– In der digitalen Welt etwas scheinbar Anachronistisches. Ist es aber nicht, es ist Ausdruck der Sehnsucht nach dem Einfachen, dem Über- und Durchschaubaren, der zu bewältigenden Aufgabe. In einer immer volatiler, komplexer und komplizierter erscheinenden Welt benötigt unser Gehirn dieses Gefühl zur Beruhigung.
Ob wir uns entspannt oder gestresst fühlen, ist im Wesentlichen davon abhängig, ob wir das Gefühl haben, belastende Situationen bewältigen zu können. Entweder wir glauben daran, selbst zur Linderung unseres akuten Leids beitragen und unser Problem eigenständig (oder mit der Hilfe anderer) lösen zu können, oder wir glauben eben nicht daran. Zynismus, Jammern, Resignation und Pessimismus sind direkte Folgen der inneren Überzeugung, ein Problem nicht bewältigen zu können. Ob wir Stress also als kontrollierbar oder unkontrollierbar empfinden, hängt demnach von unseren subjektiven Lebenserfahrungen ab. Wir sollten von jenen lernen, die sich nicht oder nur selten als Opfer fühlen und bei Problemen selbst zu handeln beginnen, um ihr eigenes Wohlbefinden positiv zu beeinflussen. Solche Menschen haben bei ihren ersten Versuchen meist eine wichtige Lebenserfahrung gemacht: Nicht jeder Versuch gelingt. Das zu akzeptieren ist der Schlüssel zum Erfolg, weil das Handeln an sich mindestens so wichtig ist wie der Erfolg des Vorhabens.
Die Digitalisierung unserer Welt ist für viele Menschen ein Segen, trotz Multitasking und Dauerablenkung. Undenkbar, dass wir noch vor wenigen Jahren zur Informationssuche und -übermittlung Stunden und Tage benötigt haben. Wir sind durch die technischen Innovationen der letzten Jahrzehnte schneller geworden. Die Flut leicht verfügbarer Informationen, die uns aus allen möglichen Geräten entgegenschwappt, entspricht allerdings einer Umgebung, die unsere Vorfahren aus Sicherheitsgründen gemieden hätten. Die digitale Welt der permanenten Ablenkungen und des Multitasking stresst und kann auf Dauer krank machen. Wir beginnen dadurch unseren Alltag als beschleunigt wahrzunehmen. Biologisch sind wir auf so eine Situation bestens vorbereitet, wir werden dadurch sensibler für Negatives und Bedrohliches und beginnen, Situationen sehr einseitig zu beurteilen. Das kann dazu führen, dass man beispielsweise nach einem Urlaub nur mehr zwei Dinge in Erinnerung behält: Es hat zweimal geregnet und das Hotelzimmer war am Anreisetag nicht rechtzeitig bezugsfertig. Vergessen wurde, dass Flug, Wetter, Ausflüge und Abschlussabend perfekt waren. Das mündet in einer weiteren Verstärkung des Problems. Ein Teufelskreis, der in einer generell zunehmenden Dramatisierungs- und Jammerkultur sichtbar wird. Warum Muße – das absolute Gegenteil von Multitasking – so wichtig ist, wissen wir, seit das sogenannte „Ruhe- oder Tagträumer-Netzwerk“ in unserem Gehirn entdeckt wurde: Es ist inaktiv, wenn wir uns mit etwas beschäftigen, oder uns digital berieseln und wird nur dann aktiv, wenn unsere Gedanken ziellos zu schweifen beginnen. Wenn wir innerlich los lassen, sinnieren und reflektieren. Und nur dann können wir uns selbst hinterfragen, werden kreativ und gewinnen gesunden Abstand zu unserer eigenen Wahrnehmungswelt. Stress und innere Getriebenheit verhindern also die Aktivierung dieses wichtigen Netzwerks in unserem Gehirn, was dazu führt, dass wir in einem „ToDo-Listen Abhakmodus“ verharren und (nur mehr) „funktionieren“. Das mag den getriebenen Chef freuen, den Arzt und Therapeuten aufgrund möglicher gesundheitlicher Konsequenzen eher nicht.
Mein Tipp: zweimal täglich für 10 Minuten Tagträumen!
Dr. Bernd Hufnagl
Geschäftsführer
Benefit GmbH
Dieser Artikel ist Teil des Handelsblatt Journals „Cybersecurity und Datenschutz“, das Sie sich hier kostenlos herunterladen können.