Auszug aus dem Handelsblatt Journal Januar 2016 Energiewirtschaft

EOM 2.0, Digitalisierung und neue Geschäftsfelder 

Das Übertragungsnetz ist bereits heute ein Smart Grid: In der Netzleitstelle liegen alle relevanten Daten des Netzbetriebs in Echtzeit vor. Die Zähldaten an Einspeise- und Ausspeisepunkten werden online erfasst, das Netz wird komplett ferngesteuert.

Die Cloud der Energiedatenwelt

 Alle diese Daten sind notwendig, um die fl uktuierende Einspeisung der Erneuerbaren im Netz einzubinden. Nur die genaueste Kenntnis des momentanen Netzzustandes und eine präzise Prognose von Last und Einspeisung, die regionale Verteilung eingeschlossen, gewährleisten einen sicheren Systembetrieb und führen zu einer optimalen Auslastung desNetzes. Deswegen ist der Übertragungsnetzbetreiber als Systemverantwortlicher künftig mehr denn je auf einen umfassenden Zugriff auf Daten von Erzeugung und Verbrauch angewiesen.

Daten sind aber nicht nur für den sicheren Systembetrieb notwendig. Der Übertragungsnetzbetreiber ist Herzstück der Marktkommunikation. Er ist  Drehscheibe des Datenaustauschs zwischen den Marktteilnehmern, die am Netz angeschlossen sind und dort elektronisch ihre Daten miteinander austauschen. Der reibungslose und effi ziente Ablauf dieser Datenprozesse steht und fällt mit der Standardisierung, die Wirtschaftlichkeit hängt an den Skaleneff ekten. Deswegen betreibt der Übertragungsnetzbetreiber heute leistungsfähige IT-Systeme und Datenprozesse, die einen sicheren Betrieb der Netze und eine effi ziente Marktkommunikation gewährleisten.

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Steigende Datenmengen

In Zukunft wird die Zahl der aktiven Teilnehmer an diesen Datenprozessen genauso steigen wie das Volumen der Daten selbst: Smart Meter liefern Verbrauchsdaten, Elektroautos werden an den verschiedensten Orten geladen, Kleinsterzeuger nehmen automatisiert an Handelsprozessen teil und verkaufen ihren Strom, Stromverbraucher schalten sich abhängig von Preissignalen an und aus. Lokales Wetter bestimmt Sonne und Wind und damit die Erzeugungslandschaft. Optimierungen auf Basis von umfangreichen Echtzeit und Day-After-Daten werden derzeit im Rahmen von Projekten getestet. Die  ersten Ergebnisse für Einspeiseprognose und Bilanzkreisbewirtschaftung sind äußerst vielversprechend. Es wird aber auch Daten geben, die weiterhin Teil eines Wettbewerbsgeschäftes sind. Wenn etwa der Hausbesitzer einen Dienstleister beauftragt, seinen Stromverbrauch durch den Einsatz von Sensoren, Software und Daten zu optimieren, ist das kein Thema für Netzbetreiber. Diese kommen ins Spiel, wenn diese Daten entweder für den sicheren Netzbetrieb wichtig sind oder eine kompetente unabhängige Instanz ohne spezifische Geschäftsinteressen das Datenmanagement übernehmensoll, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.

Neue Rollen von Übertragungs und Verteilnetzbetreiber

Und genau hier beginnt die Diskussion, wer der geeignetere Administrator dieser Datenwelt ist: der Übertragungsnetzbetreiber oder der  Verteilnetzbetreiber. Seitens der Politik wird – kurz gesagt – eine Trennung des Messstellengeschäfts vom Netzgeschäft verlangt und der  Übertragungsnetzbetreiber zum Datenadministrator der Smart-Meter-Daten gemacht.Die Erfahrung aus anderen Datensegmenten spricht für eine Bündelung. Skaleneff ekte spielen bei Daten eine besonders große Rolle und sparen Geld. Weniger IT-Hardware, einfachere Anpassung von Prozessen, bessere Standardisierung, das überregionale Poolen von Daten zum Wohl von Kunden und Volkswirtschaft, bessere Analyseergebnisse mit breiterer Datenbasis, all das spricht für die Bündelung beim Übertragungsnetzbetreiber.

Die oft zitierte notwendige räumliche Nähe zum Datenpunkt spielt in der Datenwelt keine Rolle mehr. Fragen der Datensicherheit, eines zuverlässigen Backups und der interessenneutralen Handhabung müssen gewährleistet werden. Hierin haben gerade die Übertragungsnetzbetreiber langjährige Erfahrung. Unabhängig von der Frage, wo und wie die Daten verwaltet werden, muss selbstverständlich sichergestellt sein, dass jeder Netzbetreiber und jeder Akteur die Daten erhält, die er für seine Aufgabe benötigt oder die ihm zustehen.

Wie immer die Zuordnung der künftigen Rollen aussehen wird, es wird die Welt der Übertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber sowie die zugehörigen Marktprozesse verändern. Je stärker sich diese Entscheidung am Wohle des Kunden und an Qualität und Effi zienz der Kommunikation orientiert, je stärker sie den technologischen Entwicklungen folgt und je deutlicher sie den volkswirtschaftlichen Mehrwert berücksichtigt, desto stärker wird sie auf eine weitere Bündelung der energiewirtschaftlichen Daten – die Cloud der Energiedatenwelt – hinauslaufen.

Die Übertragungsnetzbetreiber bieten hierfür mit ihrer heutigen unabhängigen und überregionalen Marktrolle sowie ihren Erfahrungen in der  Datenhandhabung beste Voraussetzungen.

Autor: Urban Keussen, Vorsitzender der Geschäftsführung, TenneT TSO GmbH