Das neue Gasmarktmodell in Österreich

04.11.2013EnergieGasmarkt, international

Energiewirtschaft Österreich 2013

Das neue österreichische Gas-Marktmodell wurde mit 1. Jänner 2013 unter sehr hohem Zeitdruck erfolgreich gestartet. Nach großer Skepsis und Unsicherheiten durch den strikten Modellwechsel zur Jahreswende erholte sich der Gasmarkt wieder. Die gehandelten Volumina auf der CEGH Gasbörse verdoppelten sich im 1. Halbjahr 2013 auf 5,7 Terrawattstunden (TWh) gegenüber dem 2. Halbjahr 2012.

Neues Gas-Marktmodell Österreich - erleichterter Zugang zum Endkunden | Newsletter Energiewirtschaft Österreich

Die Veränderungen in der europäischen Gaswirtschaft sind enorm: Stagnierende Verbrauchsprognosen; Spark Spreads, die den Einsatz von hochmodernen effizienten Gaskraftwerken nicht mehr wirtschaftlich darstellen; Sommer-Winter Spreads, die die Nutzung von Gas-Speicheranlagen in Frage stellen; und ölpreisgebundene Gaslieferverträge, die außerhalb des Marktpreisniveaus an den europäischen Hubs liegen.

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Zu diesen Problemen und Unsicherheiten kam in Österreich heuer auch noch der Umstieg auf das neue Gas-Marktmodell. Mit Jahreswechsel wurde das alte „Punkt-zu-Punkt“-Transportsystem durch ein neues Regime mit einem Entry-Exit-Modell und der Schaffung eines Virtuellen Handelspunktes (VHP)  ersetzt. Damit wurde das 3. EU-Energiebinnenmarktpaket im österreichischen Gaswirtschaftsrecht umgesetzt.

Neues Gas-Marktmodell – erleichterter Zugang zum Endkunden

Kern dieser neuen Regelung ist der erleichterte Zugang zum österreichischen Gasmarkt, ohne sich mit der „physikalischen“ Welt der Gasleitungen in demselben Ausmaß wie im alten Modell auseinandersetzen zu müssen. Statt der bisher üblichen Punkt-zu-Punkt Verrechnungen kann nun jeder  registrierte Marktteilnehmer durch die Bezahlung des Entry jeden Punkt im österreichischen Markt erreichen. Im Marktgebiet Ost (Österreich exklusive Tirol  und Vorarlberg) werden alle Eigentumsübergänge und alle Handelstätigkeiten am VHP abgewickelt. Betreiber des VHP ist die CEGH AG – Central  European Gas Hub AG. Damit verbunden endete auch der Handel an den Flanschpunkten des österreichischen Gasleitungsnetzes, der von CEGH  organisiert wurde. Der Handel an den bisherigen Flanschpunkten wurde auf den VHP übergeführt und somit an einem einzigen - virtuellen - Punkt im Marktgebiet Ost konzentriert.

Die Ausgleichsmengen für die Fernleitungs- und Verteilergebietsebene werden vorranging an der CEGH Gas Exchange of Wiener Börse abgerufen. Damit soll die Ausgleichsenergie nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen beschaffen und gleichzeitig die Liquidität des börslichen Gashandels in Österreich gefördert werden. Ziel ist es, mit mehr Liquidität an der Gasbörse den Zugang zum Marktgebiet zu erleichtern und damit den Wettbewerb am Gasmarkt zu unterstützen.

Die Einführung des neuen Gas-Marktmodells durch die Systemoperatoren verlief erfolgreich – trotz der kurzen Vorbereitungszeit und der hohen Unsicherheit unter den Marktteilnehmern: Manche Händler hatten rechtliche Bedenken, ob die Verträge des Jahres 2012 in das Jahr 2013 ohne erhebliche Probleme auf den VHP als neuen Lieferpunkt übergeführt werden könnten. Die späte Bekanntgabe der kommerziellen Eckpunkte im neuen Marktmodell  führte dazu, dass viele die Rahmenbedingungen ihrer Verträge für 2013 in Zweifel zogen bzw. die Verhandlungen bis weit ins Jahr 2013 reichten und noch immer reichen.

Steigende Mitgliederzahlen an der CEGH-Gasbörse

Der dadurch verursachte Einbruch der Handelsaktivitäten in Österreich im Winter 2012 konnte aber überwunden werden. Händler, die den Markt letztes Jahr verlassen haben, kommen wieder zurück. Derzeit sind 76 Mitglieder an der CEGH Gas Exchange als passive und aktive Mitglieder vertreten. Die bisherigen Handelsmengen im österreichischen Markt im Jahr 2013 sind laut dem Branchenmagazin ICIS Heren höher als im Vergleichszeitraum 2012 (Monatswerte Juli 2012 zu Juli 2013: plus 68%). Auch die am CEGH als Betreiber des Virtuellen Handelspunktes nominierten Handelsmengen stiegen von Beginn 2013 bis zum Sommer 2013 um ein Viertel an. Die Handelsmengen an der CEGH Gas Exchange konnten mit 5,7 TWh im 1. Halbjahr 2013 gegenüber dem 2. Halbjahr 2012 (2,6 TWh) sogar mehr als verdoppelt werden.

CEGH führte unter seinen Mitgliedern auch eine Befragung über mögliche Änderungen im neuen Gas-Marktmodell durch. So wurden mit Genehmigungder Regulierungsbehörde Energie Control Austria im Frühjahr erste Anpassungen vorgenommen, die die Handelsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen verbessern: CEGH hat seinen Back Up/Back Down Service beendet und dafür die Bankgarantieerfordernis von 140.000 EURO auf 40.000 EURO senken können. Auch der Marktgebietsmanager, die Gas Connect Austria, hat den Strukturierungsbeitrag für kleine Ausgleichsmengen gesenkt.

Zusammenfassend funktioniert das neue Marktmodell im Marktgebiet Ost, das Vertrauen der Händler wurde durch die operative Leistung bei der Einführung gestärkt und soll in Zukunft zu einer stärkeren Aktivität am Markt führen. Die Anzeichen dafür sind positiv, da sich Handelsmengen und Marktteilnehmer kontinuierlich erhöhen.

Trading Region als „role model“?

Die Schaffung eines noch größeren überregionalen Handelspunktes mit dem CEGH für die Region in Zentral- und Osteuropa durch grenzüberschreitende regulatorische Maßnahmen war Ziel einer Studie der Energie Control Austria, des tschechischen Netzbetreibers Net4Gas und des slowakischen  Netzbetreibers eustream gemeinsam mit dem CEGH. Mit einer sogenannten „Trading Region“ mit Tschechien, Slowakei und Österreich könnte der Großhandelsmarkt auf einen gemeinsamen virtuellen Handelspunkt grenzüberschreitend gebündelt werden. Damit würde eine Entry-Exit Zone mit einem gemeinsamen liquiden Markt geschaffen werden, von dem auch Tschechien und die Slowakei unmittelbar profitieren würden. Langfristig wäre dies eine Möglichkeit, um auch in wettbewerbsschwachen Ländern den Wettbewerb grenzüberschreitend zu unterstützen und die Liquidität auf den Gasmärkten weiter zu steigern.

Ob sich dieser mögliche Weg für die weitere Gestaltung der Gasmärkte als das „role model“ der Zukunft herauskristallisieren wird, bleibt abzuwarten. Andere Initiativen gehen von einem nationalstaatlichen Gas-Marktmodell mit größerer Interkonnektivität zwischen jenen Staaten, die derzeit keine liquiden Handelsplätze haben, aus. Dadurch sollten etwa Staaten in Ost- und Süd-Ost-Europa auch von der Liquidität am CEGH profitieren können.

Die fundamentalen Probleme der Gaswirtschaft können durch diese Gasmarktmodellveränderungen aber nicht gelöst werden. Eines zeigt sich für die Zukunft jedenfalls: Hubs, und die damit verbundene Preisgestaltung entsprechend Nachfrage und Angebot an den europäischen Hubs, werden eine immer größere Rolle spielen. Wir stehen damit mitten in der Weiterentwicklung der Gaspreisgestaltung, die auch jene der Langfristverträge der großen Produzenten verändern wird. Die bestehende Öl-Preisbindung von Gasverträgen kann unter den jetzigen Marktkonditionen nicht mehr weitergeführt werden. Und sie wird auch auf dem Elektrizitätsmarkt seine Spuren hinterlassen (müssen), da ansonsten Gas ohne Subventions-Eingriffe keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Strom leisten wird können. Mehr Marktwirtschaft und wettbewerbliche Grundsätze bei den Erneuerbaren Energien wird dazuführen (müssen), wieder ein „level playing field“ zwischen den verschiedenen Primärenergieträgern am Elektrizitätsmarkt und damit  Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

 

Autor: DI Gottfried Steiner, MBA, Chief Executive Officer, Central European Gas Hub AG

Kontakt: Ingela Marré, Rechtsanwältin, EUROFORUM | Ingela Marré auf XING

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