagene Regime neues Gestaltungspotential bieten wird.
Kleinanleger als Verlierer der Reform
Rechtspolitisch ist der Entwurf auch deshalb zu hinterfragen, da er zu Steuermehrbelastungen führen wird und dies, obwohl die große Koalition Steuererhöhungen ausdrücklich ausgeschlossen hat. Die Mehrbelastung werden auch nicht bzw. nur teilweise durch die vorgesehene Steuerfreistellung ausgeglichen. Von der Freistellung werden in der Regel nur Anleger profitieren, die mit ihren Kapitalerträgen oberhalb des Steuerfreibetrags liegen. Im Ergebnis treffen die Mehrbelastungen also vor allem Kleinanleger, die über Fonds zum Beispiel eine risikodiversifizierte private Altersvorsorge betreiben und dabei eben nicht auf eine Direktanlage ausweichen können. Fragwürdig ist dies vor allem auch deshalb, weil ein zentrales Element des Ertragsteuerrechts, nämlich das Realisationsprinzip, aufgegeben wird. Die ertragsunabhängige Pauschalisierung bedeutet eine Besteuerung unrealisierter Gewinne.
Nicht der große Wurf
Der Diskussionsentwurf beseitigt also nur rudimentär die im gegenwärtigen Investmentsteuerrecht bestehenden und benannten Problemfelder. Das Ziel einer großen und ganzheitlichen Reform, die alle Fondstypen gleichermaßen einbezieht und nicht einzelne Gattungen – Assetklassen bzw. Struktur abhängig – diskriminiert (benachteiligt werden u.a. langfristige Eigenkapitalinvestments), wird derzeit noch verfehlt. Es bleibt zu hoffen, dass der demnächst folgende Referentenentwurf Kritik und Anregungen der betroffenen Branche und deren Investoren aufgreift.
Autor: Frank Dornseifer ist Geschäftsführer Recht und Policy beim Bundesverband Alternative Investments e.V., Bonn. Zuvor war er als stellvertretender Referatsleiter bei der BaFin im Grundsatzreferat Investmentaufsicht tätig.