Wie definieren Sie für sich Innovation im allgemeinen und insbesondere für die Immobilienwirtschaft? Woher glauben Sie, entstammt der Wunsch nach neuen Ideen und Impulsen – und wo bleiben die geforderten disruptiven Veränderungen?
Innovationen sind letztlich alle jene Neuerungen, die sich an Märkten durchsetzen konnten. Dies können neue Produkte oder Dienstleistungen aber auch Prozesse oder ganze Geschäftsformen sein. Die Immobilienwirtschaft ist in ihrer weiten Abgrenzung die wohl größte Branche einer Volkswirtschaft, viele Neuerungen lassen sich nicht patentieren und werden zudem häufig in Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen erzeugt. Das macht die Messung so schwierig. Es können letztlich neue Bauelemente sein, neue Energieeinsparmaßnahmen aber auch neue Organisationsformen und verbesserte Risikosteuerungstools.
Märkte schreien regelrecht nach Innovationen, denn diese versprechen wenigstens für kurze Zeit Extrarenditen. Dies gilt nicht nur für die Immobilienwirtschaft. Allerdings gilt es vielleicht heute mehr als früher für die Immobilienwirtschaft, weil die heute erhöhte Transparenz den Wettbewerbsdruck erhöht hat und damit auch die Notwendigkeit, sich durch Neuerungen Profil zu geben. Die Disruptionen -also die besonders tiefgreifenden Veränderungen, wünschen sich gar nicht so viele, denn sie bedeuten immer auch das Ende bestehender Geschäftsfelder.
Es gibt die These, dass nun nach dem digitalen Wandel in der Konsumgüterindustrie nun auch die Finanzindustrie Ihre Produkte und Dienstleistungen den Anforderungen des Internetzeitalters anpassen muss. Davon ist dann auch die Immobilienwirtschaft indirekt und direkt betroffen. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Wir befinden uns ja bereits mitten in dieser Entwicklung. Die meisten Mieter und viele private Immobilienkäufer suchen online nach Traumobjekten. Der Online-Handel schneidet tief in das Geschäft der Einzelhandelsimmobilienvermieter und –entwickler ein und stimuliert gleichzeitig den Bedarf an Logistikflächen. Schließlich ermöglichen die neuen Technologien auch, dass wir anders arbeiten als vor 30 Jahren, dann benötigen wir auch andere Büroflächen und womöglich auch andere Wohnungen. Dass diese Entwicklungen wohl noch lange nicht abgeschlossen sind, dürfte jeder begreifen, der das Kommunikationsverhalten der 20-Jährigen mit dem der heute 50-Jährigen vergleicht.
Wird der digitale Wandel die Geschäftsmodelle der Immobilienwirtschaft nachhaltig verändern? Stichwort Crowdfunding? Stichwort neue Finanzierungsmodelle? Stichwort vernetztes Wohnen? Wie muss sich die deutsche Immobilienbranche hier in Zukunft aufstellen?
Hier einen gemeinsamen Nenner zu geben, ist gar nicht einfach. Diese Beispiele zeigen für mich freilich eindrucksvoll zwei Dinge: Erstens, es gibt sehr viele Entwicklungsstränge zwischen der Online-Welt und der Immobilienwelt, die weit jenseits von der Darstellung und Vermarktung liegen. Zweitens, auch wenn einige Entwicklungen die Welt ändern, so tun sie dies nicht zwingend disruptiv. Crowdfunding ist letztlich eine andere Art, Risiken über viele Personen zu verteilen. Das gab es mit Fonds und Aktien letztlich auch schon dem Grunde nach in ähnlicher Form.
Wie bereiten Sie ganz konkret den Nachwuchs auf die oben genannten Entwicklungen vor?
Das ist gar nicht einfach, da wir in vielen Punkten eher vom Nachwuchs lernen müssten. Wir haben dies beispielsweise durch die Entwicklung eines neuen Online-Kurses zum Thema „Financial Modelling“ probiert. Natürlich diskutieren wir die Entwicklungen zum Handel oder zum Wohnen auch sehr interaktiv in unseren Kursen. Hier geht es häufig eher darum, dass die Studierenden verstehen, dass es wichtig ist, in Szenarien zu denken und dass sich solche Trends nicht vollständig planen lassen.
Treffen Sie Herrn Prof. Just auf der Cimmit 2014 : „Immobilienprofis sind Menschen, keine Statistiker – ist das gut so?”
Das Interview mit dem Vorsitzendem der Cimmit 2014 Prof. Tobias Just, IREBS, führte Nelli Hajdu, EUROFORUM