Die Automobilbranche kennt das Thema seit mehr als zehn Jahren
Damals verbauten die Hersteller immer mehr „Onboard-Intelligenz“ in den Fahrzeugen. Gleichzeitig erwartete der Kunde immer mehr Informationen und Bewertungen zu Produkt und Service in Foren, Blogs und Social Media zufinden. Mit unserer seit nunmehr 16 Jahren durchgeführten Cars-Online-Studie befragten wir auch dieses Jahr Kunden in sieben der wichtigsten Märkte weltweit zu ihrer Erwartungshaltung an die Automobilindustrie.
Für mich wenig überraschend bestätigt sich der Megatrend der sogenannten Digital Transformation, also der Wandel durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche. Von einem uneingeschränkten „Ja“ zu allen digitalen Abenteuern kann jedoch nicht die Rede sein: Wir verzeichnen eine starke Nachfrage nach digitalen Services vor allem bei der jüngeren Generation im Alter von 18 bis 34 Jahren und in Wachstumsmärkten wie China oder Indien. Aber selbst „Digital Natives“ wünschen sich letztlich ein haptisches Erlebnis, bevor ihre Entscheidung fällt.
In diesem Zusammenspiel bleibt der Händler zwar zentraler Ansprechpartner, er soll aber besser in die Customer Journey integriert werden. Für das physische Erlebnis „Autokauf“ geht fast jeder Kunde (95 Prozent) lieber in den Showroom. Und nach dem Kauf ist vor dem Kauf: Mehr als drei Viertel aller Kunden wollen mindestens einmal pro Woche zwischen Bestellung und Auslieferung mit dem Hersteller oder Händler in Kontakt sein – zum Beispiel um ihre Bestellung zu ändern oder zu erweitern. Ein bisher ungenutztes Geschäftspotenzial für die KFZ-Hersteller.
Immer mehr Kunden begeistern sich für vernetzte Fahrzeuge
So bestätigen über 80 Prozent, dass entsprechende Features beim nächsten Autokauffür sie ausschlaggebend sein werden. Im Gegenzug teilen die Fahrer ihre persönlichen Daten – vorausgesetzt sie wissen, was damit passiert und haben persönliche Vorteile davon. Dabei ist das Vertrauen der Kunden in die Hersteller wesentlich höher als in die Digital Companies wie Google, Apple & Co.Wir sehen auch ein verstärktes Interesse am Autonomen Fahren, wieder in den Wachstumsmärkten und von der jüngeren Generation. Die Motivation ist jedoch ganz unterschiedlich: Auf lange Autobahnfahrten, tägliches Pendeln sowie nervigen Stadtverkehr verzichten viele gern. Für mich war besonders interessant, dass fast allen Autofahrern bewusst ist, dass es diese Innovation nicht umsonst geben wird. Die Zahlungsbereitschaft insbesondere unter den jüngeren Fahrern und in den Wachstumsmärkten ist erstaunlich hoch. Mobilitäts-Services werden künftig größeren Anklang finden, vor allem in den Ballungsräumen. Viele wollen sie nutzen, aber nicht statt dem eigenen Auto, sondern zusätzlich, wegen der flexibleren Nutzung oder einer geringeren finanziellen Belastung. Junge Menschen und die Wachstumsmärkte sind wesentlich markenorientierter als die traditionellen westlichen Autokäufer. Hierin liegen für die Hersteller gute Chancen, die Kunden von Morgen bereits heute durch die Nutzung ihrer Produkte „as a Service“, wie zum Beispiel Carsharing, mit ihrer Marke vertraut zu machen.
Ich glaube, wir verkennen die heutigen KFZ-Besitzer: Wer jeden Tag hinter dem Lenkrad sitzt, weiß Komfort und digitale Features zu schätzen, wenn auch nicht um jeden Preis. Die Käufer wollen wissen, was mit ihren Daten passiert und bitteschön nur maßgeschneiderte Angebote erhalten, die zu ihrem Profil passen. Das erinnert mich ein wenig an die vielen Selfies, die jeden Tag millionenfach im Netz hochgeladen werden: Auch Autofahrer wollen heute immer im Vordergrund stehen. Gleichzeitig behalten die menschliche Komponente und das physikalische Kauferlebnis ihre Berechtigung: Der Handschlag beimAutokauf und der Geruch von frischem Leder bleiben bei allen technischen Innovationen bisher unersetzlich.
Autor: Andreas Hein, Vice President Automotive Global, Capgemini