Heute, Monate und Jahre später, mit konkreten Use-Cases sowie zahlreichen neuen Modellen, nimmt alles langsam Formen an. Wir haben neue Strukturen damit wir kapitalisieren können, ein Wirtschaftswunder 2.0 soll es werden. Jetzt geht es mit Hochgeschwindigkeit voran. Städte und Unternehmen müssen auf diese Revolution vorbereitet werden. „Fit für die Zukunft“ lautet die Devise.
Aber sind wir nicht schon in der Zukunft angekommen? — Wenn wir uns die letzten Produktvorstellungen von Google anschauen (am 4. Oktober 2017) und die damit verbundene Entwicklungsgeschwindigkeit beobachten, geht es wohl heutemehr darum aufzuholen, mitzuhalten, oder Wetten abzuschließen, was als Nächstes für eine kurze Zeit funktionieren könnte. Google hat innerhalb von nur einem Jahr eine KI (Künstliche Intelligenz) entwickelt, die bereits jetzt doppelt so schlau ist wie Siri (von Apple) und viel weiter ist als Microsoft und andere Wettbewerber, so zeigt es aktueller Intelligenztest chinesischer Forscher. Zwar liegt der IQ (nur) bei etwa 47,28 Punkten und somit noch leicht unter dem Niveau eines sechsjährigen Kindes (55,5 Punkte), aber die Geschwindigkeit ist rasant. Google braucht eben keine 12 weiteren Jahre, um erwachsen zu werden, sondern vermutlichdauert es nur noch 3-5 Jahre, bis die Intelligenz eines erwachsenen Menschen erreicht wird.
„ Es geht darum, das Unbekannte bekannt zu machen.“
Eine Revolution? Die eigentliche Revolution fand bereits in 1994 statt mit der Netscape 1.0. Plattitüden, wie „alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“ und „smart whatever“, können wir nicht mehr hören. Integriert und vernetzt, Internet der Dinge, all das ist selbstverständlich und so langsam wird alles auch ein wenig smart. Neue Technologien und die darauf folgende Verlagerung von Autoritäten sind immer die wahren Revolutionen. Wie mit dem Internet war dasmit Johannes Gensfleisch bereits vor über 550 Jahren. Seine neue Technologie ebnete den Weg für das, was wir später die Französische Revolution nannten, damals mit 350 Jahren Verzug. Die Unterschiede zu heute sehen wir vor allem in Geschwindigkeit. Exponentielle Technologien und Beschleunigung verbunden mit der Tatsache, dass heute die Autoritäten nicht von Mensch zu Mensch wandern, sondern von Mensch zu Algorithmen, das ergibt eine komplett neue Welt.
Wir befinden uns am Anfang der schnellsten Urbanisierung der Menschheit. Bis zum Ende diesen Jahrhunderts wohnen 80-85% der Weltbevölkerung verteilt auf 600 Metropolen. Wir verlassen die Nationalstaaten und es werden 90% der wirtschaftlichen Transaktionen in der Stadt abgewickelt. Neben den radikalen Veränderungen durch exponentiellen Wandel im Bereich Bio- und Nano-Technologie, ist es vor allem die Künstliche Intelligenz oder AGI (Artifi cial General Intelligence), die unser System, unsere Modelle und unsere Realität auf den Kopf stellt.
„Die Industrie“ ist eben nichts anderes als all das, was wir Menschen geschaff en haben, sie existiert nur in unseren Köpfen. Die Technologie zerstört keine Industrien, sondern es ist das, was wir Menschen mit der Technologie anstellen, was unsere Welt verändert. Seien wir doch ehrlich: Kein Mensch versteht, was wir derzeit machen. Wir kreieren Intelligenz über das Bewusstsein hinaus und wissen ganz wenig über das Bewusstsein. Die selbst ernannten Experten stehen vor dem Fall. Wir brauchen heute Menschen, die vorausdenken und neue Probleme erkennen, Menschen die das Chaos sortieren und uns durch den permanenten Wandel begleiten. Den großen Frust hat heute der 55+ Chef, der aufgewacht ist und auf einmal neugierig sein muss. Jeder wird gezwungen sich heute damit zu beschäftigen, die Kunst des klaren Denkens wieder für sich zu entdecken, die Technologie kümmert sich eben um den Rest. Unsere Welt ist nicht deterministisch, wir müssen die/eine Zukunft improvisieren und gestalten, wir brauchen eine Veränderung dessen, wie wir heute leben.
Wir leben heute wie dopamingesteuerte Reaktions-Junkies und werden durch das Leben gezogen. Es ist eine Chance aber gleichzeitig auch eine Verantwortung einer jeden Führungskraft sich Zeit zu nehmen zum Nachdenken. Mindestens eine Stunde sollte jede Führungskraft täglich investieren, um einfachüber Themen zu philosophieren, nachzudenken und nichts zu tun. Denn wir brauchen neue Fragen. Nichts ist heute komplexer als die Einfachheit.
Wir trainieren für einen Marathon, sperren uns im Keller mit unserem Hometrainer ein oder bauen im Fitnessstudio Muskeln auf, um uns stark zu fühlen. Kurz: Wir investieren in unsere Fassade oder das, was Stephen Hawking „Chemischer Abschaum“ nennt, aber nicht in unseren Geist. Jede Führungskraft sollte damit anfangen eine Stunde pro Woche fix zu blockieren, in dieser Zeit womöglich ein weißes Papier anzustarren, etwas Neues zu probieren und sich den eigenen Ängsten zu stellen.
Es geht darum sich andersartige Menschen zu suchen und vor allem laut zu denken mit Gesprächspartnern, die keine Agenda haben. Dieser Austausch hilft dabei die eigenen Gedanken zu sortieren und Neuland zu erkunden. Wir sind bereit für ein neues Welt- und Menschenbild, eine Welt der Kooperation statt Konfrontation. Mit unserer vernetzten Industrie 4.0, der „digitalen“, „smarten“ und „integrierten“ Welt, brauchen wir ebenso eine Überholung unseres Wirtschaftsmodells. Kreation, Innovation und neue Sichtweisen auf unsere wahrgenommene Realität müssen aufblühen. Wir werden eine neue Welt der Quantenwirtschaft erleben. 100 Jahre nach dem Planckschen Wirkungsquantum entdecken wir die merkwürdige Welt, in der das Kleine das Große beeinflusst und umgekehrt. Im Kleinteiligen finden wir eine Welt, die ganz „anders“ ist als die, die wir wahrnehmen. Mit der Verabschiedung der Newtonschen Physik und zusammen mit den bevorstehenden wissenschaftlichen Durchbrüchen der Quantenphysik, werden wir eine Bewusstseinsrevolution erleben.
Gepaart mit der rasanten Entwicklung unserer Industrie 4.0 machen wir uns auf die Suche nach dem richtigen Weg in Richtung einer problemlosen Form des Kapitalismus, einem Wirtschaftsmodell für die Menschheit — einem Modell, das über die nächste Generation hinaus auch funktionieren wird. Die Kräfte auseiner Wirtschaft des Bewusstseins werden freigesetzt. So folgt auf die „Generation Z“ nicht die letzte Generation, sondern ein Neustart mit der „Generation Alpha“.
Anders Indset
Wirtschaftsphilosoph
Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Die vernetzte Industrie“, das Sie hier erhalten können