Mehr Mut den Entscheidern

20.12.2018Personal & ManagementArbeitsumgebung, Arbeitsorganisation, ArbeitsweltenDie Arbeitsumgebung als Spiegel der Organisation

von Wilhelm Bauer & Udo-Ernst Haner


Die digitale Transformation prägt derzeit jede Diskussion über die Entwicklung der Arbeitswelt. Sie ist der Auslöser für die Neugestaltung von Prozessen und Schnittstellen in Unternehmen, der Ausgangspunkt für neue Produkte und Dienstleistungen und sie steht sinnbildlich für Geschwindigkeit, Wettbewerbs- und Veränderungsdruck in den Unternehmen und Organisationen.

 

Dieser technologische Fortschritt bedingt aber insbesondere auch die Veränderung der Arbeitsmittel, der Arbeitsprozesse und der Arbeitssysteme als Ganzes. Damit wird offensichtlich, dass die Wirkung dieser digitalen Transformationen nicht eine rein technologische ist, sondern besonders bedeutsam für die Menschen und ihre Arbeit ist. Die Tätigkeitsschwerpunkte der Menschen in den Unternehmen verändern sich und damit muss sich auch die gesamte Arbeitsorganisation und die Arbeitsumgebung wandeln.

Flexibles Arbeiten setzt sich durch. Flexible Arbeitszeiten bis hin zur Vertrauensarbeitszeit sind weit verbreitet, zeigt die aktuelle Studie „Flexible Arbeitszeiten – Arbeitszeitmodelle und Flexibilitätsanforderungen“ des Fraunhofer IAO. Neben der Vertrauensarbeitszeit ist auch der Vertrauensarbeitsort heute ein gelebtes Konzept in einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen. Damit arbeiten Teams zumindest zeitweise verteilt. Wie muss also Arbeit sinnvoll organisiert und wie die gemeinsam genutzte Arbeitsumgebung gestaltet sein, um die Mitarbeiter und die Unternehmen sowie ihre jeweiligen Ziele zu unterstützen.

Die Arbeitsumgebung eines Unternehmens ist ein Spiegel der jeweiligen Organisation. Genauso wie man beim Durchgang durch eine Produktionshalle die dort laufenden Prozesse im Prinzip „lesen“ kann, gelingt eine erste Einschätzung der Arbeitsprozesse und der Arbeitskultur beim Betrachten einer „Bürolandschaft“ und deren Nutzung in einem Unternehmen.

„ Die Tätigkeitsschwerpunkte der Menschen in den Unternehmen verändern sich und damit muss sich auch die gesamte Arbeitsorganisation und die Arbeitsumgebung wandeln.“

Das, was bisher jede Führungskraft bei der Begleitung einer BewerberIn durch die eigene Arbeitsumgebung vielleicht nur subjektiv empfindet, ist objektiv feststellbar: Ähnelt etwa die Bürolandschaft unabhängig von der konkreten Ausprägung eher einer Monokultur, dann hat diese Arbeitsumgebung eine andere (niedrigere) Wirkung und eine andere (niedrigere) Unterstützungsfunktion im Vergleich zu einer räumlich vielfältigen Arbeitsumgebung.

Wie die aktuelle Studie des Fraunhofer IAO zu „Wirksamen Büro- und Arbeitswelten“ zeigt, führt eine Bandbreite an Raumoptionen, die von Mitarbeitern flexibel genutzt werden können, zu einer signifikant besseren Unterstützung der Unternehmensziele. Darüber hinaus wird in einem solchen „Multispace“ die Zusammenarbeit in den Unternehmen stärker gelebt, es besteht ein höheres Ausmaß an Selbstbestimmung und auch die Arbeitgeberattraktivität ist deutlich positiver bewertet. Gerade auch bei flexiblen Arbeitsformen leistet die Arbeitsumgebung einen erheblichen Erfolgsbeitrag etwa durch Ermöglichung von (neuen Formen der) Zusammenarbeit, durch Unterstützung von Innovationsfähigkeit im Unternehmen und von Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Unternehmen sollten sich also nicht nur aus Gründen der Arbeitgeberattraktivität grundlegend mit ihrer gesamten Arbeitsorganisation und insbesondere auch mit dem internen Nutzwert und der Wirkung ihrer Arbeitsumgebung auseinandersetzen. Im konkreten Fall der Arbeitsumgebung gilt es zu analysieren, welche Anforderungen aufgrund der jeweiligen Arbeitsweisen und der jeweiligen Arbeitstypen (vgl. Studie „Office Analytics“ des Fraunhofer IAO) zu unterstützen sind. Erst eine solche Analyse ermöglicht eine spezifische und zielgerichtete Veränderung der Arbeitsumgebung.

Die Veränderung der Arbeitsorganisation als Ganzes ist jedoch komplexer als „nur“ die Veränderung der Arbeitsumgebung. Es müssen Aspekte der Führung, der Mitbestimmung, der Qualifizierung, der Informations- und Kommunikationstechnologie, der räumlichen Infrastruktur und viele andere Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden. Aber erst durch diesen gesamthaften Ansatz kann die Herausforderung der digitalen Transformation für die Arbeitsorganisation in den Unternehmen gelingen. Die hohe Komplexität der Aufgabe reduziert nicht ihre enorme Dringlichkeit. Dass diese Dringlichkeit von vielen gesehen wird, zeigt die Antworten auf die Fragen nach dem Modernisierungstempo der Arbeitsorganisation in deutschen Unternehmen aus der Studie „Wirksame Büro- und Arbeitswelten“. Mehr als 1000 Teilnehmer gaben nahezu einstimmig an, dass die Modernisierung der Arbeitsorganisation in den eigenen Unternehmen definitiv nicht zu schnell, sondern eher zu langsam läuft. Allein die obersten Entscheider unter den Teilnehmern der Befragung, also Unternehmens- und Geschäftsleitungen, finden das Tempo genau richtig. Dieses Ergebnis gibt zu denken und sollte den Entscheidern Mut machen, die zielgerichtete Modernisierung der Arbeitsorganisation schneller voranzutreiben.


ÜBER DIE AUTOREN


Prof. Dr. Wilhelm Bauer ist geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds Innovationsforschung und Technologiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg. An den Universitäten Stuttgart und Hannover ist er Lehrbeauftragter. Er erhielt die Ehrung des Landes Baden-Württemberg als »Übermorgenmacher«.


Udo-Ernst Haner ist Leiter des „Business Innovation Engineering Center“ und Mitglied des Institutslenkungsausschusses des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Transformation und Innovation von Unternehmen im Kontext des digitalen Wandels. Haner ist darüber hinaus Lehrbeauftragter für „Technology & Innovation Management“ an der Universität Stuttgart.

 

 

 

Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Immobilienwirtschaft“, das Sie hier erhalten können