EU-Binnenmarkt für Energie – Herausforderung oder Illusion?

06.11.2013EnergieErdgas, international

Binnenmarkt für Energie bis 2014

Die EU setzt gern Ziele. Einerseits bilden sie einen guten Anreiz, Verbesserungen voranzubringen. Andererseits besteht die Gefahr, dass übereilt oder unvollständig gehandelt wird oder dass Ziele weiterverfolgt werden, auch wenn die Erfahrung der Umsetzung eine Revision nahelegt.

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Einige Mitgliedstaaten hinken mit der Umsetzung des Dritten Pakets für den Strom- und Gasmarkt noch hinterher, aber große Fortschritte sind sowohl de jure als auch de facto bereits bemacht worden.

ACER, ENTSOG, die Europäische Kommission und die Marktteilnehmer

ACER, ENTSOG, die Europäische Kommission und die Marktteilnehmer haben sich bei der Entwicklung von Regeln und Netzkodizes für den grenzüberschreitenden Gastransport mächtig ins Zeug gelegt. Nicht alles, aber vieles wird bis 2014 geschafft sein. Dann jedoch wird sich zeigen, ob in der Eile nichts übersehen worden ist und wie umsetzungsfreudig die Mitgliedstaaten sind.

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Der Handel an den Hubs hat stark zugenommen. So berichtet die Kommission in ihrem vierteljährlichen Bericht über das erste Quartal 2013, dass in den Ländern UK, NL, BE, DE, FR, AT und IT die über Hubs gelieferten Mengen 80% des Gasgesamtverbrauchs in diesen Ländern ausmachten. Über einen Anstieg der gehandelten Mengen in Polen und den Beginn des Hubhandels in Ungarn berichtet die Kommission in ihrem Bericht über das zweite Quartal 2013.

Im Einzelhandel hat sich die Anzahl der Anbieter in vielen Ländern enorm erhöht. Nicht nur die Industrie, sondern auch der Privatkunde kann wählen. Das Angebot ist in manchen Ländern so groß geworden, dass trotz der Vergleichsportale (die jedoch leider nicht immer richtig informieren) bereits die Qual der Wahl besteht.

Wo liegt also die Herausforderung oder gar der unmögliche Auftrag?

Zunächst bleibt die Herausforderung der Umsetzung des Dritten Pakets in den Mitgliedstaaten. Die Kommission treibt sie mit den Mitteln, die ihr gegeben sind – Hilfe, Ermahnung und Vertragsverletzungsverfahren – voran. Zusätzliche Umsetzungsregelungen und die Netzkodizes müssen sich noch bewähren und eventuell angepasst werden.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Entwicklungen, die sowohl den nationalen Markt als auch den EU-Binnenmarkt für Energie behindern: Preisregelungen schränken die Fluktuation der Preise ein und stören den natürlichen Mechanismus von Angebot und Nachfrage. Bei dem Wunsch nach Preisstabilität wird häufig vergessen, dass ein variabler Preis letztendlich der niedrigere sein kann. Subventionen sind ein weiterer Faktor, der den Wettbewerb verzerrt und verhindern kann, dass der Markt für die meisten Fälle die kostengünstigsten Lösungen entwickelt.

Rentabilität der Gaskraftwerke

Sowohl Preisregelung als auch Subventionen, insbesondere für erneuerbare Energien, haben dazu geführt, dass Gaskraftwerke in vielen Ländern unrentabel geworden sind. Zu Spitzenzeiten oder wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, können sie flexibel zugeschaltet werden. Das ist ihr Vorteil, aber das Dilemma liegt auf der Hand. So wird in manchen Ländern überlegt, ob man Kapazitätsmärkte schafft, das heißt Anreize, am Energiemarkt unrentable Kraftwerke verfügbar zu halten. Wo die Marktverzerrungen nicht oder nicht schnell genug beseitigt werden können, kann dies eine Lösung sein, aber sie sollte nicht dazu führen, dass der Binnenmarkt für Strom dadurch behindert wird.

Die Kommission hat starke Bedenken geäußert und empfohlen, dass zunächst versucht werden sollte, über eine Flexibilisierung der Nachfrage (Stromkunden erklären sich bereit, dass zu bestimmten Zeiten bestimmte Geräte abgestellt werden) und eine bessere Vernetzung zwischen den Mitgliedstaaten die Notwenigkeit von Kapazitätsmärkten zu verringern. Die Frage ist jedoch, ob die ersten beiden Lösungen die kosteneffizientesten sind und ob nicht alle drei Lösungen besser gleichzeitig betrachtet werden sollten.

Verschiebungen im Klimaschutz

In Bezug auf den Klimaschutz haben sich in den letzten Jahren ebenfalls unerwünschte Verschiebungen ergeben. Eigentlich hätte das Emissionshandelssystem dafür sorgen müssen, dass kohlenstoffarme Energien einen Kostenvorteil gegenüber kohlenstoffreichen Energien erlangen. Aufgrund der Wirtschaftskrise und mangelnder Optimierung von Maßnahmen in der Klimapolitik ist es jedoch zu einem Überhang an Zertifikaten gekommen, deren Preis derzeit bei 4-5 Euro pro Tonne liegt. Dieser Preis bietet keinen großen Anreiz, in Energieeinsparung oder emissionsarme Technologien zu investieren. Noch dazu sind in den USA große Mengen Kohle freigeworden, weil in der Stromerzeugung massiv auf heimisches Schiefergas umgestellt worden ist. Diese Kohle wird nun preiswert auf dem europäischen Markt verkauft und hat zu der paradoxen Situation geführt, dass sowohl der Marktanteil der erneuerbaren Energien als auch der Marktanteil der Kohle gestiegen ist, denn Kohle ist aufgrund des relativ hohen Weltmarktpreises des Gases im Vergleich preiswerter. Während die Kohlendioxidemissionen in den USA stark gesunken sind, steigen sie in manchen EU-Ländern, z.B. in Deutschland, wieder.

EU Energiemarkt

Mit alledem sei gesagt, dass die EU von einem gut funktionierenden, emissionsarmen Energiemarkt noch ein gutes Stück entfernt ist und in manchen Bereichen sogar droht, Rückschritte zu machen. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten dies anerkennen und die Energie- und Klimapolitik so korrigieren, dass sie auf einen auf Wettbewerb anstatt auf Überregulierung und Subventionen beruhenden gesamteuropäischen Pfad zurückgeführt wird – und dies so schnell wie möglich, denn die Investoren sind verunsichert und ein deutliches und einheitliches politisches Signal, wohin der Weg führen soll, ist dringend erforderlich.

 

Autorin: Beate Raabe, Generalsekretärin, Eurogas

Kontakt: Ingela Marré, Rechtsanwältin, EUROFORUM | Ingela Marré auf XING

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