Die Digitalisierung befördert die Globalisierung und ermöglicht völlig neue Geschäftsmodelle wie die der Internet-Riesen Google, Facebook und Amazon. Außerdem ist die Digitalisierung die Ursache für die disruptive Transformation in ganzen Branchen. Handel, Banking und Automotive sind besonders herausgefordert, den Kunden auf neuen Wegen mit neuen Produkten neue Lösungen anzubieten.
Diese technologischen und unternehmerischen Herausforderungen haben ihr Spiegelbild in der täglichen Arbeitswelt. Neue Berufe entstehen, alte personalintensive Branchen bauen Mitarbeiter ab. Dies war schon immer so. Außerdem erleben wir seit inzwischen acht Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum, so dass wir aktuell von Vollbeschäftigung ausgehen können.
Gleichwohl sind immer mehr Beschäftigte im Handel, in Banken, in der Automobilzulieferindustrie und im Kraftwerksbau vom Arbeitsplatzverlust bedroht und der existenziellen Frage ausgesetzt, ob Sie überhaupt einen neuen Job finden, auch wenn dieser nicht mehr so qualifiziert und gut bezahlt ist wie der bisherige.
Eklatant erscheint das Auseinanderfallen zwischen den massiven Unternehmensumbrüchen und dem traditionellen Umgang mit den Beschäftigten in den Betrieben. Es kommt immer häufiger vor, dass Mitarbeiter erst aus den Medien erfahren, dass ihr Unternehmen, ihr Werk oder ihre Abteilung geschlossen wird. Dieses harsche Vorgehen passt nicht nur zu den Sonntagsreden über die Mitarbeiter als Rückhalt des Unternehmens und die Förderung der Mitarbeitermotivation und -qualifikation. Es lässt auch die Belegschaft als Ressource für Innovation und Gestaltung des Wandels brach liegen. Mitarbeiter müssen in erforderliche Transformationsprozesse und erst recht in die Bewältigung von Unternehmenskrisen stärker involviert und integriert werden.
Das Betriebsverfassungsgesetz regelt in § 106, dass der Wirtschaftsausschuss, wenn überhaupt einer besteht, rechtzeitig und umfassend seitens des Unternehmers über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten ist. Dies gilt für jedes Unternehmen, das in der Regel mehr als einhundert Arbeitnehmer ständig beschäftigt. Im außergerichtlichen Bereich agieren neben den Gesellschaftern bzw. den Eignern und dem Management verstärkt Sanierungsberater der Gesellschaft, die entweder einen M&A-Prozess einleiten oder Restrukturierungsvorschläge unterbreiten. In diese Vorgänge werden Arbeitnehmer kaum mit einbezogen. Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt und können nur reagieren. Voneiner gleichberechtigten Beteiligung kann nicht die Rede sein; eine „Scheinbeteiligung“ der Arbeitnehmer beschreibt zutreffender die gegebene Situation.
Die Arbeitnehmervertreter haben nach dem Gesetz einige Möglichkeiten, sich durch Fortbildung oder näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber durch Einschaltung eines Sachverständigen auf „Augenhöhe“ zu bringen. Die Beratungsfälle sind aber beschränkt und die Arbeitgeber sind kaum bereit, sich für die Kosten eines Sachverständigen, der dem Betriebsrat zur Seite stehen soll, stark zu sagen, wenn sie – wie in dem Fall von § 111 S. 2 BetrVG – nicht „müssen“. Außerdem ist zu beanstanden, dass der Wirtschaftsausschuss, wenn überhaupt einer besteht, gemäß § 106 BetrVG als Ausschuss des Betriebsrates kaum Rechte hat; nach dem Betriebsverfassungsgesetz besteht seine Hauptaufgabe darin, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Aus alledem folgt, dass die Arbeitnehmer wohl im eigenen Interesse als auch im Interesse einer gelingenden Transformation und Sanierung eines Unternehmens mehr Teilhaberrechte brauchen.
Dr. Wolf-R. von der Fecht
von der Fecht LLP Rechtsanwälte & Steuerberater
Dieser Artikel ist Teil der Sonderveröffentlichung „Eine Branche im Wandel“ zur 14. Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung 2018, die Sie hier herunterladen können.