Was macht eigentlich ein Gesundheitsökonom?

Ein Gesundheitsökonom überblickt das Zusammenwirken von Ärzten, Kassen, Krankenhäusern und Industrie und weiß, wie sich das Gesundheitssystem finanziert und Leistungen vergütet werden. Er ist über das Gesundheitsprogramm der neuen Bundesregierung informiert und weiß, wie das Management in Gesundheitseinrichtungen "tickt".  Wir haben unsere Referentin Eva Walzik von der DAK Fragen nach aktuellen Themen der Gesundheitsökonomie gestellt.

 

Was treibt Gesundheitsökonomen an? | Experteninterview

Was treibt Gesundheitsökonomen Ihrer Meinung nach im Moment am meisten an?

Ganz allgemein geht es nach wie vor um die spannenden Kernfragen der Gesundheitsökonomie:

  • Wie setzt man im Gesundheitssystem die knappen finanziellen Ressourcen verantwortbar und gerecht ein?

  • Wie sichert man allen Patienten den Zugang zu den Angeboten des Gesundheitswesens?

  • Wie sollen die Ressourcen innerhalb des Gesundheitswesens verteilt werden?

  • Welche ökonomischen Konsequenzen haben bestimmte politische oder medizinische Entscheidungen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss der medizinische und ökonomische Nutzen präventiver, diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen bewertet werden. Eine große Herausforderung!

Womit beschäftigen Sie sich derzeit besonders?

Ganz konkret beschäftigen wir bei uns zurzeit u. a. mit folgenden Fragen: Wie kann bei der anstehenden Wiedereinführung prozentualer Beitragsätze in der gesetzlichen Krankenversicherung der im Koalitionsvertrag vereinbarte vollständige Einkommensausgleich realisiert werden? Wie kann eine Wettbewerbsordnung innerhalb des Sozialgesetzbuches geschaffen werden und wie sollte sie konkret ausgestaltet sein?

Welche Auswirkungen haben die Pläne der Bundesregierung auf die Gesundheitsindustrie?

Mit dem Koalitionsvertrag 2013 wurden im gesundheitspolitischen Abschnitt an überaus vielen Stellen Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen vereinbart. So soll z. B. die sektorübergreifende Qualitätssicherung mit Routinedaten ausgebaut und ein Institut gegründet werden, das dauerhaft und unabhängig die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung ermitteln soll.

Das wird auch Folgen für die Industrie haben. Ob pharmazeutische Unternehmen oder Hersteller von Medizinprodukten, sie alle müssen sich darauf gefasst machen, dass die Wirksamkeit und Qualität der erbrachten Leistungen immer wichtiger werden.

Richtschnur ist nämlich, dass Maßnahmen und Produkte, deren Nutzen nicht nachgewiesen ist oder bei denen der Nutzen in einem ungünstigen Verhältnis zum Risiko steht, nicht in den Leistungskatalog einer solidarisch finanzierten Krankenversicherung gehören. Dies liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse der Beitragszahler und Patienten.

Worauf können die Teilnehmer im Seminar "Der zertifizierte Gesundheitsökonom" bei Ihnen schon besonders gespannt sein?

In meiner Seminareinheit wird es um das Versorgungsmanagement von Krankenkassen gehen. Ein ungeheuer spannendes Thema! Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem hat das Versorgungsmanagement als einen „der wesentlichen – und wenigen – Treiber“ genannt, mit dem die Effizienz im Gesundheitswesen erhöht werden könne. Und in der Tat steckt hier erhebliches Potential.

Dabei sind zwei Entwicklungen zu berücksichtigen: zum einen die steigende Zahl chronisch kranker, multimorbider Patienten und zum anderen die zunehmende Spezialisierung in der Medizin. Zwar führte die Spezialisierung zu mehr Produktivität und Qualität der isolierten Interventionen, aber gleichzeitig rückte die Notwendigkeit der Koordinierung komplexer Versorgungszusammenhänge in den Hintergrund.

Mit einem aktiven Versorgungsmanagement wird nun jedoch konsequent die Perspektive auf die Patienten und ihre Bedürfnisse gelenkt. Damit gewinnt teamorientiertes Handeln sämtlicher an der Versorgung beteiligter Akteure und der Aufbau von Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen innerhalb und zwischen den Sektoren zunehmend an Bedeutung. Spannend, weil hier im Moment viel in Bewegung ist!

 

Autorin: Eva Walzik, DAK-Gesundheit, Leiterin des Berliner Büros

Das Interview führte Ricarda Wagner, Konferenz Managerin EUROFORUM