Kongressbericht
Energie und Wohnen – Quartiere, Effizienz und Wärme – neue Geschäftsmodelle für Energie- und Wohnungswirtschaft
Unter diesem Thema trafen sich am 05. und 06. September 2016 aktive Gestalter der Energiewende zur ersten Euroforum Konferenz Energie und Wohnen in Köln. Im Fokus standen dabei Entwicklungen und Herausforderungen gemeinsamer Geschäftsmodelle zwischen Wohnungs- und Energiewirtschaft sowie zukünftige Anforderungen an die Energieversorgung in Gebäuden und Quartieren. Disruptive Entwicklungen wie die Digitalisierung und Energiewende führen zu nachhaltigen Veränderungen. Wohnungs- und Energiewirtschaft müssen die Chancen dieser Transformationsprozesse zu nutzen wissen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Sektorkopplung - eine Aufgabe fürs Quartier
Die Energieversorgung des Gebäudebestands in Deutschland steht vor großen Umbrüchen. Der Schwerpunkt bei der Betrachtung lag in den letzten Jahren überwiegend auf Einzelgebäuden. Zukünftig wird jedoch das Quartier als Handlungsebene der Energiewende verstärkt in den Fokus rücken. So bietet der Zusammenschluss von mehreren Gebäuden zu einem gemeinsamen Verbund vielfältige Synergien. So können gebäudeübergreifende, lokal angepasste Maßnahmenpakete im Bereich der Energieeffizienz entwickelt werden, welche sowohl energetisch als auch ökonomisch gegenüber Einzellösungen im Quartier vorteilhaft sind. Zudem ermöglicht die Vernetzung in Quartieren, die Kopplung des Strom- und Wärmesektors voranzutreiben. Diese Sektorkopplung ist notwendig, um den wachsenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien effektiv und wirtschaftlich in das nationale Versorgungssystem zu integrieren und somit die Netzstabilität gewährleisten zu können.
Das Energieversorgungssystem in Deutschland entwickelt sich derzeit weg von einem zentral aufgebauten Versorgungssystem mit konventionellen Energieträgern (Erdgas, Kohle, Erdöl) hin zu einem dezentralen System basierend auf erneuerbaren Energien. In den nächsten Jahren wird der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kontinuierlich ansteigen. Der in Deutschland produzierte Strom aus Wind- und Sonnenenergie unterliegt dabei hohen, wetterbedingten Schwankungen. Um den wachsenden Stromanteil aus EE in das deutsche Energieversorgungssystem erfolgreich integrieren zu können, müssen alle im Energiesystem vorhandenen Flexibilitätspotentiale genutzt werden.
Energieautarke Gebäude keine Utopie mehr
Durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien verbunden mit der steigenden Energieeffizienz findet derzeit auch eine Entwicklung der Gebäude weg vom reinen Energieverbraucher hin zu kleinen Energieerzeugern („Prosumer“) statt. Neue, innovative Energiespeicher im Gebäudebereich ermöglichen es, eigenproduzierte Wärme und Strom antizyklisch zu nutzen und somit langfristig unabhängig von der bestehenden Energieversorgungsinfrastruktur zu werden. Zudem können Energieversorger zukünftig in Gebäuden vorhandene Energiespeicher zur Netzstabilisierung mittels intelligenten Lastmanagement nutzen und damit verbunden auch neue Ertragsquellen erschließen. Bereits heute ist es möglich, ganzjährig energieautarke Gebäude bei einem moderaten Anstieg der Baukosten zu errichten und mit nahezu Null-Grenzkosten zu betreiben. Die Energieautarkie von Gebäuden ist somit keine reine Utopie mehr und wird in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich ansteigen.
Neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wohnungs- und Energiewirtschaft
Die Aufgabenbereiche zwischen Energie- und Wohnungswirtschaft verschwimmen zunehmend. Schon heute agieren Wohnungsunternehmen zum Teil als Energieversorger (EVU) für ihre Mieter, während EVUs Teil der Immobilienwirtschaft werden und sich zum Energiedienstleister mit kunden-individuellen Lösungen wandeln. Neue Geschäftsmodelle werden dezentral und projekt-orientierter. Gezielte Kooperationen können helfen, neue und lukrative Geschäftsfelder zu erschließen bzw. zu stabilisieren. Eine Idee zur Kooperation im Gebäudebereich ist es, Mietern zukünftig eine langfristig feste Pauschalmiete anzubieten, welche neben der Kaltmiete für Wohnen auch die Kosten für Wärme, Strom und E-Mobilität abdeckt. Eine weitere Möglichkeit zur gemeinsamen Zusammenarbeit stellen derzeit sogenannte Mieterstrom-Projekte da.
Mit der Absenkung der EEG-Einspeisevergütung in den letzten Jahren sind daraus resultierenden Erträge kontinuierlich gesunken. Für Wohnungsunternehmen bestehen durch die derzeitigen Einspeisevergütungssätze geringe Anreize, neue Anlagen (PV-Anlagen bzw. BHKWs) zur Stromerzeugung und Volleinspeisung ins öffentliche Netz zu errichten. Gleichwohl bieten sich für Wohnungsunternehmen auch Chancen, durch den Verkauf von selbst erzeugtem Strom an die Mieter eine neue Ertragsquelle zu erschließen und somit den steigenden Strompreisen entgegenzuwirken.
Wohnungsunternehmen müssen sich bei dem Thema Mieterstrom mit einer Vielzahl von Fragen auseinandersetzen. Eine der drängendsten Fragen aus Wohnungsunternehmersicht ist hierbei die steuerliche Auswirkung des Mieterstroms auf die Gewerbessteuerbefreiung der Wohnungsunternehmen im Rahmen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr.1 Satz 2 ff. Mit der erweiterten Ge-werbesteuerkürzung wird die Vermietungstätigkeit als Kerngeschäft des Wohnungsunternehmens gewerbesteuerbefreit. Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ist jedoch nur zulässig, wenn die Tätigkeit des Wohnungsunternehmens nicht durch schädliche Tätigkeiten beeinträchtig wird. Die Übernahme von Energiedienstleistungen durch das Wohnungsunternehmen stellt aus steuerrechtlicher Sicht eine solche schädliche Tätigkeit dar und führt zwangsläufig zum Verlust der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Erlöse aus Vermietungstätigkeiten werden somit für das Wohnungsunternehmen ebenfalls gewerbesteuerpflichtig mit hohen finanziellen Nachteilen.
Wohnungsunternehmen stehen eine Reihe unterschiedlicher Betreibermodelle zur Verfügung, um Energiedienstleistungen ihren Mietern anbieten zu können. Infolge der steuerrechtlichen Konsequenzen ist derzeit für das Wohnungsunternehmen nur die Gründung eines Tochterunternehmens, häufig in Kooperation mit einem Energieversorger bzw. Energiecontractor, welches die Bereitstellung und den Vertrieb der Energiedienstleistungen übernimmt, wirtschaftlich interessant.
Die Kooperation zwischen Energiewirtschaft und Wohnungswirtschaft im Bereich des Mieterstroms bietet für beide Seiten umfangreiche Vorteile. Die Wohnungswirtschaft kann vom technischen und wirtschaftlichen Know-how der Energiewirtschaft im Energiesektor profitieren, während sich für die Energiewirtschaft die Chance bietet, neue Kundensegmente für sich zu gewinnen und die eigene Marktposition zu festigen.
Autoren:
Philipp Müller, TU Kaiserslautern
Nils-Magnus Wasser, TU Kaiserslautern
Weitere Informationen:
http://www.bauing.uni-kl.de/immobilienoekonomie/startseite/