Doch dazu müssen sich Unternehmen nicht nur strukturell, sondern auch in ihren Wertschöpfungsnetzwerken, Geschäftsmodellen und Kundenbeziehungen verändern. Waren Industriebetriebe in der Vergangenheit im Wesentlichen Produktionsunternehmen mit eigenem Service, so werden sie zukünftig zunehmend Dienstleistungsunternehmen mit eigener Produktion sein.
Getrieben wird der Digitalisierungstrend vom zunehmenden Kundenwunsch nach individualisierten Produkten. Die Entwicklung geht sozusagen von B2B zu C2B. Das heißt, der Endkunde äußert online, jederzeit und von jedem Ort der Welt seinen individuellen Wunsch und stößt damit die weiteren Schritte an – vom Design bis zur Auslieferung. Damit ist er nicht mehr Abnehmer am Ende der Wertschöpfungskette, sondern Impulsgeber und Mittelpunkt des gesamten industriellen Ecosystems. Möglich macht diese grundlegende Transformation die Verfügbarkeit von Daten. Daten werden heute zum wichtigsten Rohstoff der Industrie. Sie sind die Basis für neue Geschäftsmodelle, die allen Beteiligten Mehrwert bringen. Ein Beispiel ist die vorausschauende Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Anlagen („Predictive Maintenance“). Bisher war es üblich, Maschinen und Anlagen mit einer vordefinierten Regelmäßigkeit zu warten. Konsequenz: Die Wartungsarbeiten werden turnusgemäß durchgeführt, ob nötig oder nicht. Oder aber die Maschinen weisen im laufenden Betrieb Defekte auf, was zu ungeplanten und teuren Stillstandszeiten oder Qualitätsmängeln führen kann. Anders bei der vorausschauenden Wartung, die sich nach dem Zustand von Maschinen und Anlagen richtet. Die hierfür erforderlichen Informationen liefern die an der Maschine oder an Bauteilen gemessenen und an den Hersteller übermittelten Daten.
Der Anfang ist gemacht, der Durchbruch findet jetzt statt: Die technischen Voraussetzungen für die durchgängig digitalisierte Industrie sind geschaffen. Mittlerweile steht die komplette Technologie für die Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Verfügung – von der Entwicklung eines Produkts über die Planung der Fertigung bis zur automatisierten Produktion und der Generierung neuer Geschäftsmodelle auf Basis der gewonnenen Daten. Siemens bietet dafür beispielsweise die Gesamtlösung Digital Enterprise, bestehend aus industrieller Software und einem großen Automatisierungsportfolio sowie aus Produkten für die industrielle Kommunikation, die industrielle Sicherheit und für industrielle Services. Grundlage und Voraussetzung für diese datenbasierten industriellen Services ist die MindSphere – Siemens Cloud for Industry. Diese Plattform eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle wie zum Beispiel den Verkauf von Maschinenstunden, während der Nutzer zudem von einem transparenten Pay-per-use-Preismodell profitiert. Als offene Plattform bietet sie Kunden und Entwicklern die erforderliche Infrastruktur, um selbst Apps in der Cloud zu entwickeln, zu erweitern und zu betreiben.
Die digitale Transformation der Industrie ist keine Option. Vielmehr findet sie bereits statt. Die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft muss sich jetzt entscheiden, ob sie den digitalen Wandel selbst gestalten möchte. Um diesen Wandel erfolgreich zu meistern, müssen CEOs und Management von Unternehmen jetzt klare strategische Entscheidungen treffen. Zum einen, in welcher Form sie ihr Portfolio auf die Anforderungen der Industrie 4.0 ausrichten wollen. Zum anderen wie sie ihre internen Prozesse auf die Anforderungen der Industrie 4.0 anpassen und die erforderlichen Investitionen in Technologie, in eine qualifizierte Belegschaft und in einen kulturellen Wandel ihrer Unternehmen tätigen. Und es braucht regulatorische Unterstützung durch die Politik, enge Kooperation mit der Wissenschaft, eine Modernisierung des Bildungssystems und breite gesellschaftliche Unterstützung.
„ Daten werden heute zum wichtigsten Rohstoff der Industrie. Sie sind die Basis für neue Geschäftsmodelle, die allen Beteiligten Mehrwert bringen.“
Klaus Helmrich
Mitglied des Vorstands der Siemens AG
„Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Industrie 4.0 - Smart – Agile – Connected“, das Sie hier erhalten können: http://veranstaltungen.handelsblatt.com/journal/industrie-4-0-download