Kernpunkte der Energiemarktliberalisierung waren schließlich die Einführung von Wettbewerb und der diskriminierungsfreie Zugang zu den Verbrauchern. Die Konsumenten in ganz Europa sollten ihren Energieanbieter frei wählen können. Wettbewerb sollte die Monopolrenditen abschmelzen und dafür sorgen, dass Energie für den Verbraucher günstiger wird, auch mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.
Was haben die Kunden vom Binnenmarkt?
Tatsächlich hat die Liberalisierung den Kunden eine bisher nicht dagewesene Vielfalt an Energielieferanten gebracht. Doch mit den neuen Möglichkeiten hat sich auch ihre Erwartungshaltung geändert. Sie suchen keine Pauschallösungen, sondern wollen zunehmend unabhängiger sein und mitgestalten. Sie wollen keine Lieferanten, sondern Energiepartner. Sie erwarten von der Energiebranche passende Lösungen und mehr Flexibilität in einem immer komplexeren Umfeld.
Von den versprochenen Preiseff ekten ist bei den Kunden allerdings nicht viel angekommen, denn die meisten Mitgliedsstaaten haben Energie als „Fundraising Instrument“ entdeckt. Neue staatliche Abgaben und Umlagen haben die Wettbewerbseff ekte mehr als kompensiert. Zudem hat das Zusammen- und Wechselspiel zwischen Politik und Energieversorgern, das Hin- und Herschieben des „Schwarzen Peters“, die Kunden verunsichert und den Blick auf den Nutzen Binnenmarktes verstellt.
Wäre es also überraschend, wenn die heutige Realität des Energiebinnenmarkts die Kunden mit einer beachtlichen Erwartungslücke zurück gelassen hätte? Es scheint mehr als zweifelhaft, dass die Kunden den Nutzen des europäischen Energiebinnenmarkts überhaupt erkennen können.
Wie steht es um die großen Energieversorger?
Für die großen Energieversorger – Utilities – war die Schaffung des Energiebinnenmarktes verbunden mit bisher nie dagewesenen Eingriffen in ihre Eigentumsrechte und Beschränkungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheiten. Die Folgen: Umfassende strategische Neuausrichtung,
gravierende Änderungen der Geschäftsmodelle und tiefgreifende Umstrukturierungen.
Viele Unternehmen sind den Weg vom nationalen zum europäischen Player gegangen, manche trotzig nach dem Motto,„was ich im Inland verliere, hole ich mir im Ausland wieder“. Manchmal ging der Weg auch wieder zurück. Allein die 20 größten europäischen Utilities haben in den letzten beiden Jahren einen Wertverlust von 500 Mrd. € erlitten.
Dieser Wertverlust ist die Bewertung der internationalen Kapitalmärkte und keine subjektiv gefühlte Befi ndlichkeitsstörung der Branche. Die Situation
in der konventionellen Erzeugung ist europaweit desaströs. Ansätze, die das strukturelle Problem des Wettbewerbs subventionierter und nicht subventionierter Erzeugung lösen, sind politisch nicht gewollt.
Zusammenfassend kann man sagen: Die Anpassung an den Energiebinnenmarkt war für die Utilities kostenspielig und aufreibend. Da der Markt gravierende Funktionsstörungen aufweist, stehen viele Energieversorger vor einem Scherbenhaufen. Vor diesem Hintergrund haben sich 12 der größten europäischen Energieversorger für eine übergreifende Reform der EU-Energiepolitik stark gemacht. Sie fordern Transparenz beim Strompreis für den Kunden, das Ende von Subventionen für marktreife Technologien sowie die Einführung von europäischen Leitlinien für Kapazitätsmechanismen. Ebenso unterstützen sie ein funktionierendes ETS und ein ambitioniertes Treibhausgas-Reduktions-Ziel für 2030.
Welchen Beitrag leisten die europäischen Netzbetreiber?
Das Unbundling hat dem Netzbetrieb erstmals eigenes Leben eingehaucht. Durch eine umfassende Regulierung haben die Netzbetreiber die Systemverantwortung erhalten – und damit eine herausragende Marktrolle. Mit der zunehmenden Diskussion über Versorgungssicherheit haben sich Rolle und Selbstbewusstsein der Übertragungsnetzbetreiber weiter verändert.
Lesen Sie hier den ganzen Artikel
Newsletter Energiewirtschaft PDF zum kostenlosen Download
Autor: Erik von Scholz, Vorsitzender des Vorstandes, GDF SUEZ Energie Deutschland AG
Kontakt: Daniel Scholten, Senior-Marketing-Manager EUROFORUM | XING