Erfolg ist ein Türöffner

28.11.2017Auto & ProduktionNico Rosberg, Formel 1, WeltmeisterDie Handelsblatt Redaktion im Gespräch mit dem amtierenden Weltmeister Nico Rosberg

Herr Rosberg, Sie sind mit 31 Jahren Formel 1 Weltmeister geworden. Wie fühlt es sich an, so jung einen so tollen Erfolg gehabt zu haben?

Nico Rosberg: Ich kenne es nur so und kann nicht sagen, wie es anders wäre, aber es war genial und sehr emotional. Ich habe es geschafft. Es hat viel Kraft gekostet, aber es war Wahnsinn. Es war toll, diesen Erfolg mit allen zu teilen, mit der Familie, dem Team und Freunden. Der Titel hat einen wahnsinnigen Einfluss auf das weitere Leben. Dieser Erfolg ist ein Türöffner und sehr wertvoll für meinen weiteren Weg.

Sie haben mit Ihrer Entscheidung, nach dem WM-Titel aufzuhören, viele überrascht. Ist dieser Schritt gereift oder war es eine spontane Entscheidung?

Nico Rosberg: Die Entscheidung ist gereift. Gegen Ende der Saison war ich in der Meisterschaft so weit vorne, dass die Entscheidung in meiner Hand lag.
Da wurde es auf einmal realistisch, dass ich den Titel gewinnen kann und dann kam mir der Gedanke, nach der Saison aufzuhören. Ich habe mein ganzes Leben mit Hingabe dafür gearbeitet, mir meinen Kindheitstraum, meine Mission zu erfüllen. Ich fahre Autorennen um Weltmeister zu werden. Das war schon immer meine Inspiration. Dann kam der Gedanke auf: es ist perfekt, wenn ich gewinne, dann ist es das schönste Ende für meine sportliche Karriere und das beste Sprungbrett um in das neue Leben zu starten. Es war ja absehbar, dass das Ende kommt, der Sport ist nicht für die Ewigkeit und so habe ich mich entschieden und es dann durchgezogen. Einfach war es nicht. Es bedeutet natürlich einen kompletten Lebenswandel, auch eine gewisse Unsicherheit. Aber ich bin meinem Herzen gefolgt.

Sicherlich ist es eine Umstellung von dem zeitlich und körperlich sehr anstrengenden Job als Rennfahrer zum Familienvater. Haben Sie sich erst eine Auszeit genommen oder haben Sie direkt neue Herausforderungen und Ziele gesucht?

Nico Rosberg: Zunächst bin ich einen Monat um die Welt gereist und habe gefeiert! Das war anstrengender als die ganze Saison. Aber dann habe ich mir eine komplette Auszeit für die Familie genommen und es sehr genossen. Endlich war ich Herr über meine Zeit – eine wunderbare Freiheit. Nichts desto trotz bin ich ein Wettkampftier, suche neue Herausforderungen und gehe neuen Leidenschaften nach. Ein ganz spannendes Feld für mich ist die Start-up-Welt. Die hat mich schon immer interessiert, vor allem im Bereich der Mobilität, wo durch die Disruption vieles auf den Kopf gestellt wird. Ich glaube, dass die Entwicklung, die von statten geht das Leben nicht nur verändern, sondern verbessern wird. Und da gibt es viele Möglichkeiten sich einzubringen. Ich bin z.B. als Investor tätig, habe eine inspirierende Silicon-Valley-Reise gemacht, und informiere mich laufend. Natürlich werde ich auch dem Rennsport erhalten bleiben. In Suzuka bin ich zum Beispiel das erste Mal als Experte im Fernsehen aufgetreten und hoffe, dass ich mit interessanten Hintergründen und Details aus meiner Erfahrung dazu beitragen konnte, dass es für die Zuschauer noch spannender war.


Wie intensiv verfolgen Sie noch die Formel 1?

Nico Rosberg: Sehr intensiv. Es bereitet mir nach wie vor viel Freude und es ist eine sehr aufregende Saison. Die Automobilindustrie befindet sich in einem rasanten Transformationsprozess, eines der Hauptschlagworte ist das autonome Fahren. Wie stehen Sie als ehemaliger Rennfahrer dazu?

Können Sie sich vorstellen in einem Auto zu sitzen und nicht zu lenken?

Nico Rosberg: Ja klar. Ich bin begeistert von der ganzen Entwicklung. Aber natürlich finde ich nach wie vor einen 12 Zylinder AMG oder Ferrari genial. Das macht Gänsehaut. Aber alles hat seinen Platz. Autonomes Fahren und Elektroautos sind ebenso faszinierend. Die Entwicklung der Elektroautos hat das Potenzial unsere Erde langfristig zu schonen, wenn man künftig mehr Solar- und Windenergie nutzt, um Strom zu erzeugen, dann wird die E-Mobilität langfristig ökologischer sein. Und dann ist es cool, dass ich nicht mehr an die Tankstelle muss. Für mich ist das Zeitverschwendung. Mit dem E-Auto kannich einfach an die Steckdose während ich andere Dinge erledige und dann losfahren. In Monaco ist mein Fortbewegungsmittel ein Elektro Car to Go Renault Twizy. Die stehen hier überall, ich bestelle über die App und fahre los. Mein Vater hätte mich beinahe enterbt, als er mich damit ankommen sah. Aber dann hat er gelacht und findet es super. Die Welt dreht sich schnell.

Hat der Verbrennungsmotor noch eine Zukunft?
Und wie sehen die Chancen für den Wasserstoffantrieb?

Nico Rosberg: Ich sehe den Elektroantrieb ganz klar vorn. Nicht unbedingt, weil es die beste Technologie ist. Aber der Hype um Elektro ist derzeit so groß, es wird jede Menge Geld investiert, die ganze Forschung konzentriert sich auf diese Technologie und den Ausbau der Infrastruktur – allein deswegen wird sich das sehr schnell durchsetzen. Vielleicht ist die Wasserstofftechnik sogar die bessere Lösung. Aber ich gebe ihr geringe Chancen für die Zukunft, weil sie kaum gefördert wird. Verbrennungsmotoren wird es mit der Zeit immer weniger geben. Dennoch bin ich der Meinung, man sollte jetzt keinen Hau-Ruck-Wechsel vollziehen, sondern einen entspannten Übergang gestalten und der Automobilindustrie die Zeit geben sich umzustellen. Es darf vor allem der Verbraucher nicht leiden. Ich persönlich wünsche mir natürlich, dass der Verbrenner auch zukünftig seinen Platz in der Welt hat. Ich möchte von Zeit zu Zeit in den V12 steigen und das genießen. Wie man das regelt, weiß ich gerade noch nicht.

Was fahren Sie privat für ein Auto?

Nico Rosberg: Einen Mercedes GLC Diesel, aber den kleinsten Motor den es gibt. Wenn ich mit meiner Familie unterwegs bin, brauche ich keine Power auf der Straße und ich möchte auch nicht ständig an die Tankstelle fahren müssen. Ein Familienauto eben. Aber meine größte Leidenschaft ist ein Oldtimer, eine Pagode. Damit mache ich romantische Ausflüge mit meiner Frau.

Es gibt seit drei Jahren auch die Formel E. Ist dadurch die Zukunft der Formel 1 bedroht?

Nico Rosberg: Beide stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern bedienen unterschiedliche Sparten. Die Formel 1 wird immer der unglaubliche
Entertainment-Sport bleiben. Die Formel E sehe ich eher als einen Technologie-Wettbewerb für die Hersteller, eine Chance, ihre Serien zu testen. Sie wird natürlich wachsen, weil sie das aktuelle Hype-Thema bedient.

Haben Sie schon mal in einem Formel E Rennwagen gesessen? Wo ist der Hauptunterschied für den Fahrer?

Nico Rosberg: In einem E-Rennwagen noch nicht, aber eben im Elektro-Auto. Der Hauptunterschied ist die Lautstärke und man hat im E-Auto mehr Drehmoment, also mehr Power. Und privat ist es mir egal, ob ich Sound habe beim Fahren.

Was denken Sie, wie Menschen in 15 Jahren von A nach B kommen?

Nico Rosberg: Ganz klar: Ich nehme mein Handy, bediene die entsprechende App. Dann kommt ein Auto ohne Lenkrad, in welchem wahrscheinlich auch noch andere Gäste mitfahren, die ich nicht kenne. Vorher kann ich noch wählen zwischen Luxusvariante und Kleinwagen, je nachdem, was ich benötige. Und dann fährt das Auto den effizientesten und intelligentesten Weg, um alle an ihr Ziel zu bringen, eventuell auch neue Fahrgäste aufzunehmen. Ganz entspannt und einfach um von A nach B zu kommen. Ganz perfekt wäre, wenn die App mir auch eine ganze Reise gestalten könnte, von Auto über Flugzeug bis zum Zug. Das wäre dann Mobilität 360 Grad. Man sagt, wo man ist, wo man hinmöchte und alles wird organisiert.

Haben Sie schon Pläne für die Zukunft, über die Sie sprechen können?

Nico Rosberg: Im Moment bin ich stark eingebunden im Management eines Fahrers, der sein Comeback in die Formel 1 startet. Es handelt sich um Robert Kubica. Das ist total spannend, denn er ist neben Lewis Hamilton der schnellste Fahrer, gegen den ich je gefahren bin. Leider hatte er einen Unfall und musste pausieren, aber jetzt ist es toll dabei zu sein, ihn wieder zurück zu bringen.

Hatten Sie jemals den Traum, auch für Ferrari zu fahren, bevor Sie Weltmeister wurden?

Nico Rosberg: Mercedes und Ferrari sind die legendären Teams in der Formel 1. Umso stolzer bin ich auch, dass ich als erster Deutscher in einem deutschen Wagen Weltmeister geworden bin. Ich bin riesengroßer Fan vom Rennsport und die Silberpfeile sind Legenden. Ich war gerade im Museum in Stuttgart, wo mein Weltmeisterwagen hingebracht wurde. Und mein Auto steht direkt neben dem von Juan Manuel Fangio, einer der größten Legenden in unserem Sport, das macht mich stolz! Und Ferrari wäre auch toll gewesen. Ich habe viel italienisch in mir, spreche die Sprache, habe viele italienische Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin und das hätte auch Spaß gemacht, aber das ist dann was fürs nächste Leben.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

 

Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Transformation now!“, das Sie hier erhalten können.