Die Eigenmarke im Schnellcheck – Schwerpunkt „Food“

Im aktuellen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel fahren Discounter und Vollsortimenter Ihre Krallen aus. Und ganz im Stillen haben alle Unternehmen einen margenstarken Trumpf in der Tasche: Handelsmarken sind gerade in kritischen Zeiten wieder auf dem Vormarsch. Real punktet mit ganz neuer Hausmarke ohne Namen. Rewe fährt mehrgleisig – im tief-, mittel-, und hochpreisigen Segment. Deshalb ist es an der Zeit, mal nachzufragen, bei einem der es wissen muss: Günther Nessel, Retailors GmbH:

Die Eigenmarke im Schnellcheck – Schwerpunkt „Food“ | Handelsmarken

Herr Nessel, das Thema Eigenmarke hat insbesondere im Food-Bereich Hochkonjunktur. Fast jeder Händler führt Eigenmarken – Welche Herausforderung stellt sich den Händlern bei der Einführung von Eigenmarken insbesondere in Deutschland?

Die Antwort ist relativ einfach zu geben: gut geführte Eigenmarken sind heute deutlich schwieriger zu generieren als noch vor zehn Jahren. In Zeiten der reinen Me-too-Marke galt es lediglich, sich einen der Top-3 Markenartikel der jeweiligen Kategorie zum Vorbild zu nehmen und „irgendwie“ genauso auszusehen. Doch das ist lange vorbei.

Der Verbraucher ist anspruchsvoller geworden. So wie die Retailbrands Edeka, Rewe, Lidl oder Aldi nur für ganz bestimmte Werte stehen, soll die Eigenmarke nun ihren entsprechenden Beitrag zur ganzheitlichen Wahrnehmung leisten. All dies bedarf eines profunden und strategischen Eigenmarken-Managements und dafür haben sich die Händler heute mehr denn je besser, aber auch komplexer aufgestellt.

Können auch hier die Handelsmarkenhändler & -hersteller noch etwas in der Vermarktung lernen? Gemeinhin gibt es ja kaum Kampagnen rund um Eigenmarken...

Das stimmt so nicht. Gerade in den letzten 2 Jahren erleben wir, dass nahezu alle Händler neben den Beilagen und Tageszeitungsanzeigen auch das Thema TV entsprechend nutzen. Und hier machen sie einen exzellenten Job. Explizit muss man hier die beiden Vollsortimenter Rewe und Edeka erwähnen. Aber auch Lidl macht für seine neue Italienmarke oder auch die Premiummarke Deluxe einen ganz hervorragenden Job.

Handelt es sich bei unserem hiesigen Eigenmarkengeschäft vor allem um ein „Me-Too“ – Geschäft? Oder werden wir in einigen Jahren auch in Deutschland „tesco-ähnliche“ Zustände haben?

Hier muss man – wie bereits unter dem ersten Absatz erwähnt – der Me-too-Strategie  eine klare Absage erteilen. Und sie wird - bis auf ganz wenige Ausnahmen – auch eigentlich nicht mehr verfolgt. Aber auch „tesco-ähnliche“ Zustände sind aktuell nicht erstrebenswert, denn gerade dieser ehemalige Vorzeigehändler in UK schwächelt wie die meisten anderen zwischenzeitlich dort auch. Vorbild ist dort mittlerweile der Retailor Waitrose.

Und vor allen Dingen: wir hier in Deutschland müssen uns nicht mehr hinter UK oder NL verstecken.  Wir haben nicht nur gelernt und aufgeholt, sondern wir werden erleben, dass in den nächsten Jahren viele aus dem Ausland auch nach Deutschland kommen, um hier zu staunen, was Eigenmarken-Inszenierung kann, aber auch muss.

Wie kommt es dass, dass der Konsument Eigenmarken im Nonfood-Bereich kaum wahrnimmt? Sind wir bei Lebensmitteln markenaffiner?

Das muss man eindeutig mit „Ja“ bezeichnen. Zum einen geht es um „Lebens“-Mittel und zum anderen um einen Markt, in dem sich Anbieter seit deutlich über 100 Jahren durch Marken differenziert haben.

Wie wird es mit dem Eigenmarkengeschäft im Lebensmittelbereich weitergehen?

Dazu muss man kein Hellseher sein, um zu erkennen, wo die Reise hingeht:

  1. die Markeninszenierung wird immer liebevoller und emotionaler
  2. die Differenzierung im jeweils eigenen Sortiment der Eigenmarke (z.B. Molkereiprodukte) wird sich immer deutlicher von dem der Wettbewerber unterscheiden
  3. die Wahrnehmungen zwischen Vollsortimenter und Discount werden verschwimmen, da die Discounter alleine über den Preis nicht mehr weiter kommen
  4. der Einsatz von Kommunikation (online wie offline) wird sich verstärken
  5. Verbraucher werden die Retailbrands in Zukunft verstärkt unterscheiden zwischen Lebensmittel-„Versorgern“ und Lebensmittel-„Liebhaber“ – und damit ist nicht nur Edeka gemeint

Generell werden wir in den nächsten fünf Jahren mit Sicherheit viele neue Facetten des Lebensmitteleinkaufs online wie offline, stationär oder direkt ins Haus geliefert kennenlernen. Selten war es rund um Lebensmittel so kreativ wie in der Zeit, in der wir gerade jetzt leben!

Danke Ihnen für das Interview!

Interviewpartner: Günther Nessel, Geschäftsführer, Retailors GmbH, Offenbach

Das Interview führet Nelli Hajdu, Konferenz Managerin EUROFORUM | Nelli Hajdu auf XING