Die Strommärkte unterliegen einem stetigen Wandel
Zu Beginn standen die zukünftigen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen im Fokus. Schnell wurde deutlich, dass sich der kontinuierliche Wandel der Strommärkte fortsetzen wird. Wie im Rahmen der Konferenz noch vermutet, wurde am 23. Juni 2016, und somit noch vor der politischen Sommerpause, das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes vom Bundestag verabschiedet. Nicht alle Inhalte des Weißbuchs haben es in diese Version des Gesetzentwurfs geschafft. Insbesondere die Neuregelung der Netzentgeltermittlung als häufig kritisiertes Flexibilitäts-Hemmnis wird aufgrund der verteilungspolitischen Brisanz bisher nicht berücksichtigt und weiterhin für Diskussionen sorgen. Allgemein positiv aufgenommen werden hingegen die Festlegungsverfahren zur Weiterentwicklung der Sekundär- und Minutenreserve. Insbesondere die Entwicklung hin zu kürzeren Produktzeitscheiben und kalendertäglichen Ausschreibungen sorgt für eine höhere kurzfristige und marktübergreifende Planungssicherheit.
Die europäischen Flexibilitätsmärkte werden zunehmend harmonisiert
Auf europäischer Ebene ist die Electricity Balancing Guideline (EBG), im Kern eine grenzüberschreitende Harmonisierung der Regelleistungs- und Spotmärkte, das bestimmende Thema. Mittel- bis langfristig wird der Rahmen des Marktdesigns von der EBG vorgegeben werden. Eine Einführung reiner Arbeitsmärkte ohne Leistungspreisvergütung ist ein realistisches Szenario, das einen Gegensatz zum aktuellen deutschen Modell darstellt. Das entsprechende Komitologieverfahren soll noch in diesem Monat starten.
Bei der anschließenden Diskussion über die zukünftige Entwicklung des Regelleistungsbedarfs kam es zur Reminiszenz an Talebs „Der schwarze Schwan“ und es wurde wahrheitsgemäß mit „wir wissen es einfach nicht“ geantwortet. Nicht etwa aus Unkenntnis, sondern als unverblümte Wiedergabe der schwierigen Prognostizierbarkeit eines Marktes, der im Spannungsfeld zwischen politischen, technischen und wetterbedingten Unwägbarkeiten fluktuiert.
Marktübergreifende, intelligent abgestimmte Vermarktung bestimmt zukünftig das Bild
Im weiteren Verlauf der Konferenz kamen jene zu Wort, die aktiv an den Flexibilitätsmärkten partizipieren. Grundsätzlich wird eine Verlagerung des Marktvolumens kurzfristiger Flexibilitäten von den Regelleistungsmärkten hin zum Intraday-Handel beobachtet. Mit Einführung der Viertelstunden-Auktion im Dezember 2014 und der Verkürzung der Gate Closure auf 30 Minuten vor Lieferung hat sich dieser Effekt weiter verstärkt. Der auf einen einzelnen Markt beschränkte Business Case, so der allgemeine Konsens, ist nur noch schwer wirtschaftlich darzustellen. Marktübergreifende, intelligent abgestimmte Handelsaktivitäten werden zukünftig das Bild bestimmen und für eine wirtschaftliche Vermarktung zunehmend wichtig.
In den Vorträgen der Referenten und ebenso während der zahlreichen Möglichkeiten zum persönlichen Austausch wurde deutlich: Trotz aller Unsicherheiten und Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, ist sowohl die berufliche als auch die individuelle Überzeugung von der Energiewende groß und an ihrer Umsetzung wird branchenübergreifend mit Nachdruck gearbeitet. So wurden auch spannende, aussichtsreiche Lösungsansätze und Initiativen referiert, die teils noch keine wirtschaftliche Basis haben, aber die Grundpfeiler für die Energielandschaft von Morgen legen. Wie ein Referent in diesem Zusammenhang treffend formulierte: “Umwege führen zu besserer Ortskenntnis“. Diese wird in Anbetracht des ambitionierten Ziels von 80 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix im Jahr 2050 definitiv benötigt.
Zum Abschluss wurde sich eines Konzeptes aus Hollywood bedient und die Konferenz mit einem „Cliffhanger“ beendet. Die Auswirkungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes werden erst im Jubiläumsjahr bekannt sein, wenn die Konferenz 2017 in Berlin zum 10. Mal stattfindet.
Autor: Jürgen Sestendrup