Welcher Moment löste in Ihnen den Wunsch aus, das Buch „Leben oder gelebt werden“ zu schreiben?
Das war Zufall. Ich habe im Jahr 2006 erste Gespräche mit einigen wenigen Menschen zum Thema einseitige Versöhnung geführt und erste, noch sehr kleine Veranstaltungen dazu durchgeführt. Plötzlich fragte mich jemand, ob ich ein Buch schreiben würde. Meine Antwort war: „Nein, das kann ich nicht. Und wen würde das interessieren?“ Ich wurde aber immer wieder dazu ermuntert. Nach mehrjähriger Arbeit und einigem Auf und Ab stellte ich dann mein erstes Buch fertig. Die Resonanz war völlig überwältigend. Niemals hätte ich geglaubt, dass Themen wie Lebensgestaltung und einseitige Versöhnung so viele Menschen bewegen.
Sie führen mit Ihrer Frau ein Unternehmen in der Automobilbranche. Warum haben Sie sich dazu entschieden, zusätzlich als Referent und Coach tätig zu werden?
Nach meinem ersten Buch wurde ich oft von Lesern und Teilnehmern meiner Veranstaltungen gefragt: „Herr Kohl, kann auch ich einseitige Versöhnung lernen und für mein Leben nutzen?“ Meine Antwort war: „Ja sicher, wenn ich (ein einstmals schier hoffnungsloser) Fall das kann, dann kann es fast jeder.“ „Aber wie?“ Also fühlte ich mich aufgerufen, meine Methode so darzustellen, dass sie in andere Leben und deren Umstände übertragbar ist.
Meine Arbeit als Referent und Coach gibt mir sehr viel, vor allem Kraft und Sinn. Es macht mir viel Freude, Menschen auf ihrem eigenen Weg zu mehr Lebensfreude und Frieden zu unterstützen. Meine These ist, dass Menschen, die ihren inneren Frieden haben, keinen Krieg machen und das halte ich für sehr wichtig, gerade auch in unserer Zeit.
Wie sehen Ihre Kernbotschaften zu dem Thema Lebensgestaltung aus?
Es gilt unser Leben aktiv zu gestalten, so wie ein Töpfer aus einem Klumpen Ton ein Gefäß formt. Ich denke, wir leben stets in drei Zeitzonen zugleich. In der Vergangenheit, denn in ihr wohnen unser Wissen, unsere Erfahrungen und unsere Überzeugungen. In der Zukunft, denn dort leben unsere Hoffnungen, unsere Erwartungen und unsere Sehnsüchte. Und schließlich in der Gegenwart, denn in ihr entscheiden und handeln wir.
Um Frieden mit unserer Vergangenheit zu finden, müssen wir unsere biographischen Wackersteine erkennen und befrieden bzw. versöhnen. Unsere Zukunft wird durch Sinn zur Kraftquelle. Im Sinn überwinden wir unsere Ängste vor dem Unbekannten und finden Kraft und Motivation. Wer sein ganz persönliches Wofür kennt, dem kann sehr viel gelingen. Auf diesem Weg stelle ich jedem Teilnehmer drei konkrete Fragen: „Was heißt Glück für Dich und was macht dich glücklich?“ Zweitens: „welche biographischen Wackersteine trägst du mit dir rum?“ und schließlich „wie kannst du das, was bisher ein Wackerstein war, durch eine neue Antwort, eine neue Betrachtung von einem Kraftfresser zu einer Kraftquelle wandeln?“.
In diesem Ansatz sehe ich unsere Chance zu einer aktiven Lebensgestaltung. Wer kennt das nicht: Lackschäden im Leben, Auffahrunfälle, Probleme, Scheitern. Okay, das gehört auch dazu, aber das soll uns nicht daran hindern, offen nach vorne zu schauen und mit neuen Antworten unser Leben konstruktiv in die Hand zu nehmen.
Was genau kann man sich unter dem Begriff Kraftquelle vorstellen?
Eine Kraftquelle ist wie eine Solaranlage des Herzen, sie schenkt uns Energie, Ausdauer und Sinn. Die wichtigsten Kraftquellen sind meiner Meinung nach innerer Friede mit der eigenen Vergangenheit und eigener Sinn für die Zukunft, also unser Wofür für unser Tun. Wenn wir diese haben, dann werden sich Kraft, Lebensfreude und somit Erfolg in der Gegenwart fast automatisch einstellen. Wobei für mich Erfolg eine gesamtheitliche Bedeutung hat, er also alle Lebensbereiche umfassen sollte, beruflich, privat, unsere Beziehungen zu uns selbst und anderen Menschen.
Mit Ihren Büchern und Vorträgen sprechen Sie viele Menschen als Privatpersonen an und haben ein großes Publikum. Nun bieten Sie zusätzlich Vorträge und Seminare für Führungskräfte an. Was können wir uns darunter vorstellen?
Ich wende mich an Menschen aus allen Schichten, die neue Antworten auf alte Belastungen und somit inneren Frieden und Sinn suchen. Führungskräfte sind vor allem Menschen und keine abstrakten, betriebswirtschaftlichen Neutren. Das wird leider manchmal vergessen. Gerade Führungskräfte müssen als Entscheider viele berufliche Anforderungen meistern, Widerstände überwinden und gleichzeitig Zeit und Ruhe für ihr Privatleben finden. Sie müssen im Beruf kraftvoll gestalten, verantwortungsbewusst führen, andere motivieren. Sie stehen vorne, sie geben. Doch wo finden Führungskräfte Kraftquellen für sich? Wie gehen sie mit Fremdbestimmung um? Wie gewinnen sie mehr Lebensfreude – Freude am Arbeiten und Sinn am Tun? Was heißt Glück für sie ganz speziell? Und wie können sie alte „Kraftfresser“ in neue „Kraftquellen“, in neue, positive Energie wandeln? Führungskräfte stehen hier vor besonderen Herausforderungen und hier setze ich an.
Worin sehen Sie die häufigsten Probleme von Führungskräften?
Eine große Herausforderung besteht in der Entwicklung eines authentischen, mit Autorität ausgestatteten Führungsverhalten. Oft werden Autorität und autoritär verwechselt. Autorität ist eine Kraft, die von Innen kommt, die Fähigkeit, in der Sache wie auch im Team zu führen und somit Ziele zu erreichen. Autoritäres Gebaren wirkt durch Angst, durch Verunsicherung anderer und Manipulation.
Woraus schöpfen Sie persönlich neue Kraft?
Aus meinem inneren Frieden mit meiner Biographie und meinem Sinn. Mein Vorbild Viktor Frankl sagt, dass wir Sinn in zweierlei Weise finden können: durch die Liebe zu einem Menschen und / oder die Hingabe zu einer Sache. Ich bin mit Liebe in meinem Leben reich beschenkt, vor allem durch meine Frau und ich habe das Glück Dinge tun zu dürfen, die mir viel Sinn schenken. Das macht mich reich und dankbar.
Walter Kohl, geb. 1963, studierte Geschichte und Volkswirtschaft in Harvard und Wien sowie Business Administration in INSEAD. Nach Tätigkeiten im Investment Banking in New York arbeitete er mehr als zehn Jahre als Manager in deutschen Großunternehmen. Seit 2005 führt er als Unternehmer gemeinsam mit seiner Frau einen deutschkoreanischen Zulieferer für die Automobilindustrie. In seiner existenziellen Lebenskrise 2001 entdeckte er für sich neue Kraft und inneren Frieden durch den Weg der Versöhnung. Es ist sein Herzensanliegen, andere Menschen auf ihrem Weg zu mehr Lebensfreude und zu einem selbst gestalteten Leben zu unterstützen. Seit 2011 ist er als Referent und Coach tätig. Walter Kohl ist Autor des Bestsellers "Leben oder gelebt werden" (2011) und des Praxisbuches "Leben was du fühlst" (2013). In Zusammenarbeit mit Pater Anselm Grün schrieb er das Buch "Was uns wirklich trägt", welches im September 2014 erschien.
