Kreditprozesse der Zukunft 2016 - höher, schneller, weiter

02.08.2016FinanceKreditprozesse, Kredit, Kreditgeschäft, Banklizenz, Privatkundengeschäft, Konsumentenkreditgeschäft, Digital Natives, Kreditkunden, Wettbewerb der Geschwindigkeit erreicht Kreditgeschäft

Wettbewerb der Geschwindigkeit erreicht Kreditgeschäft

„Wir werden Kredite in Echtzeit anbieten“, kündigt Numbers26-Gründer Valentin Stalf im Juli 2016 an. Number26 bekommt eine eigene Banklizenz und ändert seinen Namen. Das Fintech-Start-up heißt künftig N26 und will nun auch im Kreditgeschäft mitmischen. Damit läutet das Unternehmen eine neue Runde im Geschwindigkeitswettbewerb im Kreditgeschäft ein.

Vorher waren es die Plattformen im Privatkundengeschäft wie smava und FinanzScout24 im Konsumentenkreditgeschäft sowie Interhyp und Europace im Baufinanzierungsgeschäft, die mit Fokus auf die Durchlaufzeit neue Maßstäbe gesetzt hatten. Sie reagierten auf die neue Erwartungshaltung der Kunden, insbes. der Generation der Digital Natives, die nicht mehr viel Geduld mit der Lieferzeit des gewählten Produkts haben. Daher investieren alle Internetunternehmen in die schnellere Auslieferung ihrer Produkte. Amazon bietet bereits heute die taggleiche Auslieferung in bestimmten Regionen an und will demnächst mit Drohnen die Liefergeschwindigkeit weiter erhöhen. Zalando hat angekündigt demnächst in 30 Minuten liefern zu können und testet die Schnelllieferung bereits in Berlin und Köln. Warum sollte man also auf einen Kredit länger warten wollen?

Dieser Rausch der Geschwindigkeit reduziert sich nicht nur auf das Privatkundengeschäft. Auch in der gewerblichen Finanzierung kommt Dynamik durch neue Player. Fintura, ein Vergleichsportal für Investitionskredite für den Mittelstand, wirbt mit einem Erstangebot inkl. Konditionenvergleich innerhalb von 15 Minuten und mit einer Zusage von der gewählten Partnerbank innerhalb von 72 Stunden.

Der Wettbewerb um den Kreditkunden und das Kreditgeschäft wird daher zukünftig nicht nur über die Konditionen ausgetragen, sondern auch über die Geschwindigkeit.

Was für FinTechs einfach ist, ist für Banken teuer

Die FinTechs profitieren von ihrem hohen Automatisierungsgrad, neues Geschäft wird vom Kunden im Rahmen des Self Servicing selbst eingegeben und weitestgehend vollelektronisch abgewickelt. Für Banken stellt diese Wettbewerbsanforderung jedoch eine weitaus größere Herausforderung dar. Sie sind vielmehr an ihre Öffnungs- und Servicezeiten gebunden und müssen teure Ressourcen für die Bearbeitung vorhalten. Die Erhöhung der Geschwindigkeits- und Verfügbarkeitsanforderung generiert hier einen erheblichen Investitions- und Kosten-druck. Dieser kommt jedoch zur Unzeit, geringere Margen im Kreditgeschäft und steigende Kosten aus der Regulatorik zwingen die Institute dazu zu sparen und Ressourcen und Investitionen vor allem auch im Kreditgeschäft zu reduzieren.

Digitalisierung entscheidet über Überlebensfähigkeit

Banken sind gezwungen, ihre Geschäfts- und Prozessmodelle weiter zu digitalisieren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Konkret bedeutet dies u.a. die Nutzung von Self Servicing, die Automatisierung ganzer Prozessstraßen, konsequente Papierlosigkeit und die Elektronisierung der der gesamten Kundenkommunikation. Der teure Produktionsfaktor Mensch sollte nur noch dort eingesetzt werden, wo er spürbare und damit echte Mehrwerte für den Kunden generiert (z.B. individuelle Beratung). Ferner müssen Steuerungsinstrumente wie Prozessteuerung und Kapazitätsmanagement weiter perfektioniert werden, um sicherzustellen, dass Reaktions- und Durchlaufzeiten eingehalten und Kapazitäten effektiv und ohne Leerkosten eingesetzt werden.

FinTechs: Nach dem Hype, ist vor dem Hype

Den Marktteilnehmern, die FinTechs für eine reine Moderescheinung gehalten haben, ist anzuraten, ihre Position zu überdenken. Die Marktbereinigung bei den FinTech-Unternehmen hat ohne Zweifel eingesetzt. So beobachten wir derzeit erste, auch namhafte Insolvenzen, viele Startups vermelden Schwierigkeiten in der zweiten und dritten Finanzierungsrunde und die Marktbewertungen populärer FinTechs sind deutlich zurückgekommen.

Wir sind auch eher verhalten optimistisch für den FinTech-Investment- und Zahlungsverkehr-Sektor, da hier die Margen und Volumina sehr niedrig, hingegen die Marken- und Vertrauensbildung und daher die Kundengewinnung sehr teuer sind. Zusätzlich können die Angebote von Banken recht schnell nachgeahmt werden (siehe paydirect, maxblue, VisualVest).

FinTechs im Kreditgeschäft hingegen profitieren von deutlich besseren Margen und großen Volumina. Sie profitieren insbesondere dort, wo Sie bestehende Nischen besetzen, die Banken nicht anbieten können oder wollen (z.B. auxmoney bei einkommensschwachen Privatpersonen oder seedmatch in der Gründungsfinanzierung) oder Plattformen mit schwer replizierbaren Mehrwerten durch Vergleichs- und Marktsondierungsfunktionen wie compeon oder Fintura.

Wer profitiert ist der Kunde: Er kann davon ausgehen, dass der Kreditmarkt trotz zunehmender Konsolidierung eine hohe Wettbewerbsintensität und -dynamik behält.

Dr. Ingo Kipker, Partner, Horváth & Partners Management Consultants, Düsseldorf