Herr Maiwaldt, Sie sprechen häufi g über ‚Klimaintelligenz‘. Warum ist das Thema grade heute so relevant für die Immobilienwirtschaft?
Jan-Christoph Maiwaldt: Der Kampf gegen die Klimaerwärmung ist eine der zentralen Aufgaben, um unseren Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Mehr Klimaschutz in Gebäuden kann es aber nicht zum Nulltarif geben. Trotzdem muss Wohnen bezahlbar bleiben, das ist für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Akzeptanz der Energiewende notwendig. Daraus ergibt sich ein Zielkonfl ikt, der off en benannt werden sollte und den es zu lösen gilt. Intelligente Technik – beginnend bei schon bestehenden Messinfrastrukturen – die den Verbrauch in Gebäuden erfasst, analysiert und steuert, kann maßgeblich dazu beitragen.
Die Digitalisierung der Gebäude eröff net uns dabei neue Wege, stellt die Wohnungswirtschaft aber vor große Herausforderungen: Sie muss in Technik mit immer kürzeren Innovationszyklen investieren, während die Lebensdauer von Gebäuden bleibt. Klimaintelligente Anwendungen müssen daher technologieoffen, sparten- und gewerkeübergreifend auf Gebäudedaten zugreifen können. Nur so lassen sich zukunftsweisende Lösungen wirtschaftlich in bestehende Infrastrukturen integrieren. Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wurde dafür der Weg bereitet. Es regelt den Rollout moderner Zähler, die über Smart Meter Gateways (SMGW) mit dem Netz verbunden und so intelligent werden. Über die effi zienten Smart-Metering-rozesse hinaus ist das SMGW eine kostengünstige Verbindung des Gebäudes ins Internet der Dinge, der Grundstein für die digitalisierte Immobilie.
Wir wollen die Mieter aktiv einbinden, wenn es um das Erreichen der Klimaziele geht. Mit Lösungen, die Wohnen günstiger, nicht teurer machen.
Woher nehmen Sie diese Zuversicht? Über den Smart Meter Rollout reden wir doch schon seit mehr als zehn Jahren.
Es stimmt: Der Weg zum Smart Meter Rollout war lang, auch weil die gesetzlich verordnete Zertifizierung viel Zeit in Anspruch genommen hat. Dafür ist nun aber höchste Sicherheit gegen Hackerangriffe gegeben. Jetzt werden in Deutschland die Zähler digital – und in Kombination mit dem SMGW intelligent!
Studien haben gezeigt, dass die Ersparnis nach energetischer Sanierung von Gebäuden vielfach deutlich geringer ausfällt als vorausgesagt. Warum weicht der Verbrauch in der Praxis so oft von den erhoff ten Zielen ab?
Das ist leider nach teuren Modernisierungen z. B. der Gebäudehülle häufi g der Fall. Mit smarten Anwendungen können wir aber verschiedene Hebel ansetzen, um die energetischen Ziele zu erreichen – etwa durch eine vernetzte Aussteuerung der Gebäudetechnik, die optimal auf individuelle Bedürfnisse der Wohnungsnutzer oder Wetterlagen reagiert. Mehr Transparenz durch intelligente Zähler und Datenanalyse eröff net den Bewohnern die Chance, das eigene Verbrauchsverhalten zu refl ektieren und zu optimieren.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern? Denn die Mieter treibt ja derzeit eher die Sorge um, dass die energetische Sanierung zu ihren Lasten geht.
Unsere Systeme helfen der Wohnungswirtschaft ihre Mieter aktiv einzubinden, wenn es um das Erreichen der Klimaziele geht. Wir haben in der noventic group Lösungen entwickelt, für die Mieter nicht mit steigenden Mieten bezahlen müssen, sondern die ihnen handfeste Mehrwerte bieten. Zum Beispiel die App „Cards“, die ähnlich funktioniert, wie eine Fitness-App: Damit kann der Nutzer seinen Verbrauch von Strom, Wasser und Wärme visualisieren lassen, Einsparpotenziale leicht und schnell erkennen und sich über Benchmarks oder eigene Ziele Anreize zum Sparen geben. Immobilienbesitzer können die App zum Schutz ihrer Bausubstanz nutzen. Denn die verfügbaren Daten lassen sich auch so auswerten, dass bei Schwellwertüberschreitungen vor Leckage oder Schimmelbildung gewarnt werden kann.
Mit der Digitalisierung sollen Wohnungen zu „Smart Homes“ werden. Was bringt das – und wer zahlt dafür?
Bei den umfassenden Lösungen, die wir als noventic group anbieten können, greifen die Leistungen unserer Tochterunternehmen für gesamte Liegenschaften ineinander, die damit zu „Smart Buildings“ werden: Unser strategischer Partner Power Plus Communication übernimmt den Rollout der Smart Meter Gateways. Die Messgeräte unserer Tochter Qundis stellen die Verbrauchsdaten für die Steuerung der Gebäude und Datenplattformen bereit, auf die dann intelligente Anwendungen zugreifen können. Um nur drei Beispiele zu nennen: Dazu gehören die App „Cards“, die Full-Service-Abrechnungslösungen der KALO oder die digitalen End-to-End-Lösungen der Smarvis für die Selbstabrechnung. Unser Ziel ist es, Lösungen anzubieten, die sich idealerweise von selbst amortisieren, weil sie Energiekosten senken und Mehrwerte schaffen.
Wo sehen Sie weitere Wachstumspotenziale für die Unternehmen ihrer Gruppe?
Überall dort, wo sich neue Herausforderungen ergeben, denen wir mit unseren intelligenten Lösungen begegnen können: in der Koppelung der Sektoren Energie und Netzinfrastruktur, Verkehr und Gebäude, in der Steuerung dezentraler Energiesysteme. Und wir sehen im Bereich der „Smart Buildings“ – zum Beispiel im „Active Assisted Living“ vor dem Hintergrund unserer alternden Gesellschaft – noch viel Raum, um mit unserem Leistungsangebot weiter zu wachsen.
Jan-Christoph Maiwaldt
Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Immobilienwirtschaft“, das Sie hier erhalten können.