Jochen Schwill, Gründer und Geschäftsführer von Next Kraftwerke

Mitte Oktober 2018 hat die Bundesnetzagentur das Mischpreisverfahren (MPV) am Regelenergiemarkt eingeführt. Ziel des neuen Verfahrens ist es, sehr hohe Arbeitspreise in der Regelenergie zu verhindern.

Um mehr Wettbewerbsdruck auf die Arbeitspreise auszuüben, fließt im MPV daher neben dem Leistungspreis nun auch anteilig der Arbeitspreis bei der Erteilung des Zuschlages mit ein. In der praktischen Umsetzung zeigt sich, dass zwar die Arbeitspreise sinken, doch andere negative Effekte fressen dieses positive Ergebnis gänzlich auf.

Besonders bedenklich aus unserer Sicht ist, dass extreme Netzsituationen seit der Einführung des MPV deutlich zugenommen haben. Bis zur Einführung des MPV gab es im Jahr 2018 nicht eine Situation, in der mehr als 80 Prozent der verfügbaren Regelenergie abgerufen wurde. Seit Einführung des MPV kam dies bis Ende Januar 2019 bereits in 33 Viertelstunden vor. Das liegt daran, dass es im MPV für Energieversorger unter Umständen günstiger ist, Regelenergie zu aktivieren anstatt eigene Portfolioungleichgewichte über den Intraday-Handel auszugleichen. In der Folge wird mehr Regelenergie abgerufen, da Ungleichgewichte seltener durch kurzfristigen Handel beseitigt werden. Dies treibt auch die Kosten in die Höhe: Die Zunahme der Regelenergieabrufe und gestiegene Leistungspreise (um den Faktor 3,6) haben die  Gesamtkosten für den Regelleistungsmarkt nach unseren Berechnungen um 37 Prozent gesteigert. Eine Randnotiz: Durch die höheren Leistungspreise sind auch die Kosten für die Verbraucher gestiegen, da sie die Leistungspreise über die Netznutzungsentgelte zahlen.

Gleichzeitig haben Cleantech-Lösungen derzeit wenig Chancen, ihre Flexibilität im Regelenergiemarkt anzubieten und verlieren so Einnahmen. Der Grund: Sie zeichnen sich typischerweise durch relativ hohe Arbeits- und niedrige Leistungskosten (zum Beispiel gepoolte Biogas-Anlagen aber auch Demand-Side-Management-Lösungen) aus. Sie sind als „Peaker“, also Spitzenlastkraftwerke, innerhalb der Regelenergie ökonomisch effizient dazu geeignet in seltenen Situationen zu liefern. Fallen die Einnahmen mittelfristig weg, werden Investitionen in flexible Cleantech-Lösungen in Zukunft nicht mehr getätigt. Dies schwächt das wettbewerbliche Umfeld auf dem Regelenergiemarkt und führt zu einer weiteren Konzentration von Marktmacht auf konventioneller Seite. Das Marktdesign des MPV bevorzugt also CO2-intensive Energieträger, deren Ablösung das Ziel der Energiewende ist.

Ein System, das die Energiewende bremst, den Wettbewerb behindert, die Versorgungssicherheit schwächt und Mehrkosten für die Verbraucher bedeutet, halten wir für nicht akzeptabel – vor allem, weil es sich leicht korrigieren ließe. Doch dafür ist politischer Wille gefragt, den wir momentan leider nicht sehen.