Das Ende der traditionellen Bankenbranche

25.08.2016FinanceFinanzwesen, Bankenbranche , DigitalisierungFeatured Article

Neue Chancen durch das Aufbrechen von Branchengrenzen

von Philipp Harrschar & Daniel Scheu

Top-Manager in Banken sind derzeit nicht zu beneiden. Im Spannungsfeld von Regulierung und Innovation ist die Liste der Aufgaben mit höchster Priorität lang: Digitalisierung, Renovierung von IT, Blockchain als Enabler neuer Geschäftsmodelle, Niedrigzinsproblematik oder das Segment der Regulierungsanforderungen sind offensichtlich Auslöser für Mammut-Projekte. Etwas verborgener kommt eine langfristige Veränderung daher, deren Tragweite heute noch nicht abgeschätzt werden kann: Das Aufbrechen der traditionellen Bankenbranche, die sich alleine um alle Finanzdienstleistungen für ihre Privat- und Firmenkunden kümmert. 

Branchengrenzen brechen auf

Bisher wurde dieses Aufbrechen der Bankenbranche durch den Markt getrieben. So haben sich die Finanzdienstleister der Automobilhersteller bereits am Markt etabliert, eine ähnliche Entwicklung zeigt der Maschinenbau. Finanzierung und Kapitalanlage werden so auf den Anwendungsfall maßgeschneidert und damit für Bank und Kunde attraktiver. Die nächste Stufe des Aufbrechens wird durch die Regulierung der Bankenbranche vorangetrieben. Die Weiterentwicklung der Zahlungsdienste-Richtlinie PSD, die Payment Services Directive 2, soll mehr Wettbewerb schaffen. Eine Konsequenz: Banken werden verpflichtet, Drittanbietern den externen Zugriff auf Kunden-Konten zu ermöglichen. Daraus entsteht die Gefahr, dass kraft Regulierung Banken zum reinen Abwickler von Kerndienstleistungen werden und somit die Schnittstelle zu Kunden verlieren.

Herausforderungen und Chancen

Dies birgt gleichermaßen Herausforderung und Chancen. In einigen aktuellen Projekten zeigt sich, dass gerade durch branchenübergreifende Kooperation Innovationen und insbesondere neue Geschäftsmodelle entstehen. Die folgenden Beispiele zeigen: Die rasante Marktdynamik birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen, wenn Finanzdienstleister bereit sind, die Veränderungen selbst aktiv zu gestalten.

FinTechs betreten den Markt

Anstatt FinTechs als reine Wettbewerber am Markt zu verstehen, haben einige kleine und große Finanzinstitute erkannt, wie wertvoll Kooperationen mit Fintechs sind. Die solarisBank versteht sich als Anbieter einer Banking API (Application Programming Interface). Über eine solche Schnittstelle können Dritte – aus beliebigen Branchen – Finanzdienstleistungen wie E-Commerce, Gutscheine, Crowdfunding etc. entwickeln und dann die Kern-Banken-Funktionen der solaris- Bank nutzen. Sie hat gehandelt, noch bevor PSD2 in Kraft tritt. Einen anderen Weg hat die Sutorbank gewählt. Sie bietet mit einer eigenen Startup- Plattform strategische Partnerschaften für Fintechs. Neben der technischen Anbindung an das Core Banking profitieren die Startups vom Know-how rund um die Themen Regulierung und Geschäftsmodelle. Auf dieser Basis hat die Plattform bereits einigen FinTechs einen erfolgreichen Markteintritt ermöglicht und für sich selbst ein neues attraktives Geschäftsmodell etabliert.

Blockchain, der Mega-Hype

Blockchain, die technische Grundlage der Kryptowährung Bitcoin, ist das Hype-Thema der Stunde. Entscheidend ist nicht, dass Kryptowährungen damit unterstützt werden. Das Innovationspotenzial steckt vielmehr in anderen Bereichen. Mit der Technologie wird es möglich, sichere Transaktionen zu ermöglichen, ohne dass eine zentrale vertrauenswürdige Instanz (bisher eine zentrale Rolle der Banken) darin involviert ist. Damit können in der Zukunft Smart Contracts realisiert werden, die verlässlich eine Handlung auslösen, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist. So könnte ein smarter Leasingvertrag dafür sorgen, dass sich das Auto nur dann vom Leasingnehmer bewegen lässt, wenn die Leasingrate bezahlt wurde. Die Technologie Blockchain ist also prädestiniert für weitläufige und vernetzte Märkte über Branchengrenzen hinweg.

Neue Möglichkeiten im Bereich Supply-Chain-Management/-Financing

Auch auf die Probleme der Niedrigzinsphase bietet eine Branchenöffnung Antworten, zum Beispiel im klassischen Supply-Chain-Management. Die Optimierung einer Supply-Chain erfolgt heute meist hinsichtlich der Logistik-Bedarfe im Sinne des Warenflusses. Insbesondere die wirtschaftlich weniger starken Teilnehmer einer Supply-Chain haben oftmals große Hürden bei der Finanzierung zu überwinden, da sie sich normaler Kredite bedienen. Banken können dieses Szenario als neues Geschäftsfeld nutzen und als Mittler zwischen Supply-Chain und Bank auftreten. Mit dem Wissen über Warenflüsse und Bonitäten von Supply-Chain-Teilnehmern und Kunden können Risiken besser bewertet und somit Finanzierungen günstiger gestaltet werden. Davon profitieren beide Seiten: Supply-Chain-Teilnehmer erhalten eine günstigere Finanzierung und die beteiligten Banken erzielen neue Erlöse.

Digitalisierung & IoT verändern Trade Finance

Bei Trade Finance erfolgen heute viele Abläufe, wie zum Beispiel Waren-Kontrollen, manuell und bieten so großes Potenzial für eine Automatisierung. Durch das Zusammenspiel von Banken und Handelsunternehmen bzw. Logistikdienstleistern wird ein Innovationssprung möglich. Mit Digitalisierung und dem Internetof- Things (IoT) kann die Bewegung physischer Güter sicher, zuverlässig und in Echtzeit in ITSysteme integriert werden. So wachsen die Welt der Dinge und die digitale Welt zusammen. Prozesse und Abläufe im Handel werden so um Dimensionen effizienter.

Ein Blick auf andere Branchen: Systeme für Dritte öffnen

Ein Beispiel für eine Intensivierung der Kundenbeziehung aus einer Schwesterbranche ist der Versicherer Zurich. Das Online-Portal MyZurich stellt den Kunden wichtige Informationen und Funktionen rund um das Thema Risikomanagement zur Verfügung. Neben Policen, Risikoanalysen und den Status aktueller Schäden bietet das Portal zahlreiche weitere Funktionen für die Steuerung des internationalen Risikomanagements. Damit bietet Zurich einen deutlichen Mehrwert, der weit über die reine Versicherungspolice hinausgeht. Das Portal ist elementarer Bestandteil der Prozesse und Abläufe der Kunden und so ein weiteres Beispiel für branchenübergreifende Innovation.

Fazit

Die klassische Bankenwelt verwandelt sich mehr und mehr in ein branchenübergreifendes Ökosystem, mit integrierten Finanzdienstleistungen. Auch wenn die Veränderungen noch fern erscheinen, ist es Zeit, jetzt zu handeln. Um der Planungsunsicherheit zu begegnen, starten viele unserer Kunden mit Pilotprojekten und machen damit gute Erfahrungen. So werden Technologie und Geschäftsmodelle gleichermaßen frühzeitig erprobt. Dabei sind eine agile Vorgehensweise und das ständige Verproben am Markt unabdingbar, um nicht am Markt vorbei zu entwickeln.

 

Philipp Harrschar, Director Business Development, Zühlke Engineering GmbH
Daniel Scheu, Lead Software Architect, Zühlke Engineering GmbH

Über die Zühlke GmbH

Zühlke Engineering ist ein Innvoationsdienstleister. Zühlke begleitet Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Vision – von der cleveren Idee bis zum durchschlagenden Markterfolg. Die in Eschborn bei Frankfurt beheimateten Experten decken dabei alle Phasen des Business-Innovations-Prozesses ab und führengeschäftskritische Anwendungen von der Idee über die Realisierung bis zum Betrieb. Mit Zühlke als Partner beherrschen Banken und Finanzdienstleister die Marktdynamik und haben klassische Themen wie Kundenbindung, Kosten und Komplexitätsreduktion sowie Effizienzsteigerung im Griff. Wir bieten folgende Dienstleistungen an:

■ Beratung zur IT-Strategie und auf Prozessebene
■ Produkt- und Lösungsinnovation für Produkte, Dienstleistungen und mobile Apps
■ Entwicklung und Betrieb von Core-Banking-Applikationen

Die Gruppe kann auf Erfahrungen aus mehr als 8.000 Software- und Produktentwicklungsprojekten zurückgreifen. Uns vertrauen Kunden aus Schlüsselbranchen – von Finanzdienstleistern über den Maschinen- & Anlagenbau bis zur Medizintechnik. Die Zühlke Gruppe erzielte 2015 mit ihren 730 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Umsatz von 116 Millionen Euro.

www.zuehlke.com